Chirurg zum Streik in der Kölner Uni-Klinik„Das geht auf Kosten der Patienten“

Lesezeit 3 Minuten
20220410_tb_Bettenhaus_Uniklinik_002

Die Uniklinik in Köln 

Köln – „Jetzt wird doch verhandelt. Da kann man doch jetzt den Druck rausnehmen. Das geht komplett auf Kosten der Patienten. Menschen kommen zu Schaden. Ein gutes Gefühl hinterlässt das auf keinen Fall“, sagt Professor Jens Peter Klußmann, Chirurg und Direktor der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde an der Uniklinik Köln. Der Mediziner kann nicht verstehen, warum der Streik an der Uniklinik nicht ausgesetzt wird. Obwohl er betont, dass er die Forderungen versteht.

Besonders Kinder sind von den Auswirkungen betroffen

Leidtragende sind unweigerlich die Patienten. „Bei einer Patientin mit Zungenkrebs wurde die Operation mehrfach verschoben. Sie erhält nun eine Radio-Chemotherapie. Das heißt, durch den Streik wurde die Behandlungsmethode geändert“, sagt Klußmann. Er erzählt von einem Mädchen, bei dem ein Luftröhrenschnitt verschlossen werden sollte. „Die OP konnte nicht stattfinden. Ich weiß gar nicht, wo das Mädchen dann abgeblieben ist.“ Die Eltern seien wohl zu einem anderen Krankenhaus gegangen. „Für uns sind manche Patienten gar nicht mehr zu erreichen. Das ist kein hinnehmbarer Zustand, der mich tief besorgt.“

Der Streik

38 Tage dauert am heutigen Freitag der Streik der Beschäftigten an den sechs NRW-Unikliniken an. Er ist unbefristet und startete nach einem 100-tägigen Ultimatum der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am 4. Mai.

Die Dauer des Streiks ist derzeit bis zum 17. Juni angesetzt. „Bei entsprechenden Angeboten der Arbeitgeber gibt es eine Bereitschaft, den Streik runterzufahren“, sagte Katharina Wesenick, Landesfachbereichsleiterin bei Verdi gegenüber der Rundschau.

Seit Donnerstag gibt es nach Auskunft von Verdi erste Angebote der Arbeitgeberseite. Die Verhandlungen sollen am heutigen Freitag fortgesetzt werden. (dha)

Neben der Onkologie seien besonders die Kinder von den Auswirkungen des Streiks betroffen. So gebe es Eltern, die nicht wissen, ob ihr Kleinkind schwerhörig sei oder nicht. „Das ist eine sehr belastende Situation“, sagt der Mediziner. So wie bei einem Einjährigen, der nicht hören kann und ein Cochlea-Implantat bekommen sollte. Die Eltern hatten sich Urlaub genommen, die Geschwisterbetreuung organisiert. Dann kam die Absage der OP ganz kurzfristig, verschoben auf die nächste Woche. Wieder wurde alles organisiert. Dann die nächste Absage. „Die Eltern haben nun gar keine Ahnung, wann sie drankommen. Das zermürbt“, sagt Klußmann.

Forderung nach einem Entlastungstarifvertrag

Hintergrund des Streiks ist, dass die Mitarbeitenden einen Entlastungstarifvertrag fordern. Durch bindende Personalschlüssel in unterschiedlichen Bereichen soll, so die Gewerkschaft Verdi, gewährleistet werden, dass Patienten gut behandelt werden können und das Personal nicht überlastet ist.

„Es muss sich grundlegend etwas ändern, sonst verliert die Pflege maximal an Qualität“, sagt Steffi Börgener (53), Intensivfachkraft an der Uniklinik Köln. „Der Streik ist auch für uns sehr belastend, auch finanziell. Vollzeitkräfte verlieren mehrere Hundert Euro monatlich dadurch“, sagt Börgener. Dass Ärzte zwar durch die Bank ihr Verständnis für die Forderungen unterstreichen, gleichzeitig aber einige fordern, den Streik auszusetzen, stößt nicht nur bei Börgener auf Granit. „Dafür geht es um zu viel“, sagt sie. Verdi-Sprecher Jan von Hagen spitzt zu: „Das Vertrauen in die Arbeitgeber ist verspielt.“

Klußmann betonnt, die Eingriffe und Behandlungen an den interdisziplinären Spitzenzentren an den Universitätskliniken könnten durch andere Kliniken nicht aufgefangen werden. Die Qualität der Behandlung sei ausgesetzt.Durch die notfallmäßige Besetzung seien jetzt häufig nicht die eingespielten Teams im OP. „Das ruckelt dann auch mehr“, klagt Klußmann. Die Planung sei „unwahrscheinlich schwierig, weil wir ja auch ein Intensivbett nach einer OP benötigen“.

Das könnte Sie auch interessieren:

So könne es vorkommen, dass eine OP zwar stattfinden könnte, das Intensivbett aber fehle. „Wir versuchen teilweise, Tumorpatienten an Unikliniken in anderen Bundesländern weiterzugeben. Das ist aber nicht einfach. Die Kollegen müssen bei einer individualisierten Behandlung Untersuchungen wieder neu machen.“ Wann wieder Normalität einkehrt, kann Klußmann nicht absehen. Kleiner Hoffnungsschimmer: In die Verhandlungen (siehe Infotext) ist etwas Bewegung gekommen.

Rundschau abonnieren