Kein Kandidat der AfD steht in einer Stichwahl - aber inwiefern können ihre Wähler erneut Einfluss auf die Bürgermeister-Entscheidungen nehmen?
StichwahlenWas machen die AfD-Wähler in Reichshof und Morsbach?

In vier oberbergischen Kommunen geht es am 28. September nicht nur um die Landratswahl, sondern auch um das Bürgermeisteramt, nämlich in Reichshof, Morsbach, Hückeswagen und Radevormwald.
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In vier oberbergischen Kommunen geht neben der Landratswahl auch der Kampf um die Chefsessel im Rathaus in die Stichwahl: In Radevormwald und Hückeswagen im Nordkreis sowie in den beiden Südkreisgemeinden Morsbach und Reichshof. Dort werden die Wahlberechtigten am Sonntag nächster Woche, also am 28. September, nochmals an die Urnen gerufen.
In diesen vier Kommunen bekam die AfD bei der Kommunalwahl viele Stimmen – Stimmen, die nun den Ausschlag für die Wahl des Bürgermeisters geben können. Diese Zeitung hat bei den Bürgermeisterkandidaten in Morsbach und Reichshof nachgefragt, wie sie mit diesem Potenzial umgehen. Und wir wollten wissen, ob die AfD in den beiden Gemeinden womöglich eine Wahlempfehlung zugunsten eines der Kandidaten oder der Kandidatin ausspricht.
Morsbach:
Jan Schumacher (BFM-UBV) ist mit 49,5 Prozent nur knapp an der Direktwahl zum Bürgermeister vorbeigeschrammt. Seine Haltung zur AfD hat er bereits in der Wahlarena deutlich zum Ausdruck gebracht: „Als Privatperson empfinde ich die AfD und ihre führenden Vertreter als in keiner Weise akzeptabel.“ Bei einer Wahl zum Bürgermeister sei er jedoch verpflichtet, mit allen demokratisch gewählten Ratsmitgliedern zusammenzuarbeiten: „Wenn aber Hass, Hetze, Diskriminierung oder Extremismus ins Spiel kommen, werde ich eine klare Haltung zeigen und unsere Grundwerte verteidigen.“
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Mir geht es nicht darum, Stimmen einem bestimmten Lager zuzuordnen, sondern darum, Vertrauen über Parteigrenzen hinweg zu gewinnen.
Hinsichtlich möglicher AfD-Stimmen zu seiner Wahl unterstreicht der 39-Jährige, dass die Wahl geheim ist, allerdings habe er im Vorfeld der Kommunalwahl Unterstützung von Menschen signalisiert bekommen, die in ganz unterschiedlichen Parteien oder überhaupt nicht parteipolitisch gebunden sind: „Mir geht es nicht darum, Stimmen einem bestimmten Lager zuzuordnen, sondern darum, Vertrauen über Parteigrenzen hinweg zu gewinnen. Denn Bürgermeister ist man für alle in der Gemeinde – und genau das ist mein Anspruch.“
Er betont, dass es vorrangig nicht um politische Lager, sondern um die Gemeinde und eine gemeinsame Zukunft gehe: „In den kommenden anderthalb Wochen bis zur Stichwahl werde ich genauso weitermachen wie bisher – im direkten Gespräch, nah bei den Menschen und mitten in Morsbach.“
Es ist mir wichtig, eine breite Unterstützung aus der Mitte der Gesellschaft zu gewinnen.
Als Zweite bei der Bürgermeisterwahl kam Nadja Hansmann von der CDU auf 33,9 Prozent. Auch ihre Haltung zur AfD ist eindeutig: „Es ist eine rechtsextreme Partei, damit ist alles gesagt.“ Sie schildert, dass freie und geheime Wahlen Bestandteil der Demokratie sind und daher niemand wissen könne, wer wen gewählt hat. So strebe sie eine Wahl an, die auf demokratischen Werten basiert: „Es ist mir wichtig, eine breite Unterstützung aus der Mitte der Gesellschaft zu gewinnen. Daher wäre es nicht im Sinne meiner politischen Überzeugung, meine Wahl zur Bürgermeisterin durch Stimmen einer Partei zu sichern, die radikale und extremistische Positionen vertritt.“ In der verbleibenden Zeit will sie noch einmal Vollgas geben: „Ich möchte die Menschen davon überzeugen, dass ich die richtige Bürgermeisterin für Morsbach bin.“
Von der AfD gebe es keine Empfehlung, teilte Friedhelm Müller von der Morsbacher Ortsgruppe mit.
Reichshof:
Auch in Reichshof möchte die AfD keine Wahlempfehlung abgeben, sagt deren designierter Fraktionsvorsitzender Angelo Zientarski: „Wir haben uns für diese Wahl zur Neutralität verpflichtet.“
Dennoch sieht sich der parteilose Kandidat Jan Gutowski seit dem Wahlabend mit einer „Schmutzkampagne“ konfrontiert, wie er sagt. Auf Anfrage dieser Zeitung schildert er, ihn würden zunehmend Anfragen erreichen, in denen es hieße, es würde gemunkelt, er sei ausländerfeindlich, er stehe der AfD nahe und wolle ihr nach der Wahl auch beitreten. Gutowski wörtlich: „Diese Behauptungen sind falsch und entbehren jeder Grundlage.“ Er werde keiner Partei beitreten und keine Bündnisse eingehen, vielmehr sei er nach seinem Austritt aus der CDU bewusst als parteiloser Kandidat angetreten. Er distanziere sich „ganz deutlich“ von jedem Extremismus. Er engagiere sich seit Jahren sozial für Kinder und für Menschen, die benachteiligt und auf Unterstützung angewiesen sind.
Ich distanziere mich ganz deutlich von jedem Extremismus.
Würde er die Stichwahl für sich entscheiden, so wäre er als parteiloser Bürgermeister gezwungen, mit dem ganzen Gemeinderat zusammenzuarbeiten, sagt er. Er habe dann ja keine politische Mehrheit, die alle seine Vorlagen einfach immer durchwinkt. Es wäre durch die Gemeindeordnung und weitere Vorschriften ohnehin verpflichtet, Anträge der AfD-Fraktion genauso zu behandeln wie Anträge aller anderen Ratsmitglieder.
Für den CDU-Kandidaten René Kauffmann steht fest: „Wir können es sowieso nicht beeinflussen, wer wen wählt. Deshalb fokussieren wir uns darauf, die Menschen zu mobilisieren, die mich im ersten Wahlgang auch gewählt haben.“ Freuen würde er sich über Zustimmung von Wählern, die beim ersten Wahlgang beim SPD-Kandidaten Gerald Zillig ihr Kreuz gemacht haben, ergänzt er.
Wir können es sowieso nicht beeinflussen, wer wen wählt.
Grundsätzlich sei die Wahl kein Wunschkonzert, „es hat eine demokratische Wahl stattgefunden, der Wähler hat entschieden, und damit müssen wir jetzt vernünftig, professionell und sachorientiert arbeiten – zum Wohle der Gemeinde. Selbst wenn 20 Prozent im Rat unter Umständen andere politische Ziele verfolgen, bleiben noch 80 Prozent, mit denen man versuchen kann, auf einen Konsens zu kommen und vernünftige Politik zu machen.“