2011 bei Einsatz schwer verletztBergheimer Sanitäter erinnert sich

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Oft müssen sich Notfallsanitäter (hier bei einer Übung in Erftstadt) auch mit aggressiven Personen auseinander setzen.

Bergheim – Der 44 Jahre alte Jochen Holzer ist seit 19 Jahren bei der Feuerwehr Bergheim im Rettungsdienst als Notfallsanitäter tätig. Am 14. Januar 2011 wurden er und eine Kollegin zu einem internistischen Einsatz in eine Wohnung in Bergheim gerufen. Es kam im Rettungswagen zum Streit mit dem betrunkenen Ehemann der Patientin. Die Auseinandersetzen endete für Jochen Holzer im Krankenhaus. Mit ihm sprach Udo Beißel.

Herr Holzer, erinnern Sie sich noch an die Situation, als Sie angegriffen wurden?

Holzer: Ja, sehr gut sogar. Es war ein Rettungsdiensteinsatz bei einer psychisch kranken Frau. Als wir sie in den Rettungswagen gebracht hatten und mit der Behandlung anfangen wollten, kam ihr angetrunkener Ehemann hinzu und war mit unseren Behandlungsmethoden nicht einverstanden. Er bedrohte uns zunächst verbal und hob dann drohend die Fäuste. Als ich ihn aus dem Rettungswagen bringen wollte, schlug er plötzlich und unvermittelt zu. Ich war total überrascht. Wir waren ja gerufen worden, um der Frau zu helfen. Und dann lag ich plötzlich auf dem Boden, blutete und konnte auf einem Auge nichts mehr sehen. Meine eigene Kollegin musste mich mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus bringen.

Welche Verletzungen haben Sie davongetragen?

Ich hatte mehrere Platzwunden im Gesicht, das Augenlid war aufgerissen, meine Augenhöhle gebrochen. Ich musste in der Gesichtschirurgie der Uniklinik Köln operiert werden und drei Tage dort verbleiben.

Wurde der Täter anschließend bestraft?

Ich habe noch am selben Abend Anzeige wegen Körperverletzung erstattet. Er hat auch Anzeige erstattet, sodass Aussage gegen Aussage stand und zunächst das Verfahren nicht eröffnet werden sollte. Das war für mich neben meiner eigentlichen Verletzung das Schlimmste. Du wirst im Dienst geschlagen und verletzt, aber bestraft werden soll dafür niemand. Das habe ich nicht nachvollziehen können. Mit Unterstützung der Stadtverwaltung und dem Anwalt der Gewerkschaft wurde ein Klageerzwingungsverfahren eingeleitet. Mit Erfolg. Am Ende ist der Mann zu einer viermonatigen Haftstrafe verurteilt worden, die auf eine Bewährungszeit von zwei Jahren ausgesetzt wurde. Das fand ich sehr gut und angemessen. Ich war zufrieden mit dem Urteil. Schmerzensgeld hätte mir auch zugestanden, aber da konnte selbst der Gerichtsvollzieher nichts mehr holen.

Haben Sie den Mann noch mal gesehen?

Ja, der wohnt auf meinem Nachhauseweg. Da sehe ich ihn ab und an mal. Ich hege aber keinen Groll mehr.

Sind Sie vorsichtiger oder zurückhaltender geworden?

Gewisse Situationen bewerte ich heute anders, halte mehr Abstand und gehe drohenden Eskalationen eher aus dem Weg.

Die Gewalt gegenüber Rettungskräften gehört zur Einsatzwirklichkeit. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe?

Ich kann es mir eigentlich nicht erklären. Aber vielleicht liegt es auch an der Uniform. Früher war die Uniform ein Instrument des Respekts, heute ist das ins Gegenteil umgeschlagen. Das ist ein gesellschaftliches Problem.

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Wie kann man dieser Gewalt-entwicklung entgegenwirken?

Heute ist Konfliktmanagement Bestandteil der Ausbildung. Dabei lernt man, mit gefährlichen Situationen umzugehen oder sich auch einmal ganz herauszuziehen. Als älterer Kollege kann man sich schulen lassen. Diese Kurse sind extrem notwendig. Alle zwei, drei Jahre sollten sie wiederholt werden.

War Notfallsanitäter mal Ihr Traumberuf?

(denkt länger nach) Ich mache den Job heute gerne, früher aber noch lieber. In 20 Dienstjahren spürt man eine Veränderung. Ich fühle mich manchmal ein Stück weit wie ein Dienstleister. Es gibt Leute die sagen, „ich zahle Krankenversicherung und jetzt habe ich Anspruch auf deine Leistung“. Das hat es früher so nicht gegeben.

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