PorträtFür die Ruppichterotherin Rita Tondorf ist Naturschutz Herzensangelegenheit

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Rita Tondorf, frühere Umweltdezernentin der Stadt Bonn und Präsidentin des ETN, mit Katze Carla zu Hause in Hänscheid.

Ruppichteroth – Katze Carla thront im Wintergarten auf einem Kissen und schaut hoheitsvoll dem Besuch entgegen. „Ich mag es, wenn Tiere ihren eigenen Kopf haben“, meint Rita Tondorf. Und so dulden die Präsidentin des in Much beheimateten Vereins „Europäischer Tier- und Naturschutz“ (ETN) und ihr Mann sieben samtpfotige Hausbesetzerinnen. 50 Hühner, jeweils fünf Kaninchen und Pferde tummeln sich außerdem auf dem 7,5 Hektar großen Biohof in Hänscheid, zu dem neben 110 Obstbäumen auch ein Bauerngarten gehört.

Eigenwillig zeigte sich die gebürtige Siegburgerin schon als Kind. „Ich war drei, da haben mich meine Eltern nach Köln verschleppt, gegen meinen ausdrücklichen Willen“, erinnert sie sich lachend. „Ich saß auf einer Umzugskiste und habe beschlossen: Sobald ich groß bin, gehe ich weg.“ 

Sie ging und blieb doch im Dunstkreis der Domstadt. Im Rheinland fühlte sich Rita Tondorf stets verwurzelt. „Irgendwann hat man mich gebeten, in Detmold Regierungspräsidentin zu werden. Aber dieser Wechsel nach Westfalen war für mich nicht vorstellbar.“ In Bonn hat sie Biologie studiert und promoviert.

„Damals boomten Mikrobiologie und Genetik. Ich entschied mich aber für Botanik – Pflanzen haben mich immer fasziniert, ihr System der Vernetzung, das auch das Wesen der Ökologie kennzeichnet.“ Nach dem Studium machte sie sich mit einem Umwelt-Analyselabor selbstständig; „doch dann kam der 26. April 1986, und mit der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl rollte eine Flut an Anfragen nach Radioaktivitäts-Analysen auf mich zu. Ich arbeitete Tag und Nacht“, erinnerte sich Tondorf. 

Als Bonner Umweltdezernentin den Verkauf des Müllbetriebs verhindert

Die Strapaze führte dazu, dass sie eine Festanstellung anstrebte. Nach Stationen in Solingen und Niederkassel wurde Rita Tondorf in der Bundesstadt Dezernentin für Umwelt und Gesundheit und damit zuständig für 700 Mitarbeiter. In Bonn revolutionierte sie das Drogenhilfsprogramm, stemmte sich gegen die Privatisierung des Müllbetriebs.

Und stand im Ruf, ihre Tür immer offen zu halten – sei es für den Müllwerker oder für den Amtsleiter. „Mir sagte damals jemand: »Sie sind transparent und berechenbar.« Das war für mich das schönste Kompliment“, sagt die Naturwissenschaftlerin, die als selbstständige Unternehmensberaterin vehement für eine „Fehlerkultur“ in Firmen eintritt.

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Sie hat einen Bioladen in Neunkirchen-Seelscheid betrieben, baute dort ein Haus, war Fraktionsvorsitzende der Grünen in ihrer Gemeinde und später in Ruppichteroth, wo sie sich schließlich niederließ – direkt gegenüber vom Domizil ihrer Großeltern. „Wenn ich über die B 56 gefahren bin, habe ich in Höhe von Franzhäuschen immer gesungen: »This Land Is My Land«“, sagt Tondorf, die in zwei Chören Mitglied war und auch noch Turnier-Tanzsport betrieb.

Unfall zwang sie kürzer zu treten

Allerdings: „Es war ein Leben auf der Überholspur“, so die 63-Jährige. Die Wende kam vor ein paar Jahren, als sie in einem Weidezaun hängenblieb und sich einen komplizierten Beinbruch zuzog. Die erzwungene Ruhe über viele Wochen hinweg nutzte sie zur Reflexion. „Jetzt nehme ich nur noch Aufträge an, zu denen ich wirklich Lust habe“, sagt die Wahlbeamtin im Ruhestand, die immer noch vor Energie sprüht.

„Ich bin ein politischer Mensch und davon überzeugt, dass jeder Mensch etwas für die Gesellschaft tun sollte.“ So sagte die ehemalige Führungskraft vor drei Jahren sofort zu, die Präsidentschaft des Vereins „Europäischer Tier- und Naturschutz“ in Much zu übernehmen. Gemeinsam mit dem neu gewählten Vorstand hat Tondorf der Organisation eine neue Richtung gegeben und Projekte angekurbelt. Der 17.000 Mitglieder starke Verein setzt sich gegen Wildtierhandel, für Straßentiere, bedrohte Arten und Tiere in Katastrophengebieten ein.

Zur Person

Rita Tondorf wurde 1957 in Siegburg geboren. Während ihres Studiums in Biologie an der Universität Bonn arbeitete sie in der Gräflichen Forstverwaltung Herrnstein, beim Wahnbachtalsperren-Verband und beim heutigen Fraunhofer Institut in Birlinghoven. Als Diplom-Biologin gründete sie 1985 ein Labor für Umweltanalytik und promovierte drei Jahre später in Biologie sowie Atom- und Kernphysik (Nebenfach).

1987 baute sie das Umweltamt der Stadt Niederkassel auf, das sie bis 1993 leitete. Danach war sie Co-Dezernentin in Solingen, wo sie Aufbau und Leitung der Entsorgungsbetriebe innehatte.

Von 1995 bis 2002 war sie Beigeordnete der Stadt Bonn, anschließend für zwei Jahre stellvertretender Vorstand der KGst (Kommunale Gemeinschaftsstelle) in Köln. Im Jahr 2004 gründete sie ihre eigene Unternehmensberatung TondorfConsulting.

Seit zwei Jahrzehnten ist sie Besitzerin eines ökologisch ausgerichteten landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebs. (as)  

„Wir haben einen Corona-Fördertopf für Tierschutz-Initiativen eingerichtet, denen in der Pandemie das Geld fehlt“, berichtet Tondorf. Ein Katzenschutzprojekt im Rhein-Sieg-Kreis sei gestartet worden, im November lässt der ETN ein Tierarztmobil auf den Bonner Markt rollen.

Der Vorstand hat dafür gesorgt, dass das Tierasyl Hof Huppenhardt seine Türen für Besucher stets geöffnet hat. Und er stellte eine Tierschutzpädagogin ein, die Kinder für das Leid der vierbeinigen, geflügelten oder geschuppten Mitgeschöpfe sensibilisiert.

Schlüsselerlebnis auf dem Schlachthof

Tondorf hält aber nichts davon, die Menschen durch schockierende Bilder aufzuwühlen. „Das kann vor allem auf Heranwachsende traumatisierend wirken oder Abwehrreflexe hervorrufen.“ Und doch hatte die Metzgerstochter als Teenager ihr eigenes, drastisches Schlüsselerlebnis. „Mein Vater hat mich auf einen Schlachthof mitgenommen. Die Schreie der Tiere in Todesangst und die Eindrücke von der Massentötung werde ich nie vergessen.“

Seitdem ist sie Vegetarierin; und auch deshalb bescheren die krähenden Hofgenossinnen, die zur alten robusten Rasse der Brakel-Hühner gehören, Tondorfs Kunden Eier, aber kein Fleisch. „Eine riesige Nachfrage habe ich auch nach meinem Kräuterheu“, sagt Tondorf.

Das stammt von den artenreichen Wiesen, die sie ebenso anlegte wie eine Wildgehölzhecke. „Hier gibt es unzählige Schmetterlinge wie den gefährdeten Blauling und viele Wildbienen. Im Sommer ein summender Traum“, sagts sie.

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