„Was bleibt, ist die Angst“Wie ein Troisdorfer seine versuchte Entführung erlebte

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Die Angeklagten vor dem  Landgericht.

Bonn/Troisdorf – „Oh, Überfall, dachte ich zuerst, als aus einem schwarzen Auto eine dunkel gekleidete und maskierte Person ausstieg und direkt auf mich zusteuerte.“ Im Bonner Prozess gegen zwei Brüder, die sich wegen erpresserischen Menschenraubs verantworten müssen, sagte ein 56-jähriger Unternehmer eines Spielhallen- und Sportwetten-Imperiums aus, der am Abend des 3. Februar 2021 vor seiner Haustüre in Spich entführt werden sollte.

„Ich umklammerte instinktiv mein Handy“, schilderte der Zeuge die dramatischsten Sekunden seines Lebens. „Aber dann packte mich die Person am Oberarm und ich sah aus dem Augenwinkel, dass die Autoscheiben verdunkelt waren. Da war mir klar, die wollen mich nicht überfallen, die wollen mich mitnehmen.“

Entführungsversuch in Troisdorf hat Leben des Opfers und seiner Familie verändert

Hochalarmiert schreit der Geschäftsmann „Hilfe“ und „Überfall“ und wieder „Hilfe“ - und schafft es, sich in einer Rotationsbewegung aus der Umklammerung des Angreifers zu drehen.

Anderthalb Jahre liegt die versuchte Entführung bereits zurück, die für den 56-jährigen Spielhallen-Millionär noch glimpflich ausging. Denn ein Spaziergänger mit Hund kam ihm entgegen, auch Nachbarn hatten die Schreie gehört - und der Angreifer rannte nach dem missglückten Griff in Richtung Wald; der zweite Täter, der am Steuer gesessen hatte, stieg noch aus und wollte zunächst seinem Komplizen zu Hilfe eilen, aber dann suchte auch er zu Fuß das Weite. Das Fluchtauto blieb mit laufendem Motor vor der Garage des Opfers stehen: Im Kofferraum befanden sich Kabelbinder, Handschuhe und eine Schreckschusspistole.

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Der Entführungsversuch habe sein Leben und das seiner Familie sehr verändert, berichtete der Zeuge auf Nachfrage. Nach der Tat habe er drei bis vier Kilo abgenommen und nicht mehr geschlafen. „Das Schlimmste war die Ungewissheit.“ Kommen die Täter wieder? Und: Aus welchem Umfeld droht die Gefahr. Eine Woche lang wurde er unter Polizeischutz gestellt, bis die Familie - auf Anraten der Polizei - in der Schweiz - es war mitten im Corona-Lockdown - ein Haus gemietet und erst mal untergetaucht war. „Aber was bleibt, ist die Angst - vor allem, wenn es dunkel wird.“

Versuchte Entführung in Spich: Angeklagte räumten Pläne am ersten Prozesstag ein

Die beiden angeklagten Brüder - 29 und 30 Jahre alt - hatten am ersten Prozesstag die geplante Entführung eingeräumt, bei der sie - so der ursprüngliche Plan - 100.000 Euro erpressen wollten. Allerdings will der ältere Angeklagte einen Tag zuvor kalte Füße bekommen und seine Beteiligung abgesagt haben.

Für ihn sei ein Arbeitskollege eingesprungen, den die Brüder unisono belastet haben. Der angeblich dritte Mittäter sollte gestern ebenfalls als Zeuge gehört werden. Aber der 34-Jährige verweigerte die Aussage, um „sich nicht selbst zu belasten und in die Gefahr einer Strafverfolgung zu kommen“.

Die Version der Angeklagten - so die kleine Überraschung im Prozess - könnte ein WhatsApp-Dialog der Brüder eine Stunde nach der misslungenen Tat bestätigen. Da schreibt der Jüngere dem Älteren, ob er Zeit habe, sich mit ihm auf einem Parkplatz zu treffen. Der 30-Jährige schreibt zurück, das ginge nicht, er säße gerade mit seinem Sohn auf dem Sofa - und könne nicht weg. Da antwortete der Jüngere: Er müsse ihm erzählen, was gerade passiert sei. Die Brüder vertagten ihr Treffen auf den nächsten Tag.  

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