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Kölner Silvesternacht 2015
Der Polizeipräsident, der sich als Bauernopfer sah

4 min
Köln: Wolfgang Albers, damals Kölner Polizeipräsident, spricht bei einer Pressekonferenz.

Köln: Wolfgang Albers, damals Kölner Polizeipräsident, spricht bei einer Pressekonferenz.

Wolfgang Albers war zu Silvester 2015/2016 Polizeipräsident in Köln. Der damalige NRW-Innenminister Ralf Jäger versetzte ihn am 8. Januar 2016 in den vorläufigen Ruhestand. 

Bevor Albers sich den Fragen des Ausschusses stellt, bittet er darum, eine „persönliche Bemerkung“ machen zu dürfen:

„Dass in der Silvesternacht die Kölner Polizei unter meiner Verantwortung den Frauen nicht den Schutz geben konnte, der erforderlich ist, bewegt mich seit diesem Tage. Ich bitte die betroffenen Frauen um Verzeihung.“

Hatte Albers sich in die Vorbereitungen eingebracht?

„Ich war zwischen Weihnachten und Silvester in Urlaub. Ich hatte also keinen Dienst. Ich habe meinen Dienst offiziell erst wieder am ersten Arbeitstag im Januar angetreten. Insofern war ich mit den Vorbereitungen dieses Einsatzes nicht befasst.“

Wann hat Albers erstmals von Ereignissen der Nacht erfahren?

„Ich war privat auf einer Silvesterfeier und habe nach 0 Uhr auf der Leitstelle des Polizeipräsidiums Köln angerufen und habe den Kollegen dort ein gutes neues Jahr gewünscht mit der Bitte, das auch den im Dienst seienden Kollegen weiterzuleiten – und in dem Zusammenhang ist mir erklärt worden, dass der Bahnhofsvorplatz geräumt worden sei, weil die Gefahr einer Panik bestände. Das war der erste Kontakt.“ Albers berichtet weiter, dass er auf seinem iPad im Laufe der Nacht WE-Meldungen (Wichtiges Ereignis) erhalten habe. Darin wird die Räumung erwähnt. Später dann auch erste Straftaten.

Wann erfuhr der Polizeipräsident von sexuellen Übergriffen?

„Es hat dann im Laufe des 1. – ich meine gegen Nachmittag – einen Anruf von Frau K. (Leiterin der Pressestelle) gegeben, in dem sie mir erklärte, dass es die Räumung gegeben habe, aber dass es dort auch sexuelle Übergriffe gegeben habe in dem Zusammenhang.“

Warum wurde die falsche Mitteilung nicht sofort korrigiert?

„Ich habe mit Frau K. den Sachverhalt dann noch mal besprochen. Wir haben auch ganz konkret besprochen, ob wir die Pressemitteilung, die ja nun falsch war, das war ja offensichtlich, berichtigen. Und Frau K. hat mir auch in Abstimmung mit der Ermittlungsgruppe davon abgeraten und hat gesagt: Es ist erforderlich, dass wir erst mal Fakten bekommen. Ich glaube, zu diesem Zeitpunkt gab es zwei Anzeigen von Vergewaltigung. Insofern brauchte die Ermittlungsgruppe auch erst mal etwas Zeit. [...] Weil völlig klar war, dass diese Pressemitteilung ganz viel auslösen wird. Ich habe diese Entscheidung mitgetragen.“

Wie reagierte Albers auf die Kritik an schlechter Kommunikation?

„Die Kritik kann ich in großen Teilen verstehen und nachvollziehen. Das zog sich ja sogar in den nächsten Tag (1. Januar) noch hinein, indem die Kommunikation zwischen Leitstelle und Pressestelle nicht so funktioniert hat, dass von Anfang an erkannt worden ist, dass es dort noch mehr gegeben hat. Sonst wäre diese Presseerklärung nie rausgegangen.“

Erkannte der Polizeipräsident die politische Dimension?

Der Ausschuss fragte nach, warum Albers noch bis zur ersten Pressekonferenz am Montag 4. Januar 2016 sehr zurückhaltend mit der Information umgegangen ist, dass die Täter überwiegend Flüchtlinge aus nordafrikanischen Ländern waren.

„Ich meine, ich hatte damals schon zwei Vermerke [...], aus denen hervorging, dass es sich bei der Gruppe, die sich dort auf dem Bahnhofsvorplatz und auf der Domtreppe versammelte, um ganz überwiegend junge Männer handelte, die aus dem nordafrikanischen/arabischen Raum stammten. [...] Mir war klar, wenn das so war, wie sich das hinterher auch rausgestellt hat, das ganz erhebliche politische Auswirkungen auf die Einschätzung der Flüchtlings- und Integrationspolitik hat. Dessen war ich mir sehr wohl bewusst.“

Sah sich Albers in der Schuld für die Versäumnisse?

Albers berichtet, NRW-Innenminister Ralf Jäger habe ihm in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, „dass das Vertrauen der Kölnerinnen und Kölner in die Polizei mit mir als Behördenleiter nicht wieder herzustellen sei“. Er frage sich auch selbst, ob es nicht seine Aufgabe gewesen wäre, bei den Vorbereitungen zur Silvesternacht darauf zu drängen, „mehr Erkenntnisquellen auszuschöpfen“. Im Ausschuss wird Albers gefragt, ob er Berichte kenne, in denen er als Bauernopfer bezeichnet wird, zum Schutz des Ministeriums.

„Ich habe das nicht nur in Berichten zur Kenntnis genommen, sondern ich bin auch persönlich so angesprochen worden, als Bauernopfer oder als Sündenbock. [...] Da ist wahrscheinlich was dran, ja.“

Albers klagte gegen seine Versetzung in den Ruhestand. Die Maßnahme stehe nicht mit dem Beamtengesetz im Einklang, weil er als Polizeipräsident kein politischer Beamter sei. In letzter Instanz gab ihm das Bundesverfassungsgericht 2024 Recht.