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1. FC KölnAm Ende bleibt das gute Gefühl von Regensburg

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Mit dem Kopf vorne: FC-Stürmer Ragnar Ache (vorne) bereitete in Regensburg beide Tore des Bundesligisten vor.

Mit dem Kopf vorne: FC-Stürmer Ragnar Ache (vorne) bereitete in Regensburg beide Tore des Bundesligisten vor.

Der 1. FC Köln kann sich auf die Breite seines neuen Kaders verlassen und steht in der zweiten Rundes des DFB-Pokals.

Erich Soika war sich seiner Sache auf der Haupttribüne des Jahnstadions ziemlich sicher. Der 70-Jährige zögerte jedenfalls nicht, als sich aus dem Gespräch heraus eine Wette mit seinem Sitznachbarn anbahnte: „Wenn ihr gewinnt, bekommst du meinen Schal, wenn wir gewinnen, kriege ich deine Kappe“, schlug Soika vor dem DFB-Pokalspiel zwischen Drittligist SSV Jahn Regensburg und dem 1. FC Köln.

FC-Fan Soika war felsenfest davon überzeugt, dass er als Sieger aus dem spontanen Sitznachbar-Duell hervorgehen würde. Immerhin hatten die Kölner in der Vorbereitung voll überzeugt, haben ihr Team mit zehn Zugängen runderneuert und mit Lukas Kwasniok einen verheißungsvollen neuen Trainer. Die daraus resultierenden Erwartungen und Träume griffen die FC-Ultras mit einer beeindruckenden Choreo auf. Sie erinnerten an das Double von 1978 und komponierten ein neues Lied: „Warn' Deutscher Meister, fuhrn' durch Europa, mein Opa sah euch am Rathaus mit Pokalen. Der Traum lebt weiter, seit Generationen, sind oft gescheitert, wolln' wieder ganz nach oben.“

Die Kölner denken nach dem Bundesliga-Aufstieg groß und sind voller Sehnsucht. Doch mit den Erwartungen ist das beim FC meistens so eine Sache. Das Kwasniok-Team tat sich schwer, fand keine Lösungen gegen den leidenschaftlich verteidigenden Drittligisten und verzweifelte an den eigenen Unzulänglichkeiten, die so gar nicht den Vorstellungen entsprachen.

Als Jahn-Verteidiger Benedikt Bauer in der 66. Minute zum 1:0 getroffen hatte und von der sechsminütigen Nachspielzeit nur noch 13 Sekunden übrig waren, hatte Erich Soika seinen Schal schon ausgezogen und war zur Übergabe bereit. Der Glaube der FC-Fans an eine Wende war verschwindend gering.

Ragnar Ache „als Biest“ in der Box

Auf dem Platz aber war er noch vorhanden. Vor allem bei Isak Johannesson, der sich das ganze Spiel über abgemüht hatte, den FC-Aktionen Struktur zugeben. Der Neuzugang aus Düsseldorf fand sie aber erst mit der Einwechslung von Ragnar Ache nach 75 Minuten: „Er kam rein und hat das Spiel für uns geändert. Wir haben in der 85. Minute auf dem Feld darüber gesprochen, dass wir mehr flanken müssen, weil wir mit Ragnar ein Biest in der Box haben“, erklärte Johannesson.

Der Isländer machte es beim 1:1 vor und bediente Ache, der per Kopf Eric Martel den Ausgleich auflegte (90.+6). „Ich habe gesehen, dass ich viel Platz habe und mir ist nichts anderes eingefallen, als zu schießen“, beschrieb Martel den wuchtigen Dropkick mitten ins Herz seines Ex-Klubs Regensburg.  

110 Sekunden später war es erneut Ache, der die entscheidenden Luftduelle gewann. Erst sicherte er einen weiten Schlag von Abwehrchef Timo für die eigenen Reihen, dann legte er eine Flanke des ebenfalls eingewechselten Kristoffer Lund auf den durchgelaufenen Johannesson ab, der die Kölner Kurve mit seinem 2:1 in einen Ort der vollkommenen Ekstase verwandelte (90.+8). „Im Pokal musst du bis zur letzten Sekunde daran glauben“, nannte Martel das Rezept für das dramatische Happy End.

Dem emotionalen Ausbruch durch die beiden späten Glücksmomente und der Erkenntnis in der zweiten Pokalrunde am 28. und 29. Oktober mit im Lostopf zu sein, folgten eine Reihe von Fragezeichen. Eine Woche vor dem Bundesliga-Auftakt am kommenden Sonntag (15.30 Uhr/Sky) beim 1. FSV Mainz 05 war gegen die weitgehend tief stehenden Regensburger wenig von Kwasnioks variantenreichem Offensiv-Fußball zu erkennen. Es wird den Geißböcken wohl helfen, dass sie als Außenseiter in die meisten ihrer Bundesliga-Spiele gehen und seltener auf einen so massiv verteidigenden Gegner treffen.

Maina, Waldschmidt und Bülter enttäuschen

Der FC-Trainer, der mit der Aufstellung von Linton Maina und Luca Waldschmidt auf Finesse im letzten Drittel gesetzt hatte, musste erkennen, dass seine Idee nicht aufging. Das lag zu einem am Gegner, zum anderen aber auch am unsauberen Spiel von Maina und Waldschmidt, die neben Neuzugang Marius Bülter die größten Enttäuschungen in der Offensive waren.

Kwasniok redete dann auch nicht lange um den heißen Brei: „Für uns war es extrem wichtig, dass wir ein gutes Gefühl mit aus dem Spiel mitnehmen können. Wir waren ansonsten in der Umsetzung nicht so, wie ich mir das vorstellen.“ Dem 44-Jährigen, der von außen weniger aktiv coachte als erwartet und viel auf der Bank saß, dürfte nicht entgangen sein, dass es den FC-Aktionen zu oft an Intensität mangelte.

Den Erfolg machte Kwasniok an seinen Möglichkeiten als FC-Coach fest: „Die Kaderbreite war heute entscheidend. Ich konnte in der Offensive mit unterschiedlichen Spielertypen nachlegen. Sinn und Zweck der Kader-Zusammenstellung war es, dass wir in der Saison auf unterschiedliche Facetten des Spiels reagieren können.“

Ragnar war wie die anderen Jungs von der Bank ein ganz entscheidender Faktor.
Lukas Kwasniok, Trainer 1. FC Köln

Dribbler Said El Mala brachte mächtig Schwung über links und Jan Thielmann mehr Emotionalität. Florian Kainz verteilte die Bälle ruhig und Kristoffer Lund schlug die entscheidende Flanke. „Mit Ragnar haben wir einen klassischen Kopfball-Zielspieler bringen können. Er war wie die anderen Jungs von der Bank ein ganz entscheidender Faktor“, sagte Kwasniok und bedankte sich bei den Kaderplanern um Sportdirektor Thomas Kessler: „Deswegen ist es manchmal auch schön, Trainer des FC sein zu dürfen, weil du da die Qual der Wahl hast.“

Für ihn war es der erste Auftritt als Trainer eines Fußball-Bundesligisten, und womöglich hat er im Jahn-Stadion ein feineres Gespür für die Wucht seines neuen Arbeitgebers entwickeln können. Die erste Hürde ist jedenfalls erfolgreich übersprungen, die erste schmerzhafte Niederlage mit einem emotionalen Kraftakt abgewendet. Es gibt die Wahrscheinlichkeit, dass der Sieg von Regensburg sich positiv auswirkt.

Sollte es so kommen, wird die Jahn-Kappe Erich Soika an diesen 17. August 2025 erinnern. Der Sankt Augustiner wirkte zwar nicht wie ein zufriedener Sieger, den Glauben an eine gute Saison aber hatte er in der Nachspielzeit wiedergefunden — und seinen FC-Schal behalten.