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1. FC KölnKwasnioks kölsche Lektion: „Die Feste feiern, wie sie fallen“

5 min
Trainer Lukas Kwasniok (rechts) mit seinen Co-Trainern Frank Kaspari (links) und Rene Wagner (Mitte).

 Trainer Lukas Kwasniok (rechts) mit seinen Co-Trainern Frank Kaspari (links) und Rene Wagner (Mitte).

Aufsteiger 1. FC Köln feiert einen furiosen 4:1-Heimsieg gegen Europa-League-Teilnehmer SC Freiburg. Neuzugang Jakub Kaminski schwärmt von der Atmosphäre, während Trainer Kwasniok nach dem zweiten Saisonsieg zur Bodenhaftung mahnt.

Jakub Kaminski war nicht zu bremsen. Nicht auf dem Platz und nach der 4:1-Gala am Sonntagabend gegen den SC Freiburg schon gar nicht vor den Mikrofonen: „Wir haben die Stimmung und die Energie aus dem Stadion mit auf den Platz genommen. In Köln ist alles ganz anders als in Wolfsburg. Hier sind alle verrückt“, sprudelte es aus dem polnischen Nationalspieler heraus, während er mit gefalteten Händen und breitem Grinsen in den Katakomben des tosenden Rheinenergiestadions stand.

Der vom Liga-Konkurrenten VfL Wolfsburg mit Kaufoption ausgeliehene Kaminski war am zweiten Spieltag der Fußball-Bundesliga-Saison 2025/26 eine der prägenden Figuren im Duell zwischen dem Aufsteiger und dem Europa League-Teilnehmer aus dem Breisgau. Zunächst im Negativen, denn der Kölner Linksaußen lief sich zwar die Lunge aus dem Leib, mit Ball unterlief ihm aber   ein Fehler nach dem anderen. „In den ersten 20,25 Minuten lief unser Spiel mit Ball nicht gut“, bemängelte auch Trainer Lukas Kwasniok die aus seiner Sicht wenig vorhandene Struktur.

Das änderte sich erst mit dem 1:0, das Kwasniok als „Muntermacher“ bezeichnete. Jakub Kaminski war es, der eine perfekte und langgezogene Rechtsflanke von Marius Bülter am zweiten Pfosten aus vier Metern unter die Latte schweißte (35.). Die Freude über seinen ersten Pflichtspieltreffer im FC-Trikot war groß: „Ich habe lange auf mein Tor gewartet. Ich hoffe, es bleibt nicht das letzte in dieser Saison.“ Legt man seine persönliche und die Leistung der Kölner insgesamt zugrunde, ist nicht davon auszugehen.

Am zweiten Pfosten werden Spiele entschieden

Das 1:0 war das passende Mittel gegen das Nervenflattern bei den Hausherren. Die neu zusammengestellte Mannschaft und auch ihr Trainer müssen sich schließlich erst einmal unter Wettkampfbedingungen an die besondere Atmosphäre in Müngersdorf gewöhnen. „Nach dem Tor war da ein anderes Selbstvertrauen und mit dem frühen 2:0 nach der Pause ist alles in unsere Richtung gelaufen“, stellte Lukas Kwasniok fest.

Marius Bülter hatte eine Flanke von Jan Thielmann  per Kopf zu seinem zweiten Saisontor verwertet (47.) – wieder am zweiten Pfosten. „Da werden Spiele entschieden“, erklärte Kwasniok lapidar. Überhaupt hat der 44-Jährige meist recht simple Erklärungen für Dinge, die funktionieren. Seine überraschende Umstellung von Dreier- auf Viererkette diente nicht   etwa nur als Grundlage einer offensiveren Ausrichtung, sondern sollte vor allem die Wege zu Freiburgs Außenspielern Vincenzo Grifo und Lukas Kübler verkürzen. „Wir haben ja auch in diesem System mit sieben Spielern verteidigt“, sagte Kwasniok.

Für den FC-Coach war zudem das Mittel, die Freiburger mit langen Flankenwechseln am zweiten Pfosten kalt zu erwischen, eine logische Konsequenz: „Es gibt zwei Möglichkeiten, Fußball zu spielen. Entweder durchs Zentrum, wenn du herausragende Fußballer hast. Die haben wir in der Fülle aber nicht. Die Alternative ist, du bedrohst einen Flügel und versuchst, dadurch am anderen zum Abschluss zu kommen. Wir haben uns dafür entschieden.“

Positionswechsel ohne Verlust der Ordnung

Die Taktik ging auf, weil die Kölner permanent ihre Positionen wechselten, ohne die Ordnung zu verlieren und mit ihrer allgegenwärtigen Bereitschaft gegen den Ball zu arbeiten, auch in leicht veränderter Systematik die Basis für den grandiosen Erfolg legten.

Einer der Eckpfeiler war ein Debütant. Rav van den Berg stand erstmals für den FC auf dem Platz und feierte in der Innenverteidigung eine mehr als gelungenen Premiere. „Rav ist jetzt 14 Tage bei uns und ich muss sagen, es gab ein gewisses Risiko. Aber ich dachte, es könnte besser sein, ihn bei einem Heim- als bei irgendeinem Auswärtsspiel laufen zu lassen. Er hat mit einer absolut seriösen Leistung unter Beweis gestellt, dass er Qualitäten hat. Das wussten wir natürlich, aber es hat mich schon überrascht, dass er aus dem Kalten heraus so eine Leistung auf den Punkt gebracht hat“, lobte Kwasniok den unaufgeregt agierenden 21-jährigen Niederländer.

Der Trainer wollte am Ende der FC-Gala trotz der nicht zufriedenstellenden Anfangsphase nicht allzu viel aussetzen und ließ sich lieber mitreißen von den kölschen Emotionen. Nach dem 3:0, das der überragende Bülter dem ebenfalls voll überzeugenden Thielmann von links aufgelegt hatte (57.), schulterte der Trainer seinen zwei Köpfe größeren Assistenten Frank Kaspari und trug ihn durch die Coachingzone: „Das war nicht geplant. Der Lulatsch stand vor mir, ich habe nur Beine gesehen, habe ich ihn hochgehoben und meinen Gefühlen freien Lauf gelassen.“

Darauf muss man sich einlassen und die Menschen dann im richtigen Moment zurück auf den Boden der Tatsachen katapultieren. 

Kwasnioks Spontanität in allen Lebenslagen des Fußballs passt in diesen aufregenden ersten Tagen der neuen Saison gut ins schnell euphorisierbare Köln. Der Trainer betonte zwar, man solle nach den beiden Siegen zum Auftakt der Saison 2025/26 die „Kirche im Dorf“ lassen, erklärte aber, dass es gilt, „die Feste so zu feiern, wie sie fallen“. Zum Beispiel das Premierentor von Youngster Said El Mala zum 4:0 (84.).

Kwasniok hat verstanden, dass es in Köln spezieller als woanders zugeht und bewies, dass er auch damit umgehen kann: „Das Schöne ist ja, dass die Kölner sich selbst gerne auf die Schippe nehmen und nach dem zweiten Spieltag eine Selbstironie an den Tag legen und vom Europapokal singen. Darauf muss man sich einlassen und die Menschen dann im richtigen Moment zurück auf den Boden der Tatsachen katapultieren.“

Diese Tatsachen heißen für ihn, Testspiel am Mittwoch (19 Uhr) bei SW Essen und bis Donnerstag trainieren. Nach drei freien Tagen beginnt am Montag dann die Vorbereitung auf die beiden Auswärtsspiele in Wolfsburg und Leipzig: „Das klingt nicht ganz so einfach“, findet Kwasniok. Man darf gespannt sein, was er sich dafür einfallen lässt.