Gegen die vierte Corona-WelleWas man jetzt zu Booster-Impfungen wissen sollte

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Impfung Spritze in der Schale

Symbolbild 

  • Die dritte Spritze gegen Corona gilt als essenziell, um die Zahl der Neuinfektionen in den Griff zu bekommen.
  • Die Kampagne müsste dringend Fahrt aufnehmen – doch noch hakt es gewaltig.

Auffrischungsimpfungen können helfen, die vierte Corona-Welle zu brechen. 20 Millionen Drittimpfungen fordert das Kanzleramt bis Weihnachten. Aber trotz Impfstoffs im Überfluss bekommen Abertausende bundesweit keinen Termin. Das muss sich sofort ändern. Aber wie?

Warum sollte man als Geimpfter „boostern“?

Der Impfschutz für Zweitgeimpfte ist zwar hoch, lässt aber mit der Zeit nach. In Israel wurde deswegen vor vier Monaten mit Auffrischungsimpfungen (Boostern) begonnen. Inzwischen haben dort schon zwei von drei Geimpften ihre dritte Spritze erhalten. Studien zeigen: Die Ansteckungsgefahr sinkt erheblich gegenüber zweifach Geimpften, was geholfen hat, das exponentielle Wachstum zu stoppen. Aber nicht nur das: Der Schutz davor, auf einer Intensivstation zu landen, war nach dem dritten Pieks zwanzigmal so hoch wie nach dem zweiten.

Wie kommt man bei uns an die Auffrischungsimpfung?

In der Theorie geht das ganz einfach: Die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna sind für Drittimpfungen zugelassen. Jeder Erwachsene, dessen Zweitimpfung ein halbes Jahr zurückliegt, kann sich von seinem Hausarzt die dritte Dosis verabreichen lassen, auch Fachärzte dürfen impfen. Wer mit dem Einmalimpfstoff von Johnson & Johnson immunisiert ist, dem empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) bereits nach vier Wochen eine Auffrischung mit einem mRNA-Impfstoff. Zusätzlich bieten Impfbusse und mobile Impfteams, in einigen Bundesländern auch noch Impfzentren Booster-Impfungen an.

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Idealerweise würde ein Anruf beim nächsten niedergelassenen Arzt ausreichen, um einen zügigen Termin für eine Auffrischungsimpfung zu bekommen. Denn Impfstoff gibt es im Überfluss.

Und wie sieht die Lage in der Realität aus?

Mancherorts, etwa in Hamburg, sind die Auffrischungsimpfungen gut in Gang gekommen. Doch gibt es eine wachsende Anzahl von Betagten oder Immungeschwächten, die bei der Suche nach einer Drittimpfung schier verzweifeln.

So wie zwei 61-Jährige, die mehrere behandelnde Ärzte um Booster-Impfungen anfragten. Der Mann leidet unter zwei chronischen Krankheiten. Arzt Nummer 1 impft nicht mehr, weil es sich angeblich nicht lohne. Ärzte 2 und 3 nahmen ihn auf eine Liste ohne Terminzusage. Das Hausarzt-Praxisteam der Frau erklärte, man verabreiche erst Patienten ab 70 Jahren Booster-Spritzen, so wie es die Stiko empfehle. Die Mutter (85 Jahre, schon vor acht Monaten zweitgeimpft) erhielt zwar bei ihrem Hausarzt in NRW einen Termin, muss aber fünf Wochen bis zur ersehnten dritten Dosis warten.

Das Ergebnis: Von den mehr als zehn Millionen Menschen, die längst hätten geboostert werden können, haben erst 2,8 Millionen ihre dritte Dosis erhalten.

Was sagen die Ärzte zur Auffrischungsimpfung?

Zahllose Ärztinnen und Ärzte sind extrem frustriert: Sie impfen, was das Zeug hält, müssen sich von Impfgegnern anpöbeln lassen und sollen jetzt auch noch schuld sein an den stockenden Auffrisch-Impfungen. „Wir sind diejenigen, die die Menschen überzeugen, sich impfen und boostern zu lassen. Und all das zusätzlich zu unserer sonstigen Arbeit“, berichtet eine engagierte Landärztin.

Der Frust richtet sich vielfach auch gegen das Tohuwabohu in Politik und Wissenschaft. So beschlossen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern schon im August, dass alle Heimbewohner und wenig später auch alle Über-60-Jährigen, jüngeren Risikopatienten und früh geimpften Pflegekräfte geboostert werden sollen. Die Stiko bleibt bis heute dabei, dass neben Risikopatienten und Pflegekräften nur Über-70-Jährige Auffrischimpfungen brauchen.

Eine ungeklärte Frage bleibt zudem, warum in Deutschland sechs Monate gewartet werden soll, obwohl das „Booster-Wunder“ in Israel schon fünf Monate nach der Zweitimpfung eintrat.

Wann wird der nötige „Booster-Turbo“ gezündet?

Bund, Länder und Ärzteverbände versuchen nun hektisch zu retten, was zu retten ist: Erste Länder wie NRW informieren diejenigen, die als erste geboostert werden sollen, per Brief. Den Termin müssen sich die Betroffenen freilich selbst besorgen. Auch sollen mancherorts – etwa in Bayern – wieder Impfzentren geöffnet werden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verhandelt zudem mit Impfstofflieferanten über ein beschleunigtes Lieferintervall, sodass die Dosen schon eine Woche statt wie bisher zwei Wochen nach Bestellung in den Praxen eintreffen. Begleitet wird das von der Hoffnung der Politik, Ärzte mögen ihren Patienten zumindest vorübergehend mehr Impftermine anbieten, wenn sie das nicht ohnehin schon tun.

So ist die Situation in Köln

Rund 1000 Praxen in Köln bieten weiter Corona-Impfungen an. Doch rund zwei Drittel der Ärzte akzeptieren nicht (mehr), dass sie mit rund 20 Euro pro Impfung (Impfzentren bekommen 150 Euro) auskommen sollen, sagt Jürgen Zastrow, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Köln. „Es gibt keine einheitlichen Ansagen, wer geimpft werden soll, die eine sichere Rechtslage schaffen.“ Dennoch sei man in der Lage, den Bedarf in der Bevölkerung zu decken. Bei schnellerer Anlieferung der Impfdosen (bisher zwei Wochen) könnte man auch Booster-Impfungen an Unter-70-Jährige relativ gut bewältigen. „Was die Terminvergabe angeht, empfehle ich, dass man entweder bei mehreren Praxen anruft oder besser noch die Online-Termin-Vergabe der Praxen nutzt“, so Zastrow.

Das Gesundheitsamt Köln bietet zusätzlich ebenfalls Corona-Dritt- oder Auffrischungsimpfungen an. Allerdings ist eine Terminbuchung in der Regel nur online möglich. Grundsätzlich verweist das Amt aber auf die ärztlichen Praxen.

Der Versicherer Zurich plant für seine Mitarbeitenden und deren Angehörige Booster-Impfungen gegen Corona. Start soll im Dezember sein, so Pressesprecher Bernd O. Engelien. Der Beginn hängt von vorangegangenen Impfungen ab, die Zurich ab Juni durchgeführt hatte. Dazu nimmt der Versicherer auch wieder seine Impfstraßen in Betrieb. Über 2000 Mitarbeitende und ihre Angehörige hatten die Gelegenheit zum Impfen an unterschiedlichen Standorten des Unternehmens wahrgenommen. (dhi/raz)

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