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AustrittswelleMetropolregion Rheinland bricht auseinander

6 min
Der Blick in die Region von Köln aus ist zwar malerisch, doch die Metropole und das Umland ziehen selten an einem Strang.

Der Blick in die Region von Köln aus ist zwar malerisch, doch die Metropole und das Umland ziehen selten an einem Strang.

Nach Jahren voller Kritik und Geschäftsführerwechsel kommt es jetzt zur Austrittswelle bei dem Lobbyverein.

Das verflixte siebente Jahr hat die Metropolregion Rheinland (MRR) überstanden. Aber wie. Kritik an dem Lobbyverein gab es vom Tag eins an. Der sollte für seine mehr als 30 Mitglieder vor allem in Berlin und Brüssel Klinken putzen und so den Weg zu Fördertöpfen ebnen. Natürlich mit dem Ziel, Projekte ins Rheinland zu holen, die Arbeitsplätze und Steuereinnahmen schaffen. Doch bei den Städten und Verbänden im Süden der Region wuchsen über die Jahre die Zweifel stetig an. So kommt es nun im achten Jahr zu dem, was sich schon lange andeutete: Zahlreiche Mitglieder treten aus. Das Fundament der MRR ist brüchig geworden.

Austritt prominenter Städte und Kreise

Die Stadt Aachen hat den Austritt beschlossen, die IHK Aachen tut es ihr gleich, auch die Städteregion Aachen ist nicht mehr dabei. Bonn macht ebenfalls nicht mehr mit bei der MRR. Der Rhein-Sieg-Kreis ist raus, ebenso der Kreis Euskirchen.

Im Hauptausschuss der Stadt Aachen ist der Beschluss für den Austritt aus der MRR einstimmig gefallen. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Michael Zervos: „Bei der MRR hat der Fokus nie so auf Aachen gelegen, wie wir uns das gewünscht haben“. Auch wenn es nur 22.000 Euro sind, die als jährlicher Mitgliedsbeitrag gezahlt werden, „die Lobbyarbeit der MRR bringt uns das Geld in keiner Weise wieder ein“, so Zervos. Dennoch, Aachen steige nicht im Groll aus, betont der SPD-Fraktionschef. „Wenn wir das Gefühl bekommen, es könnte sich wieder lohnen, ist ein Wiedereintritt denkbar. Aber man muss Strukturen, die nichts bringen, auch mal hinterfragen“, sagt Zervos.

Rhein-Sieg-Kreis und Kritik an Vereinsstruktur

Die versöhnlichen Töne, die es in Aachen noch gibt, sind im Rhein-Sieg-Kreis nur noch schwer herauszuhören. Torsten Bieber ist im dortigen Kreistag der Vorsitzende der CDU-Fraktion. Wie in Aachen, so ist auch in Rhein-Sieg der Austrittsbeschluss einstimmig gefasst worden. Laut Bieber gab es bei der Gründung der MRR schwere Geburtsfehler. In dem damals gewählten Konstrukt eines Vereins seien die IHKs zu starke Spieler gewesen. „Der Verein hat sich permanent neu strukturiert und ausgerichtet“, kritisiert Bieber. Auch eine zwischenzeitliche Evaluation der Arbeit habe ihn nicht davon überzeugt, dass die MRR auf einem guten Weg sei. Nach all den Diskussionen, zu denen der ausbleibende Erfolg und der Schlingerkurs geführt hatten, sei nun die Zeit gekommen, einen Schlussstrich zu ziehen. Stellt sich mit der jetzigen Austrittswelle die Existenzfrage für die MRR? „Da spricht einiges dafür“, sagt Bieber.

Deutliche Worte finden auch die Euskirchener Kreispolitiker. Ein Nutzen sei „einfach nicht vorhanden“, sagte die CDU-Fraktionsvorsitzende Ute Stolz, und ihr SPD-Kollege Thilo Waasem fügte an, der Verein sei „mehr mit sich selbst beschäftigt als mit seiner Aufgabe“. Die Ziele des Vereins, so sieht es auch die Kreisverwaltung, „unter anderem durch häufige Wechsel in der Geschäftsführung“ hätten nicht oder kaum erreicht werden können. Tatsächlich hat der Verein nach knapp acht Jahren nun schon die vierte Geschäftsführung (siehe Infokasten).

Bonn und andere Mitglieder ziehen Konsequenzen

Aber nicht nur Landkreise und kleinere Kommunen sehen wenig Nutzen in der Mitgliedschaft. Mit Bonn ist die nach Einwohnerzahl drittgrößte Stadt des Vereinsgebietes ebenfalls ausgestiegen. Eine Stadt, die aufgrund ihres Bekanntheitsgrades und Standort internationaler Organisationen durchaus immer noch großes Vermarktungspotenzial hat. Der Tenor der Begründung ist ähnlich wie in den anderen Fällen, und angesichts klammer Kassen wurde entschieden: Das bringt nichts, das sparen wir uns.

Andere Mitglieder räumen dem Verein noch eine Gnadenfrist ein. Sowohl im Kreis Kleve als auch im Rheinisch-Bergischen Kreis hat der Kreistag jüngst beschlossen, den von der Verwaltung vorgeschlagenen Ausstieg aufzuschieben und im kommenden Jahr erneut zu prüfen. Beide stellten aber Bedingungen für eine weitere Mitgliedschaft. Der Kreistag in Bergisch Gladbach forderte unter anderem eine „stärkere Berücksichtigung der Belange und Bedarfe von Flächenkreisen“. Dies solle durch eine „kontinuierliche Einbindung der Delegierten“ erfolgen – auch dies ein Hinweis darauf, dass Landkreise wie auch kleinere Kommunen sich von den Großstädten an den Rand gedrängt sehen. Ähnlich ist der Tenor im Kreistag in Kleve, der in seinem Beschluss zudem ausdrücklich „konkreten Mehrwert“ und „handfeste Ergebnisse“ verlangt. Wie das erreicht werden kann, soll der neue Geschäftsführer des Vereins, Paul Sterz, den Regionalpolitikern persönlich erklären. Im Kreis Heinsberg sind sich die Parteien noch uneins. Während die CDU im Kreistag für den Ausstieg wirbt („kein spürbarer Mehrwert“), halten SPD und Grüne dagegen.

Zukunft der Metropolregion Rheinland ungewiss

Dem Landrat des Rhein-Sieg-Kreises blutet ob solcher Entwicklung das Herz. „Ich war von Anfang an dabei – und immer im Vorstand“, sagt Sebastian Schuster (CDU). Zurzeit ist er stellvertretender Vorsitzender. Den Beschluss seines Kreistages, aus der MRR auszutreten, bedauert er, auch wenn Schuster einräumt: „Es ist nicht immer alles optimal gelaufen.“

Erfolge verbucht er dennoch auf Seiten der MRR. Jedoch: „Die sind nicht richtig messbar, es gibt keine Gewinn-Verlust-Rechnung.“ Dennoch befürchtet er für die Region gerade jetzt Verluste durch die geschwächte Position des Lobbyvereins. Jetzt, wo in Berlin ein Sondervermögen von fünf Milliarden Euro verteilt werden soll. „Da ist die MRR wichtig, um von dem Geld etwas in die Region zu holen.“ Doch Kritiker aus den Reihen der Aussteiger halten Schuster entgegen, das sei nicht die Aufgabe eines Lobbyvereins, sondern müsse die der Landesregierung sein.

In Köln indes wird noch mit demonstrativer Gelassenheit auf die bröckelnde MRR geschaut. „Wir sehen zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anlass auszutreten“, sagt Andreas Wolter (Grüne), der Stimmführer der Domstadt in der Mitgliederversammlung. Überhaupt, solange Köln und Düsseldorf sich einig seien, in dem Verein zu bleiben, sehe er dessen Existenz nicht bedroht. Doch so ganz ignorieren kann auch das größte Mitglied die aktuelle Entwicklung nicht: „Wir müssen uns über die regionale Zusammenarbeit Gedanken machen“, sagt Wolter. Doch das sei Aufgabe des neu gewählten Rates nach der Kommunalwahl im September. Demonstrative Gelassenheit auch bei der IHK Köln: „Im derzeitigen Kommunalwahlkampf erhitzen sich die Gemüter. Nach der Kommunalwahl wird es in vielen Bereichen neue handelnde Personen geben. Dann ist die richtige Zeit, Bilanz zu ziehen und zu schauen, ob einige wichtige Partner zurück ins Boot geholt werden können. Gemeinsame Herausforderungen gibt es genug“, sagt Hauptgeschäftsführer Uwe Vetterlein.

Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Stephan Keller, seit 2021 Vorstandsvorsitzender des e.V., zeigt sich trotz alledem optimistisch. Er bedauere, dass „einige Mitgliedskörperschaften der Metropolregion erwägen, ihre Mitgliedschaft zu kündigen oder dies bereits beschlossen haben“, sagte Keller der Rundschau. Er fügt hinzu: „Das wird am Fortbestand des Vereins ab 2026 aber nichts ändern, denn der Grundgedanke der Metropolregion bleibt weiterhin richtig und wichtig: Die Interessen des Rheinlands zu bündeln, um gemeinsam stärker gegenüber den politischen Akteuren in Düsseldorf, Berlin und Brüssel auftreten zu können.“

Der Verein befinde sich „nach wie vor in einem Konsolidierungsprozess“, bei dem es unter anderem darum gehe, die Bedarfe der einzelnen Mitglieder „noch stärker“ in die Arbeit des Vereins einfließen zu lassen. Wie lange die Geduld vor allem der kleineren Mitglieder mit diesem andauernden Prozess noch halten wird, scheint allerdings fraglicher denn je.