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Energy DrinksWachmacher mit Nebenwirkungen

Lesezeit 4 Minuten

Fünf Menschen sind in den USA gestorben - möglicherweise nachdem sie einen Energydrink der Marke "Monster" verzehrt haben.

Sie heißen Free Energy, Fire Starter oder Flying Power, ihre Namen versprechen den ultimativen Kick: Durchtanzte Nächte, Höchstleistung im Sport - und im Gehirn. Mit einem Konsumzuwachs von 55 Prozent in zehn Jahren haben sich Energy-Drinks seit Ende der 80er-Jahre zum Trendgetränk entwickelt: Laut einer Stadtista-Studie trinkt jeder dritte Jugendliche die koffeinhaltigen Erfrischungsgetränke regelmäßig. Auf dem Weltmarkt werden jährlich rund fünf Milliarden Liter verkauft und in Europa gibt es inzwischen mehr als 600 Sorten.

Jetzt haben die vermeintlichen Powerbrausen Verbraucherschützer auf den Plan gerufen. Nach ungeklärten Todesfällen im Zusammenhang mit übermäßigem Konsum dieser Getränke in den USA fordert die Verbraucherzentrale Hamburg: Verkaufsverbot der hoch dosierten Varianten, sogenannte Energy-Shots, und die Beschränkung des Verkaufs von gewöhnlichen Energy-Drinks für Jugendliche ab 18 Jahren.

Aufgemotzte Brause

Energy-Drinks werden hauptsächlich in 250-Milliliter-Dosen angeboten. Zutaten und Zusammensetzung variieren je nach Marke (siehe Kasten). "Sie enthalten neben Wasser meist viel Zucker oder diverse Süßungsmittel. Und sie sind aufgemotzt mit abenteuerlichen Zusätzen wie Taurin, Glucoronolacton und Inosit", sagt Angela Bechthold von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. So schillernd das klingt, so unspektakulär sind diese Inhaltsstoffe. Denn: Koffein, so Bechthold, ist ihr einzig wissenschaftlich erwiesener Wachmacher und Leistungsverstärker. "Mit 320 Milligramm pro Liter enthalten sie etwa dreimal soviel Koffein wie Cola."

Energy-Shots, die konzentrierte Form der Energy-Drinks, sind seit November 2009 auf dem Markt und werden in kleineren Einheiten von 25 bis 75 Milliliter verkauft. Ein Energy-Shot der Marke Red Bull etwa enthält 80 Milligramm Koffein pro 60 Milliliter - was mehr als 1,3 Gramm pro Liter ausmacht.

Erhöhte Koffein-Konzentration

Weil sie nicht als Erfrischungsgetränk sondern als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden, gelten andere gesetzliche Vorgaben, die eine erhöhte Koffein-Konzentration als die vorgeschriebenen 320 Milligramm pro Liter erlauben. Zwar ist der Hinweis "Maximal eine Portion am Tag!" in Deutschland Pflicht, doch Birgit Dusenmund vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vermutet, dass diese Empfehlung oft vernachlässigt wird.

Das BfR stufte Energy-Drinks bei nichtbestimmungsgemäßem Gebrauch bereits 2008 als unsicher ein und rät davon ab, sie in größeren Mengen zu trinken, insbesondere in Kombination mit Alkohol und intensiver körperlicher Anstrengung. "Das scheint aber in manchen Diskotheken durchaus üblich zu sein", sagt Dusemund. Ihr Tipp: Sich bei der Dosierung an den Vorgaben von Arzneimitteln orientieren! Bei Koffeintabletten etwa wird für Gesunde eine Einzeldosis von höchstens 200 Milligramm empfohlen - bis zu maximal dreimal pro Tag.

Besonders in Kombination mit Alkohol und Drogen gefährlich

Keine Vorteile, aber deutliche Risiken, attestiert Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte e.V. den Trendgetränken. "Sie regen den Kreislauf an, was bei einem vorgeschädigten Herzen zu Herzmuskelveränderungen führen kann." Ein weiteres Problem: Die Getränke verursachen eine Euphorie, die dazu anspornen könne, andere Substanzen zu konsumieren. "Der Puls beschleunigt sich auf über 130 Schläge pro Minute. In Kombination mit Alkohol oder Drogen können Krampfanfälle, Kreislauf-, Nierenversagen oder gar ein Schlaganfall die Folgen sein." Die Krux: Viele Jugendliche wüssten nicht über ihren Gesundheitszustand Bescheid.

Nur 30 Prozent der zwölf- bis 14-Jährigen nähmen Vorsorgeuntersuchungen wahr, so der Kölner Mediziner, und weniger als zehn Prozent der bis 18-Jährigen. Da die Gefahr einer gesundheitsschädigenden Wirkung von Energiedrinks bei Risikopatienten sehr wahrscheinlich sei, fordert Hartmann eine Verbesserung der Gesundheitsvorsorge Jugendlicher. Mediziner sind sich einig, dass die Mixturen für Risikopatienten, für Schwangere, Stillende und Kinder gefährlich sein können. Sie enthalten kaum Inhaltsstoffe, deren Wirkung bewiesen ist, dafür werbewirksame Substanzen. Wie kommt es, dass Konsumenten diesen Werbestrategien Glauben schenken?

Lifestyle statt Gesundheitsbewusstsein

Weil Lifestyle in der Zielgruppe mehr wiegt als gesundheitsrelevante Faktoren", sagt Markenexperte Professor Marc Fischer von der Uni Köln. Energy-Drinks seien ein Paradebeispiel für Lifestyle-Marken, "deren Wert nicht über objektive Qualitätseigenschaften gestaltet wird, sondern über das Image-Versprechen".

So gehe es in den Werbebotschaften nicht allein ums Wachbleiben, sondern um den Ausdruck eines Lebensgefühls, in dem alles zu erreichen sei. Energy-Drinks zu verbieten oder "in die Apotheken zu verbannen", davon hält Fischer nichts - "solange es keine wissenschaftliche Belege für eine Gefahr gibt". Ähnlicher Meinung ist Monika Vogelpohl von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: "Anders als unsere Hamburger Kollegen glauben wir nicht, dass Verbote oder Altersbeschränkungen das Grundproblem beseitigen: die Gefahr, dass Personen egal welchen Alters zu viel konsumieren." Stattdessen sollte die wissenschaftliche Klärung forciert, die Höchstmenge von Koffein reduziert und eine eindeutige Kennzeichnung eingeführt werden. Gut lesbar. Und an prominenter Stelle.