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1700 Jahre jüdisches LebenDie Kölner Synagoge an der Roonstraße und ihre Geschichte

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Die Synagoge auf der Roonstrasse in Köln

„Nicht durch Macht und nicht durch Stärke, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr der Heerscharen.“ Diese programmatischen Worte des Propheten Secharja prangen in hebräischen Schriftzeichen an der Kölner Synagoge im Mittelteil der Außenfassade. Sie künden zeitlos von Mahnung, Hoffnung und Zukunft.

Am 20. September 1959 wurde der markante neo-romanische Bau, der 1899 als liberale Synagoge geweiht und in der Reichspogromnacht 1938 weitestgehend zerstört worden war, neu eingeweiht. Neben dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer war es das Land Nordrhein-Westfalen, das den Aufbau tatkräftig unter-stützte. Beim Hinweis auf die problematische Finanzierung des mit dem Wiederaufbau beauftragten jüdischen Architekten Helmut Goldschmidt soll Adenauer in dem für ihn typischen rheinischen Singsang geantwortet haben: „Dat lassen Se mal meine Sorge sein.“

„Wir werden toleriert. Das ist alles“

Nur 14 Jahre nach dem Ende des Holocaust war es alles andere als selbstverständlich, dass jüdisches Leben sichtbar wurde. 11.000 Kölner Juden der ehemals fünftgrößten Gemeinde in Deutschland waren unter der Diktatur des Nationalsozialismus ermordet worden. „Wir werden toleriert. Das ist alles“, stellte nüchtern der erste Gemeinderabbiner der Synagogen-Gemeinde (SGK), Avi Asaria, fest. Konrad Adenauer äußerte zwar die „Hoffnung, die Gewissheit auf eine andere, gute Zukunft“. Wie sehr indes die Vergangenheit zwischen den Menschen stand, zeigte sich jedoch wenige Wochen nach der Wiedereinweihung. In der Nacht von Heilig Abend auf Weihnachten wurde das Gebäude durch Hakenkreuzschmierereien geschändet – der Auslöser oder gar Katalysator für damals rund 700 weitere derartige Aktionen in ganz Deutschland.

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Gleichwohl hat sich die Gemeinde und ihr stadtteilprägendes Gebäude an der Roonstraße im Kwartier Latäng in den zurückliegenden Jahrzehnten fest im gesellschaftlichen und sozialen Leben der Stadt Köln und darüber hinaus etabliert. „Die Synagoge gehört zu Köln wie der Dom und der Rhein“, sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Vom Mut der damaligen Generation, die die Gemeinde und ihr Gotteshaus nach dem Krieg aufgebaut haben, „sollten wir uns ein Beispiel für die Zukunft nehmen“, hatte der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bei einem Festakts aus Anlass des 60. Jahrestags der Wiedereinweihung im Jahr 2019 treffend angemerkt. Gebäude wie die Synagoge in Köln sind sichtbare Zeichen für die Heimat von Menschen jüdischen Glaubens und die Vielfalt jüdischen Lebens.

Herausragende Daten stehen mit dem Gotteshaus in Verbindung. Etwa die Wiedereinbrin-gung der beiden Torarollen von 1902. Sie waren 1938 vom katholischen Priester Gustav Mei-nertz aus der brennenden Synagoge gerettet und von diesem der Gemeinde nach dem Krieg zurückgegeben worden. 2007 wurden die Torarollen in Israel restauriert und werden seitdem wieder im Gottesdienst verwendet. Ein weiteres herausragendes Datum: Im Jahr 2014 wurden vier junge Männer zu Rabbinern ordiniert. Schließlich: Neben den Besuchen verschiedener Bundeskanzler und Bundespräsidenten war es der Besuch des damaligen katholischen Kir-chenoberhauptes Benedikt XIV. im Jahr 2005 – ein weltweit beachtetes Ereignis. Bei seiner Visite hatte der Papst die Gemeinsamkeiten der beiden Religionen hervorgehoben und jeglichen Antisemitismus verurteilt.

Letzterer gehört immer noch zum Alltag der jüdischen Gemeinde. Rund um die Uhr steht ein Einsatzwagen der Polizei vor dem Eingang des Gotteshauses. Dennoch: Es mutet wie ein Wunder an, dass es nach dem kompletten Verlust jüdischen Lebens nicht nur zu einer Neugründung und einem Neubau, sondern über all die Jahre zu einer breit aufgefächerten Entfaltung jüdischen Lebens gekommen ist.

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