„Brauchen eine Entscheidung“Geschäftsführer der städtischen Kliniken im Interview

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Mehr Pflegekräfte ausbilden und für die städtischen Kliniken gewinnen ist Ziel des neuen Geschäftsführers Prof. Dr. Axel Goßmann.

Mehr Pflegekräfte ausbilden und für die städtischen Kliniken gewinnen ist Ziel des neuen Geschäftsführers Prof. Dr. Axel Goßmann.

Köln – Prof. Dr. Axel Goßmann (55) ist seit 1. April Geschäftsführer der städtischen Kliniken. Beim Besuch im Rundschau-Haus sprach er über  den Pflegenotstand, den Klinikverbund und die Zukunft der Klinik Holweide.

Soeben haben Sie verkündet, dass der renommierte Mediziner Stéphane Collaud neuer Chef der Thorax-Chirurgie wird. War das eine Art Befreiungsschlag nach zuletzt vielen schlechten Nachrichten?

Nein, ich hatte erwartet, dass wir für diese Position eine exzellente Kraft bekommen. Die schlechten Nachrichten bezogen sich meist auf finanzielle Dinge, nicht medizinische. Es war für uns überraschend, dass Prof. Erich Stoelben uns verlassen hat (der Vorgänger von Collaud, Anmerkung der Redaktion). Es gab Dissonanzen zwischen ihm und der ehemaligen Geschäftsführung. Aber ich war mir sicher, dass wir hier sehr qualifiziert nachbesetzen können, denn die Lungenklinik in Merheim ist fast einzigartig in Deutschland.

Alles zum Thema Henriette Reker

Die Kliniken kämpfen mit gewaltigen Verlusten, zuletzt wurde fast die gesamte Führungsspitze ausgetauscht: Was hat Sie bewogen, den schwierigen Job als Geschäftsführer zu übernehmen?

Seit 1. April 2008 bin ich bei den Kliniken Köln. Als Chefarzt für Radiologie kenne ich das Haus sehr gut. Ich wurde vom Aufsichtsrat angesprochen, ob ich bereit wäre, mehr Verantwortung zu übernehmen. Ich habe das sehr gerne getan, weil mir die Kliniken sehr am Herzen liegen. Ich weiß, was die Beschäftigten der Kliniken leisten. Medizinisch sind wir absolut top. Da tut es weh zu sehen, wenn es finanziell nicht so gut läuft. Wir haben ein riesiges Potenzial, das gilt es besser zu nutzen.

Das machen die Kliniken Köln aus

Welche Alleinstellungsmerkmale haben die Kliniken Köln?

Wir sind die einzige Schwerstverbranntenklinik zwischen Essen und Aachen, die alleinige Neurochirurgie im rechtsrheinischen Köln, das größte Polytraumazentrum in NRW. Ich könnte noch viel mehr aufzählen.

Warum hat die Sanierung, die 2018 unter Ihrem Vorgänger Holger Baumann starten sollte, bisher so wenig gebracht?

Dass wir hohe Defizite schreiben hat vor allem zwei Gründe. Eine unzureichende Finanzierung durch das Land NRW, unter der auch andere Krankenhäuser im Land leiden. Und der Mangel an Pflegekräften. Der führt bei uns dazu, dass wir Patienten abweisen müssen. Wir haben eine hohe Nachfrage, das ist nicht das Problem. Aber unsere Planbetten sind nur zu rund 60 Prozent ausgelastet, weil wir viele Betten mangels Pflegekräften gar nicht betreiben können. Uns fehlt derzeit das Pflegepersonal für rund 300 Betten. Bei den übrigen Betten haben wir eine Auslastung nahe 100 Prozent.

Pflegenotstand haben andere Kliniken auch...

Bei uns kam ein selbstverschuldetes Problem hinzu. Eine frühere Geschäftsführung hat vor einiger Zeit noch aktiv Pflegepersonal abgebaut, um zu sparen. Als sich der Pflegemangel bundesweit verschärfte, hat uns das mit voller Wucht getroffen.

Ausbildung im Pflegebereich stärken

Wie wollen Sie die Probleme lösen?

Die Pflege ist der Schlüssel zur einer wirtschaftlichen Gesundung. Wir unternehmen sehr viel, um die Ausbildung zu verstärken und Pflegekräfte an uns zu binden. Aktuell bilden wir 400 junge Menschen aus. Wir bieten umfassende Angebote zur Weiterqualifizierung. Wer bei uns im Springerpool besonders flexibel einsetzbar ist, kann Zulagen von bis zu 1000 Euro im Monat erhalten. Zudem denken wir künftig die gesamte Grundstruktur des Krankenhauses von der Pflege her. Ärzte und Pfleger sollen sich auf Augenhöhe begegnen.

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Warum brauchen Sie so viele Leiharbeiter in der Pflege? Die Kosten sollen teils dreimal so hoch sein wie beim Stammpersonal.

Das stimmt. Aber momentan kommt kaum ein Krankenhaus ohne Leiharbeit aus. Auch wenn sie teuer ist. Doch ohne sie müssten wir noch mehr Patienten abweisen. Hier wollen wir durch mehr Ausbildung Abhilfe schaffen. Die Idee, im Rahmen des Klinikverbunds in Köln ein eigenes Pflege-Ausbildungszentrum zu errichten, ist exzellent.

Wie stehen Sie zu einem Verbund mit der Uniklinik?

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat mit dieser Idee eine Vision aufgezeigt, um den Gesundheitsstandort Köln und die medizinische Versorgung weiterzuentwickeln. Das finde ich hervorragend. Mit der Uniklinik und uns hat man zwei Maximalversorger, bei denen sich viele Synergieeffekte ergeben können. Wir sind führend etwa im Bereich Lungenklinik und Brustzentrum, die Uniklinik zum Beispiel bei der Herzchirurgie.

Goßmann fordert eine Entscheidung

Ärgert es Sie, dass bei dem Thema seit fast fünf Jahren so gut wie nichts passiert ist?

Die alte Landesregierung hat das Projekt liegen lassen. Dass die Idee eines Klinikverbunds schon so lange in der Schwebe ist, tut keinem gut – weder der Uniklinik, noch uns. Jetzt will sich die neue Landesregierung die Sache noch einmal ansehen und hat frische Zahlen angefordert.

Was fordern Sie vom Land?

Wir brauchen jetzt zeitnah eine Entscheidung aus Düsseldorf, ob man den Verbund will oder nicht. Am besten noch in diesem Jahr.

Was wird nun – unabhängig vom Klinikverbund – aus der Klinik Holweide? Vor Ort gibt es viel Widerstand gegen eine drohende Schließung...

Moment. Von einer Schließung von Holweide kann mindestens für die nächsten zehn Jahre überhaupt keine Rede sein. Das wird oft falsch dargestellt. Der Aufsichtsrat hat 2019 das „2+1“-Konzept beschlossen. Es sieht eine Zentralisierung in Merheim vor. Dafür braucht es ein Nachnutzungskonzept für Holweide. Das ist bisher aber wenig konkret. Und seit 2019 haben sich die Rahmenbedingungen stark geändert: Corona, Krieg, Energiekrise. Die politische Betrachtungsweise, wie die Krankenhauslandschaft künftig aussehen soll, hat sich verändert. Bis die Politik für Holweide konkrete Pläne beschließt, werden wir weiterhin in die Instandhaltung und Modernisierung investieren. Die Radiologie und das Perinatalzentrum dort wurden gerade komplett neu gebaut.

Ab 1. November steht Ihnen Sylvia Langer (51) als kaufmännische Geschäftsführerin zur Seite.

Auf die Zusammenarbeit freue ich mich sehr. Ich bin Arzt und kein Finanzdirektor. Deshalb hatte ich mir ausbedungen, dass es auch eine kaufmännische Geschäftsführung gibt. Frau Langer ist da sehr kompetent. Dass wir eine Frau für diese Position gewinnen konnten, finde ich sehr positiv.

Lage zu 2021 deutlich verändert

Wie hat sich Corona bei den Kliniken Köln ausgewirkt?

Bei der ersten Virusvariante hatten wir sehr viele schwere Verläufe, an denen auch junge, gesunde Menschen gestorben sind. Wir waren definitiv an unserer Belastungsgrenze. Im April 2021 drohten uns die Beatmungsplätze auszugehen, das war eine hochdramatische Situation. Jetzt haben wir eine völlig andere Lage, das kann man überhaupt nicht vergleichen.

Wie ist die Lage momentan?

Gestern hatten wir auf der Intensivstation einen beatmeten Corona-Patienten und wenige Patienten, die größtenteils mit und nicht wegen Corona in die Klinik kamen. Die jetzige Corona-Situation belastet das Gesundheitswesen in der Versorgung eigentlich gar nicht, denn auch beim Personal gibt es derzeit keine großen Corona-bedingten Ausfälle. Das ist momentan in einer Größenordnung wie Norovirus oder Grippevirus. Das sind Wellen, die wir gewohnt sind, darauf sind wir vorbereitet.

Erwarten Sie im Winter wieder größere Probleme?

Die Fallzahlen werden steigen, aber ob wir erneut schwere Verläufe bekommen, kann niemand vorhersagen. Das ist reine Spekulation. Wir müssen flexibel reagieren auf das, was kommt. Problematisch kann es werden, wenn sich viele Klinik-Beschäftigte infizieren und dann bis zu 14 Tage ausfallen.

Das Gespräch führten Ingo Schmitz, Michael Fuchs und Simon Westphal.

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