Rund 600 unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) leben in Köln. Ein Blick auf die Betreuungsarbeit des Jugendamtes. Kritik kommt vom Kölner Flüchtlingsrat.
Jugendamt KölnRund 600 unbegleitete minderjährige Ausländer leben in Köln

In der Kölner Unterbringung für unbegleitete minderjährige Ausländer/Geflüchtete (UMA) in der Allerheiligenstraße/Tunisstraße nahe dem Eigelstein wohnen aktuell zwischen 50 und 60 Jugendliche.
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Im Sommer 2024 sorgten wochenlang Halskettenraube am helllichten Tag rund um das Kölner Viertel am Eigelstein für Schlagzeilen. Jugendliche, die sich allein, zu zweit oder auch zu mehreren ihre meist betagteren Opfer aussuchten, rissen die Goldketten einfach mit oder ohne Ablenkung vom Hals der Geschädigten. Die Polizei in Köln tappte zunächst im Dunkeln, bis nach einigen geglückten Festnahmen klar war, dass die jugendlichen Tatverdächtigen unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) vor allem aus Ländern in Nordafrika waren. Seitdem die Tätergruppe isoliert wurde und sich nicht mehr in Köln aufhalte, habe es laut Aussage der Polizei – bis auf eine Ausnahme – diese Taten im Eigelstein nicht mehr gegeben (siehe unten).
Auch das Kölner Jugendamt geht davon aus, dass seit dem Herbst letzten Jahres das Problem mit straffällig gewordenen Jugendlichen, die in der Einrichtung an der Allerheiligenstraße/Tunisstraße in der Nähe vom Eigelstein untergebracht waren, nicht mehr existiere. Seit diese Tätergruppe nicht mehr in Köln sei, habe es keinen solchen Vorfall mehr in Verbindung mit der Einrichtung gegeben. Im Gegenteil: Die betreuten Jugendlichen wirken mit und integrieren sich, äußerte die stellvertretende Leiterin des Jugendamtes, Barbara Frank, gegenüber der Rundschau.
Einschätzung der Kölner Polizei zur Goldketten-Raubserie 2024
Zwischen Juni und August 2024 begingen jugendliche Bewohner einer Einrichtung für unbegleitete minderjährige Ausländer an der Allerheiligenstraße/Tunisstraße zahlreiche Goldketten-Raube im Eigelstein-Viertel. Rund ein Jahr danach teilte die Polizei Köln auf Nachfrage der Rundschau mit, dass sich die damaligen Täter und Tatverdächtigen nicht mehr in Köln aufhalten. Dementsprechend würden auch derartige Überfälle dieser Tätergruppe bis auf eine Ausnahme nicht mehr vorkommen, so Polizeisprecher Christoph Gilles. Das bislang letzte und einzige angezeigte Raubdelikt durch Angehörige dieser Klientel wurde in diesem Jahr am 7. Juli an den Domtreppen verübt.
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Der Polizeisprecher beruft sich dabei laut eigener Aussage auf Ergebnisse der Ermittlergruppe „Fokus“. „Die strafrechtliche Verfolgung mündete in insgesamt 22 Haftbefehlen.“ Bei der Überprüfung der Personalien sei auch bei fast jedem Täter das Alter noch oben korrigiert worden. Durch verstärkte Kontrollen und die Zusammenarbeit mit dem Ausländeramt habe man das Problem in den Griff bekommen, so Gilles.
Rund 600 unbegleitete minderjährige Ausländer in Köln
Rund 600 männliche unbegleitete minderjährige Ausländer/Geflüchtete leben aktuell in Köln. Laut Angaben der Stadt kommen sie zu einem großen Teil aus den Ländern Afghanistan, Syrien, Ukraine, Guinea und Somalia. In der Regel bekommen UMA bei Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zunächst eine Duldung ausgestellt - ausgenommen davon sind die ukrainischen Geflüchteten, die ihre Aufenthaltserlaubnis gleich nach der Einreise erhalten. Bei den anderen werde nach der Erst-Unterbringung mit den zuständigen Stellen über einen gesicherten Aufenthalt beraten, so die Stadt weiter.
Sie werden nach den Angaben des Jugendamtes von einem Team, bestehend aus rund 40 eigenen Mitarbeitern, plus den sozialen Trägern, betreut. Laut Aussage der Stadt werden somit in der Regel zwei bis drei Jugendliche von einer Fachkraft betreut. In größeren Einrichtungen sei die Betreuung bei Bedarf auch noch intensiver.
Untergebracht sind die Jugendlichen zum großen Teil in sogenannten „Brückenlösungen“, von denen es neben einer Erstaufnahmeeinrichtung insgesamt fünf in Köln gibt. Dazu gehört auch die erwähnte Einrichtung in der Allerheiligenstraße, nahe dem Eigelstein, in dem nach Auskunft der Stadt aktuell zwischen 50 und 60 Jugendliche leben. „Es gibt aber auch eine ganze Reihe von unbegleiteten Jugendlichen, die bereits in Wohnungen sozialer Träger leben, mit denen wir zusammenarbeiten“, so Frank. Diese seien gut in die Nachbarschaft integriert, wirken aktiv mit und haben auch ihren Tagesablauf selbstständig gut im Griff.
Das Kölner Jugendamt hat nach eigenen Angaben die angespannte Personalsituation, die noch Mitte 2023 herrschte, durch neu eingestellte Mitarbeiter entschärft. „Personalknappheit ist bei unseren Aufgaben und Angeboten zur Unterbringung und Versorgung unbegleiteter minderjähriger Ausländer aktuell kein Problem“, stellt die stellvertretende Jugendamtsleiterin heraus.
Es gibt auch eine ganze Reihe von unbegleiteten Jugendlichen, die bereits in Wohnungen sozialer Träger leben, mit denen wir zusammenarbeiten.
Achten auf geregelten Tagesablauf der Jugendlichen
Bei der Einquartierung der Jugendlichen in größere Einrichtungen achte das Jugendamt regelmäßig darauf, welche Gruppen zusammenpassen, um Konflikte, die ethnisch begründet sind, möglichst zu vermeiden, hebt Frank hervor. In diesen Unterbringungen befinde sich zudem stets Sicherheitspersonal, das Tag und Nacht vor Ort ist, falls dort doch noch etwas passieren sollte.
Der Tagesablauf für die UMA-Jugendlichen beginne in den Gruppen-Unterkünften morgens nach dem geregelten Aufstehen mit einem gemeinsamen Frühstück. Danach gehe es zu den Deutsch- und Integrationskursen, so Frank. „Alternativ – je nach Bildungsstand – besuchen die Jugendlichen ihren Schulunterricht. Ein kleinerer Teil – vielleicht fünf Prozent – sind bereits soweit, eine Ausbildung zu beginnen.“ In der Freizeit gebe es über die Zusammenarbeit mit verschiedenen Trägern Sport- und erlebnispädagogische Angebote im Klettergarten oder Ähnliches.
Wenn es einem Bewohner nicht gut gehe, weil er Probleme in seinem neuen Umfeld oder aber Heimweh nach seiner Familie habe, seien immer pädagogische Fachkräfte vor Ort, so Frank, mit dem der Betroffene jederzeit reden könne. Bei Verhaltensauffälligkeiten werden die Jugendlichen von vertrauten Betreuern auch angesprochen. „Wenn wir etwas von traumatisierenden Fluchterlebnissen erfahren, nutzen wir unsere Netzwerke mit Psychologen, um tiefer einzusteigen und den Jugendlichen bei ihren Problemen helfen zu können“, führt die stellvertretende Jugendamtsleiterin weiter aus. Unterstützt werde diese Betreuungsarbeit vor allem durch Fachkräfte der Uniklinik Köln und des Krankenhauses in Holweide.
In Einzelfällen gebe es auch Zurückführungen, zum Beispiel, wenn ein Minderjähriger den Wunsch habe, nach Hause zurückzukehren, so Frank. Dann werde Kontakt mit der Familie und der Botschaft aufgenommen, die dann übernehmen. Das seien aber seltene Fälle.
Insgesamt ist die Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Ausländer in Köln eine Erfolgsgeschichte.
Kritik zur Betreuung der UMA vom Kölner Flüchtlingsrat
Der Kölner Flüchtlingsrat lobt zwar die Arbeit des Jugendamtes „im Rahmen der personellen Möglichkeiten“. Er kritisiert aber auf Anfrage der Rundschau insbesondere die Unterbringung der geflüchteten unbegleiteten Jugendlichen in den oben beschriebenen Brückenlösungen. „Wir haben Zweifel, ob die Stadt qualifiziertes Personal in all diesen Großunterkünften in ausreichender Zahl einsetzt. Träger berichten uns jedenfalls, dass Hilfszeiträume für die intensive Betreuung immer mehr verkürzt werden“, so Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrates. Jugendliche werden nach Berichten der Träger, mit denen man gesprochen habe, schneller in Einrichtungen mit geringem Betreuungsschlüssel untergebracht oder aus der Jugendhilfe und den Regelwohngruppen ganz entlassen, obwohl noch eindeutige Betreuungsbedarfe vorlägen, teilt Prölß mit. Die Träger wollten sich jedoch gegenüber der Rundschau auf Nachfrage nicht direkt dazu äußern.
Barbara Frank beschreibt die Situation der Betreuung in den städtischen und Träger-Einrichtungen entschieden anders: „Insgesamt ist die Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Ausländer in Köln eine Erfolgsgeschichte, in die das Jugendamt viel Arbeit, Personal und Engagement steckt.“