Im Rundschau-GesprächDas sind die Ziele der Kölner Stadtspitze für 2024

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Mobilität bleibt schwierig in der Stadt

Mobilität bleibt schwierig in der Stadt

Oberbürgermeisterin Henriette Reker und die Dezernenten waren zu Gast im Rundschau-Haus. Mit der Redaktion haben sie über den öffentlichen Raum, Wohnen und Verkehr gesprochen.

Beim Besuch im Rundschau-Haus haben Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) und die Beigeordneten ihre Ziele für 2024 erläutert. Klar ist: Die Zeiten sind nicht gemacht für Wunschkonzerte. Die zehn wichtigsten Punkte im Überblick:

1) Impulse für den Neumarkt und den öffentlichen Raum

Sorgenkinder gibt es viele im Stadtraum: den Ebertplatz, den Wiener Platz, den Neumarkt. Hier möchte die Stadt in diesem Jahr konkrete Verbesserungen schaffen. „Wir werden am Neumarkt zwei zusätzliche Fußgängerüberwege einrichten, den Brunnen in Betrieb nehmen und Sitzgelegenheiten schaffen“, sagte Reker. Zudem soll es ein mobiles gastronomisches Angebot auf der Westseite des Platzes geben und zwei neue Toilettenanlagen. Das Konzept: mehr Aufenthaltsqualität schaffen, damit die Bürger den Neumarkt zurückgewinnen. Das Kulturprogramm sei im vergangenen Jahr im Sommer gut angenommen worden. Ob es zu einer Neuauflage kommt, ist aber noch offen.

Neumarkt Drogenproblematik.

Am Neumarkt gibt es eine große Drogenproblematik.

Die Nutzung des öffentlichen Raumes sei ihr ein zentrales Anliegen, sagt die OB. Die Stadt könne „manchmal nicht mehr atmen vor Veranstaltungen“. Ihr schwebt ein Leitbildprozess vor, der regelt, was geht und was nicht. Sichtbare Armut sei nicht einfach aus dem Stadtbild zu verdrängen, sagte sie mit Blick auf Obdachlosigkeit. „Das geht in München, das geht in Düsseldorf, aber in Köln geht es nicht, weil ganz viele damit nicht einverstanden sind“, sagte Reker. Ordnungsdienste würden immer wieder erleben, wenn sie Junkies oder Bettelnde ansprechen, dass die Bürgerinnen und Bürger den Angesprochenen zur Seite springen.

2) Haushaltssicherung vermeiden

Die Finanzlage der Stadt verschlechtert sich zusehends. Noch habe Köln kein Ertragsproblem, „aber die Erträge, die wir generieren, reichen bei weitem nicht aus, um unsere zusätzlichen Aufgaben zu decken“, warnt Stadtkämmerin Dörte Diemert. Die Stadt erlebe „derzeit eine Kostenexplosion, die wirklich ihresgleichen sucht.“ Sie verwies auf „Tarifabschluss, Jugendhilfe, Schulmieten, Baukosten, stark gestiegene Zinsen, Investitionsstau, aber natürlich auch Energie und Mobilitätswende. All das fordert uns massiv.“

Die Rücklagen, die man habe bilden können, seien 2025 wahrscheinlich aufgebraucht, dann werde die Stadt mit den Finanzmitteln nicht hinkommen, selbst wenn man das mögliche Defizit ausschöpfe. Für die Aufstellung des geplanten Doppelhaushalts 2025/26 bedeute das, Prioritäten zu setzen, Aufgaben kritisch zu hinterfragen, auch Liebgewonnenes „auf den Prüfstand zu stellen mit dem Ziel, die Haushaltssicherung zu vermeiden“.

Diemert kündigte an, dass die Stadt die 444,85 Millionen Euro Altlasten aus der Corona-Krise über 50 Jahre abstottern will. Auf die Rückzahlung der Gesellschafterdarlehen in Höhe von 533,2 Millionen Euro für die städtischen Kliniken wolle man verzichten, um den Kliniken einen „kraftvollen Neustart“ in Merheim zu ermöglichen.

3) Schulbauten vorantreiben

Im Jahr 2030 soll der Bedarf an Schulplätzen gedeckt sein. Das versprach Baudezernent Markus Greitemann. Bis dahin werde der Schulbau konsequent und mit aller Kraftvorangetrieben. Dem hat sich auch die sogenannte Taskforce Schulbau verpflichtet. In diesem Jahr sollen 314 Millionen Euro in Neubaumaßnahmen fließen. Hinzu kommen Investitionen in Instandhaltung. „Wir investieren 2024 rund 400 Millionen in die Schulen“, sagte Greitemann. 15 Schulbauprojekte sollen in diesem Jahr abgeschlossen werden. Bis 2030 sollen 30 neue Grundschulen an den Start gehen. „Einmaleffekte“ wie die hohe Zahl von Wiederholern in der ersten Klasse und geflüchtete Kinder, stellten die Stadt vor zusätzlich Herausforderungen.

Modulbau der Erweiterung der Rosenmaarschule in Höhenhaus.

Modulbau der Erweiterung der Rosenmaarschule in Höhenhaus.

4) Mobilitätsplan für die Stadt erstellen

„Besser durch Köln“ ist der nachhaltige Mobilitätsplan überschrieben, dessen Fertigstellung Mobilitätsdezernent Ascan Egerer für 2024 ankündigt. Noch fehlt dafür die Netzentwicklung des motorisierten Individualverkehr. Mit ihr soll dargestellt werden, auf welchen Straßen der Autoverkehrs ungehindert weiter rollen muss, soll Köln nicht lahmgelegt werden und auf welchen Straßen er Raum zu Gunsten des rad- und Fußverkehrs er abtreten kann. „Dann haben wir Klarheit über die Räume“, sagt Egerer. Dann könne beispielsweise darüber entschieden werden, wo sogenannte „Super-Blocks“ entstehen könnten - ein Bereich aus mehreren Häuserblocks ohne durchquerenden Autoverkehr mit neu genutztem Straßenraum. Ein wichtiger Termin für die Mobilität in Köln ist der 27. Juni 2024. Dann soll in der Ratssitzung die Vorlage zum Variantenentscheid für die Stadtbahn zwischen Heumarkt und Aachener Straße auf den Tisch kommen, mit der Frage: Tunnel oder oberirdische Trasse?

5) Programm für Klimaschutz fortschreiben

Im Dezember 2023 hat der Stadtrat einen „Aktionsplan Klimaschutz“ beschlossen. Zu den ersten Umsetzungsschritten in diesem Jahr gehöre die Einführung eines Solarkatasters, erläutert Klima- und Liegenschaftsdezernent William Wolfgramm. Das sei eine Plattform für Bürger und Hauseigentümer, auf der man sehen kann, welche Dachflächen für die Nutzung von Solarenergie geeignet sind. Sie biete eine erste Wirtschaftlichkeitsanalyse sowie Links zu Handwerksbetrieben und zum Förderprogramm der Stadt Köln. Die Stadt werde auch eine Monitoring-Plattform scharfschalten, auf der man sehen könne, welche Erfolge die einzelnen Sektoren beim Klimaschutz erzielen können.

Die kommunale Wärmeplanung werde man weiter vorantreiben, das sei „ein gigantisches Projekt“, so Wolfgramm. Zum Glück sei man mit den Vorarbeiten in den letzten Jahren schon recht weit gekommen. Bis 30. Juni 2026 muss die Wärmeplanung fertig sein.

6) Wohnraum schaffen

Was Sozialdezernent Harald Rau gerade besonders umtreibt, ist das Thema Wohnen. Er stellt die Frage, was die Stadtgesellschaft zusammenhält – und beantwortet sie auch gleich: Das eigene Zuhause. „Wenn sich Menschen nicht sicher fühlen, Verlustängste haben, dann wird es kritisch“, sagt er. Über 400 000 Menschen in Köln haben ein Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein und damit auf geförderten Wohnraum.

„Der fällt aber immer mehr weg“, sagt Rau. „Wir haben eine ganz große Aufgabe, dieses geförderte Wohnen hoch zu halten.“ Und immer wieder neue Wohnungen zu finden, denn auch für obdachlose Menschen müsse es Lösungen geben. Das Projekt „Housing First“ sei auf einem guten Weg, müsse aber weiter intensiviert werden. Zusätzlich bräuchten auch die vielen geflüchteten Menschen Wohnraum: „Die Unterbringung, die wir jetzt organisiert haben, läuft oftmals gerade vertraglich wieder aus. Wir müssen da dauernd nachhalten, neu bauen, neue Verträge machen. Und das wird uns ganz erheblich fordern“, sagt Rau.

Wohnungen fehlen in Köln seit Jahren.

Wohnungen fehlen in Köln seit Jahren.

7) Entwicklung der Hallen Kalk

Ein Hauptaugenmerk will Stadtentwicklungs- und Wirtschaftsdezernent Andree Haack auf die Hallen Kalk legen. Ein übergreifendes Projekt mit mehreren Bausteinen, betonte er: Es gehe nicht nur um den Osthof, sondern auch um die Kulturhallen, das Neubaufeld, die Halle 71 als Zugang zum Domid (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland). „Wir müssen die Teilprojekte vorne bringen, sie gleichzeitig in ihrer Gesamtheit denken“, so Haack. Das Gelände soll in Erbpacht vergeben werden. Parallel führe man gute Gespräche mit den Akteuren des Osthofes, um im Sommer erste „Pioniernutzungen“ zuzulassen. Dies sei keine Zwischennutzung, sondern auf Zukunft angelegt – wenn auch vielleicht zunächst nicht in ihrer endgültigen Form. Überdies stehe man bei den Hallen Kalk in Austausch mit den Dezernatskollegen.

8) Mobilisieren für die Europawahl

Am 9. Juni wird ein neues europäisches Parlament gewählt. Stadtdirektorin und Ordnungsdezernentin Andrea Blome, die für die Wahlorganisation zuständig ist, betonte: „Für uns in Köln ist sehr wichtig, dass auch von Köln ein starkes Signal ausgeht, zur Wahl zu gehen.“

Bei der letzten Europawahl 2019 hätten in Köln 64,6 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, nach 53,2 Prozent im Jahr 2014. Auch dieses Jahr wolle man möglichst viele Wähler motivieren, so Blome. Für die Durchführung der Wahl benötige die Stadt rund 8200 Wahlhelfer.

9) Impulse für die Tanzstadt Köln

Eines der Schwerpunktthemen für Kulturdezernent Stefan Charles ist der Tanz. Hier sieht er auf der Basis, dass das Depot als zukünftige Wirkungsstätte festgelegt wurde, nicht nur die Möglichkeit, die Tanzsparte der Bühnen und die freie Szene zu beherbergen, sondern auch international agieren zu können. „Die Kulturstiftung des Bundes hat eine Tanztriennale ausgeschrieben, die 2026 starten soll.“ Ihm sei von der Direktorin der Kulturstiftung signalisiert worden, dies „sei ein bisschen wie für uns gemacht“. Die Bewerbungsfrist läuft bis Mai. Für die Tanzsparte der Bühnen seien 59 Konzepte eingereicht worden, acht würden intern vorgestellt werden.

10)   Profitieren von der Fußball-EM

Die Fußball-Europameisterschaft ist neben den Olympischen Spielen das größte Sportereignis in diesem Jahr – fünf Partien werden in Köln ausgetragen. „Nicht nur Europa, sondern die ganze Welt wird auf Köln schauen“, sagt Sportdezernent Robert Voigtsberger. Es gehe um die große Chance, ein positives Bild unserer Stadt in die Welt zu transportieren. Köln soll dabei auch nachhaltig von der EM profitieren, vor allem als Wirtschaftsstandort. „Zum Vergleich: Bei der Basketball-Europameisterschaft 2022 erzielte Köln mit 63 Millionen Euro den zweithöchsten wirtschaftlichen Wert hinter dem Finalstandort Berlin.“ Profitiert haben insbesondere Beherbergung, Gastronomie, Tourismus, Mobilität und auch Handel. Zur Kostensteigerung beim Kölner EM-Rahmenprogramm sagt Voigtsberger: „So eine Veranstaltung ist natürlich nicht zum Nulltarif zu haben.“ Die Kostensteigerung sei nachvollziehbar und auch angemessen, besonders im Bereich der Sicherheitsdienstleistungen. „An der Stelle kann nicht gespart werden.“

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