Nach Silvesternacht 2015/16Ehemaliger Kölner Polizeichef Albers klagt vor OVG

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Wolfgang Albers

Münster – Sechs Jahre nach den Vorfällen in der Silvesternacht 2015/2016 auf der Kölner Domplatte beschäftigt sich das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) am Mittwoch (15.12.) mit der Versetzung des damaligen Polizeipräsidenten Wolfgang Albers in den einstweiligen Ruhestand. Die NRW-Landesregierung um Hannelore Kraft (SPD) hatte den Juristen nur wenige Tage nach den massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen und der Kritik am Polizeieinsatz abberufen.

Dagegen klagt Albers seit Jahren. In der Vorinstanz am Verwaltungsgericht Köln war der ehemalige Spitzenbeamte nicht erfolgreich. Jetzt schauen sich die obersten NRW-Verwaltungsrichter das Thema an. Dabei geht es um zwei juristische Ebenen. Albers beruft sich darauf, dass seine Entlassung nicht gerechtfertigt gewesen sei. Aber er wendet sich auch dagegen, dass Polizeipräsidenten in Nordrhein-Westfalen als politische Beamte geführt werden, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können. Hier sieht der Kläger einen Verstoß gegen die Verfassung.

Albers nach öffentlicher Empörung über Silvesternacht in Ruhestand versetzt

Zur Erinnerung: Albers war am 12. Januar 2016 in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden, noch nicht einmal zwei Wochen nach dem berüchtigten Jahreswechsel 2015/2016. Zu diesem Zeitpunkt war die Nacht rund um Dom und Kölner Hauptbahnhof noch längst nicht aufgearbeitet. Wie viele Frauen Opfer von sexueller Gewalt, Übergriffen und Diebstählen durch junge Männer mit ausländischem Hintergrund wurden, hat sich erst nach und nach herausgestellt. Die damalige Landesregierung von SPD und Grünen und Innenminister Ralf Jäger (SPD) standen direkt nach der Nacht, die bundesweit für Empörung gesorgt hatte, massiv unter Druck.

Fünf Jahre später war die strafrechtliche Aufarbeitung abgeschlossen. Es gab 1210 Strafanzeigen. 46 Menschen wurden angeklagt und 36 verurteilt. Dabei ging es auch um sexuelle Nötigung, verurteilt wurden für diesen Vorwurf am Ende aber nur zwei Männer. Die Nacht gilt für viele als Wendepunkt oder Ende der Willkommenskultur in Deutschland.

2018 hatte die Staatsanwaltschaft Aachen die Ermittlungen gegen Polizeibeamte eingestellt. Auch dem ehemaligen Polizeipräsidenten Albers konnte bei der Planung und Durchführung des Einsatzes keine strafbare Handlung nachgewiesen werden. Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses des NRW-Landtags hatte 2017 dagegen mangelnde Führung, Kooperation und Kommunikation bei der Polizei und anderen Behörden als Gründe aufgezeigt. Es seien Fehler bei der Landes-, aber auch Bundespolizei und den Kölner Ordnungsbehörden passiert.

Im Fall Albers geht es um Beamtenrecht

Im Fall Albers geht es jetzt vor dem OVG um Beamtenrecht und die spezielle Rolle von politischen Beamten. Die dürfen von Regierungen auf Schlüsselpositionen eingesetzt werden. Dazu zählen laut Landesgesetz auch die Posten der Regierungs- und Polizeipräsidenten. Und: Politische Beamte dürfen ohne Angaben von Gründen jederzeit in den Wartestand oder einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Darauf hat sich 2018 auch das Verwaltungsgericht Köln bezogen und Albers Klage abgewiesen. Das Land habe bei seiner Entscheidung großen Spielraum, nur Willkür dürfe keine Rolle spielen.

Der Deutsche Beamtenbund (DBB) verweist darauf, dass ein Beamter dem ganzen Volk dient, nicht einer Partei oder einer Person. Politische Beamte dagegen nehmen laut DBB eine Mittlerstelle zwischen Verwaltung und Politik ein. Allerdings sei der Kreis der Posten, die dafür infrage kommen, laut Gesetz sehr eng gefasst. Das betont auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner aktuellen Rechtsprechung.

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Und hier greift Albers die Regelungen mit seiner Klage in NRW an. Im bevölkerungsreichsten Bundesland gibt es in den kreisfreien Städten 18 Polizeipräsidenten. In den Kreisen übernehmen 29 politisch gewählte Landräte diese Aufgabe. Albers beklagt, dass die Ernennung von Polizeipräsidenten als politische Beamte in Nordrhein-Westfalen gegen das Grundgesetz verstoße. Polizeipräsidenten seien keine Berufspolitiker, sondern langjährig erfahrene Staatsbeamte, die ein Verhältnis auf Lebenszeit eingegangen seien. Auch dieser Sicht hatte sich das Verwaltungsgericht 2018 in der Vorinstanz nicht angeschlossen.

Sollte das Oberverwaltungsgericht in Münster anderer Meinung sein, müsste wohl das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheiden, so die Auskunft einer OVG-Sprecherin. Derzeit werden ähnliche Diskussion in Hessen (Besetzung Landeskriminalamt) und Niedersachsen (Polizeipräsident Göttingen) geführt. (dpa)

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