111 Jahre Allgemeiner Bürgerverein„Zollstock ist noch nicht fertig“
4 min
Drahtseile aus Zollstock: Die Pohligwerke prägten den Stadtteil. Heute stehen hier überwiegend Wohnungen.
Copyright: Bürgerverein
ANZEIGE
Zollstock – „Nur gemeinsam sind wir stark.“ Ein Leitspruch, der eigentlich für die gesamte Gesellschaft gilt, für den Allgemeinen Bürgerverein Zollstock aber zur Grundlage des Schaffens geworden ist. In diesem Jahr feiert der Verein sein 111-jähriges Bestehen, ein echt kölsches, wie die Zahl zeigt.
Es gibt viele Aktivitäten in diesem Jahr. Einer der Höhepunkte war zweifelsohne der offizielle Festakt in der Aula des örtlichen Berufskollegs. Viele Gäste sind gekommen, Politiker, Vertreter befreundeter Bürgervereine, die Oberbürgermeisterin Henriette Reker und der Geschäftsführer der IHK, Ulrich Soénius. Auch dies zeigt die Wertigkeit, die sich der Bürgerverein in den vielen Jahren seines Bestehens erarbeitet hat.
Volles Haus: Nicht nur bei der Ansprache vom Bürgervereinsvorsitzenden Ulrich Bauer hörten die Gäste genau hin.
Copyright: Wächter
Die Aula ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Als OB Reker das Wort ergreift, bemerkt sie erstaunt, wie viele bekannte Gesichter ihr an diesem Morgen begegnen. „Damit hätte ich gar nicht gerechnet“, gibt sie offen zu. Voll des Lobes sind ihre Worte für diese lange aktive Zeit des Bürgervereins.
Mitsprache sei wichtig und der Bürgerverein spricht mit, das hat er in der Vergangenheit mehrfach gezeigt.
111 Jahre sind eine lange Zeit. Damit ist der Bürgerverein der älteste im Bezirk. Vielleicht sei er sogar der älteste in der gesamten Stadt, überlegt Vorstandsmitglied Ute Heinemann. 700 Mitglieder zählt der Verein.
„Und es werden wöchentlich mehr“, sagt Heinemann freudestrahlend. Sie vermutet, dass es die stärkere Öffnung nach außen ist, die immer mehr Zollstocker Mitglieder werden lässt. Feste, Stammtische, all das sei offen für alle Zollstocker, betont sie. So wird es im Sommer ein großes Bürgerfest für alle im Rosenzweigpark geben und ein großes Konzert mit den Bläck Fööss im Berufskolleg.
Der Bürgerverein will sich auch stärker für die neu Hinzugezogenen öffnen. „Wir haben hier mittlerweile sehr viele Studenten im Ort, und immer mehr Familien kommen durch die neuen Wohngebiete hinzu“, sagt Heinemann. Auch deshalb sei der Verein verstärkt in den Sozialen Netzwerken aktiv.
Der Bürgerverein hat noch viel vor, will sich wappnen für die nächsten Jahrzehnte. Zollstock hat sich gewandelt und tut es noch. „Zollstock ist noch nicht fertig“, sagt Heinemann. Der Stadtteil hat sich verändert, nicht immer zum Guten. So bereitet dem Bürgerverein das derzeitige Geschäftssterben große Sorgen. Angefangen hat es mit der Schließung der Postfiliale am Gottesweg.
Termine
Weil sich viel verändert, noch Vieles im Fluss ist, hat der Bürgerverein immer ein offenes Ohr für die Bürger. Jeden Dienstag hält er zum Beispiel offene Sprechstunden, normalerweise in den eigenen Geschäftsräumen unweit des Höninger Weges.
Doch es gab einen Wasserschaden, so dass der Verein zurzeit im Gemeindehaus von St. Pius jeden Dienstag zwischen 16 und 18 Uhr zu finden ist. Gut besucht sind auch die regelmäßigen Stammtische im Zollstocker Hof. Der nächste findet am 16. Mai um 19 Uhr statt. Willkommen sind dabei auch immer Nicht-Mitglieder. (swa)
Hier hat sich der Bürgerverein maßgeblich für einen Erhalt eingesetzt – leider ohne Erfolg (die Rundschau berichtete). Grundsätzlich aber wolle man sich stärker einbringen, damit Zollstock wieder lebendiger und auch schöner werde. Dazu stehe man mit der Industrie- und Handelskammer in regem Austausch, erzählt Heinemann weiter.
Was der Verein mit seinem Engagement stemmen kann, hat nicht zuletzt die große Hilfsbereitschaft für den Zollstocker Dienstagszug gezeigt. So wollen sie auch künftig weitermachen. Solche Veranstaltungen zeigten immer wieder, dass im Ort ein starker Zusammenhalt vorhanden sei. Auch wenn Zollstock stark gewachsen sei.
Wie stark, fördert ein Blick in die Geschichte des Ortes zutage. Historische Bilder, die die Festschrift des Vereins zieren, führen allen noch einmal vor Augen, welchen Wandel der Ort bereits hinter sich hat. Einst ein eher ländlich geprägter Ort, siedelte sich Industrie an. Es gab eine große Ziegelei, heute ist dort die Siedlergemeinschaft ansässig.
Die Spuren der Industrialisierung waren unübersehbar: Ungesicherter Trümmer-Bahnbetrieb mitten durch das Wohngebiet.
Copyright: Bürgerverein
Am Gottesweg gab es eine Kiesgrube und die Pohligwerke, Hersteller von Drahtseilbahnen, prägten einen großen Teil des Ortes. Heute zeugen nur noch Straßennamen von diesen Existenzen. Es sind noch etliche Unternehmen mehr, die in der Festschrift des Vereins zu finden sind. Zu viele, um sie hier aufzuzählen.
Auch etliche Wohnungsbaugenossenschaften prägten zunehmend das Bild Zollstocks. Ab Mitte der 1920er Jahre errichteten Genossenschaften wie die Köln-Süd zahlreiche Häuserblocks, auch die GAG prägt einen großen Teil des architektonischen Bildes des Ortes, etwa entlang des Höninger Weges, aber auch am Rosenzweigpark.
Das Thema Wohnen griff auch OB Reker in ihrer Rede auf und betonte, dass noch viel zu tun sei in diesem Bereich. Und dass bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden müsse. Dabei sprach sie Entwicklungsgebiete wie die Parkstadt Süd, aber auch das von Zollstock weiter entfernt liegende Baugebiet Rondorf Nord-West an.
Es war eine würdige Veranstaltung für einen der ältesten, wenn nicht sogar den ältesten Bürgerverein dieser Stadt – der noch viel vorhat in den nächsten Jahren.