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Streik bei FordSo lief der erste Tag des Protestes bei Ford in Köln

Lesezeit 3 Minuten
Nichts ging mehr bei Ford am Mittwoch. Produktion, Verwaltung und Entwicklung waren lahm gelegt.

Nichts ging mehr bei Ford am Mittwoch. Produktion, Verwaltung und Entwicklung waren lahm gelegt. 

Ford-Kölner Belegschaft kämpft gegen Stellenstreichungen und Unsicherheiten. Unterstützt von Gewerkschaften, fordern sie klare, transparente Unternehmensstrategien. Unter den Fordlern kursieren indessen viele Gerüchte.

Als morgens um sechs die Frühschicht eintreffen sollte, waren einige Fordler schon längst am Werk. Allerdings nicht um vorzuarbeiten, sondern um etwaige Streikbrecher daran zu hindern, das Gelände im Kölner Norden zu betreten. Was angesichts eines traditionell sehr hohen Organisierungsgrades in der Industriegewerkschaft (IG) Metall und einer ebenso hohen Streikbereitschaft von weit über 90 Prozent in der Urabstimmung allerdings nur einige wenige versuchten – wenn, war es eher die gehobene Abteilung, die Zugang geltend machen wollte. So gut wie alle Bereiche waren zu, von der Produktion über die Verwaltung bis zur Entwicklung. Zum ersten Mal in dieser Form in der Geschichte Fords in Köln.

„Hier kommt keiner durch“, gab David Lüdtke, Vertrauenskörperleiter der IG Metall bei den Kölner Ford-Werken, als Losung für die Werkstore aus. Und die Losung zog – „wir sind kampfbereit“, war an allen Ecken und Enden zu hören. Einige machten ihrer Wut lauthals Luft, andere argumentierten mit etwas feinerer Klinge, die Botschaft aber war immer dieselbe: Es reicht. Die Belegschaft fordert eine glaubwürdige Perspektive für das Werk, einen tariflichen Sozialplan für den schlimmsten Fall einer Insolvenz sowie mehr Transparenz aus der Chefetage – „hier weiß doch niemand mehr, was wo entschieden wird“, empört sich ein langjähriger Mitarbeiter aus der Produktion.

Kämpferisch zeigten sich Belegschaft und Gewerkschafter vor dem Entwicklungszentrum an Tor 54.

Kämpferisch zeigten sich Belegschaft und Gewerkschafter vor dem Entwicklungszentrum an Tor 54.

Die zentrale Veranstaltung sollte dann um 12 Uhr vor dem Entwicklungszentrum stattfinden. Im ersten Moment glich das Gelände an Tor 54 einem fröhlichen Happening. Camping-Stühle auf der Werkzufahrt, Grillwurst und Getränke, Spiele und sogar Torwandschießen. Die Gespräche unter den mehreren hundert Teilnehmern aber waren alles andere als fröhlich, in die Empörung über Stellenstreichungen und fehlender Strategie mischte sich oft auch eine gewisse Ratlosigkeit und schlicht die Sorge vor der Zukunft. „An eine Insolvenz glauben eigentlich die wenigsten, dafür ist das Firmenkonstrukt zu komplex“, erklärt Abteilungsleiter Achim Maus. Aber man stehe vor einer strategischen Richtungsentscheidung. Zu welchem Zeitpunkt will man bei Ford welches Produkt auf den Markt bringen, welchen Weg künftig weiter gehen?

Immer neue Gerüchte um Ford in Köln

Auch wenn viele hier noch nicht das Ende des Kölner Werkes sehen, der Flurfunk brummt auf höchstem Niveau und spuckt immer neue Gerüchte aus. Über Schließungen, weitere Entlassungen, Lohnminderungen. Gerüchte, denen niemand mit echter Überzeugung entgegentritt. Das verunsichert die Menschen, die heute alle zusammenstehen. „Wir sind Ford“, wird immer wieder skandiert. Und auch wenn es niemand wirklich sagt, automatisch denkt man sich das „und ihr nicht“ aus den Fußballstadien hinzu.

Gesellschaftsspiele auf der Werkszufahrt. Kein Durchkommen für potenzielle Streikbrecher.

Gesellschaftsspiele auf der Werkszufahrt. Kein Durchkommen für potenzielle Streikbrecher.

Unterstützung bekamen die Fordler unter anderem aus den Reihen der Duisburger Thyssen-Krupp-Belegschaft, die eine große Abordnung nach Köln geschickt hatte. „Jahrelang haben wir die linke Wange hingehalten. Dann die rechte. Jetzt heißt es Auge um Auge, Zahn um Zahn“, gab man sich dort kämpferisch im Sinne einer gemeinsamen „Industrie-Front“ Stahl und Autobau. Aber auch Teile des VW-Betriebsrats waren vor Ort und gab Solidaritätsadressen, die Ford-Belegschaft aus Saarlouis hatte eine Abordnung gebildet, die Deutz AG, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Deutsche Gewerkschaftsbund und viele andere. Und nicht zuletzt Kölsch-Rocker Stephan Brings, der nicht nur ein sehr persönliches und sehr emotionales Statement abgab – sein Vater Rolly hatte wie so viele andere zunächst bei Ford Maschinenschlosser gelernt.

Brings brachte auch einen eigens für den Anlass komponierten Song mit: „Wenn der Alte das wüsste, was hier grad‘ passiert/ dann käm‘ er mit dem Knüppel aus Rhöndorf anmarschiert“, heißt es darin in Anspielung auf Konrad Adenauer. Er hatte einst 1930 Ford nach Köln geholt.