„Wir müssen uns nicht beleidigen lassen“Stadtrat debattiert in Aktueller Stunde über Angriffe auf Politiker und Einsatzkräfte

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Das Transparent in der Südkurve beim Spiel gegen Union Berlin.

Das Transparent in der Südkurve beim Spiel gegen Union Berlin.

Der Stadtrat Kölns diskutiert über eine Zunahme von Hass und Gewalt gegen Amtsträger und Helfende. Politische Vertreter fordern das Ausschöpfen von rechtlichen Rahmenbedingungen und setzen auf Bildung und strukturierte Jugendarbeit. 

Nach der Prügel-Attacke auf den Europaabgeordneten Matthias Ecke (SPD) in Dresden und dem sexistischen Schmähplakat von FC-Fans gegen Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Rheinenergie-Stadion hat der Stadtrat die „zunehmenden Bedrohungen und verbalen Entgleisungen gegenüber Amtsträgern, Ehrenamtlichen sowie Einsatz- und Rettungskräften“ im Rahmen einer Aktuellen Stunde debattiert. In Köln engagierten sich Hunderttausende zum Wohle der Stadt, sagte Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Lino Hammer. „Um so härter ist es zu ertragen, dass dieses ehrenamtliche Engagement manchmal sogar wortwörtlich mit Füßen getreten wird.“ Man erlebe Angriffe auf Wahlkämpfer, ertrage „Schmähungen und Beleidigungen online in den sozialen Netzwerken und offline auf der Straße. Beschimpfungen, die oft unter die Gürtellinie gehen, scheinen inzwischen zum alltäglichen Umgangston zu gehören. Doch das dürfen, wollen, werden wir nicht hinnehmen“, so Hammer.

Rechtlichen Rahmen  konsequenter ausschöpfen

Man befasse sich mit einem „sehr, sehr traurigen Thema“, nämlich „Hass und Gewalt“, die sich zunehmend ausgebreitet hätten, sagte CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau. „Es gilt, dass die Demokraten zusammenstehen müssen, um gemeinsam darauf Antworten zu geben.“ Wer sich für die Gesellschaft engagiere, „der muss geschützt werden und der verdient vor allen Dingen Respekt“. Die strafrechtlichen Rahmenbedingungen seien alle da. „Wir müssen sie aber auch noch härter entsprechend anwenden.“

SPD-Fraktionschef Christian Joisten erinnerte an schwere Attacken auf Politiker, darunter den Messerangriff auf OB Reker 2015 und den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke 2019. Er sprach auch über die rund 80.000 Angriffe auf Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst im Jahr 2022 sowie tödliche Angriffe auf Behördenmitarbeiter. Das seien keine regionalen Phänomene, so Joisten. Die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung habe gezeigt, dass „die Billigung von rechtsextremen Positionen in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist“. 13 Prozent der Befragten sähen Gewalt als legitimes Mittel, um eigene Interessen durchzusetzen. Bildung und starke Strukturen im Jugendbereich und im Sport seien der Schlüssel, um dieser Problematik entgegen zu treten.

Alles zum Thema Henriette Reker

Heiner Kockerbeck (Linke) sagte, durch Gewalttaten, Pöbeleien und Bedrohungen sei der gesellschaftliche Zusammenhalt bedroht. „Diese Verrohung des Umgangs in unserer Gesellschaft fällt nicht vom Himmel.“ Erst verschiebe sich der Rahmen dessen, was an Herabwürdigendem gesagt werden dürfe. „Dann folgen Taten.“ Explizit kritisierte er auch, dass Wokeness und Gendersprache lächerlich gemacht würden. Man wolle eine „respektvolle und gewaltfreie Kommunikation“.

Kinder früher zum Plakatieren mitgenommen – jetzt nicht mehr

Chantal Schalla (FDP) sagte, täglich würden im Schnitt sieben bis acht Taten gegen politisch Engagierte zur Anzeige gebracht. Sie betonte: „Kein Sanitäter muss sich beim Leben retten tätlich angreifen lassen, kein Plakatierer muss sich krankenhausreif schlagen lassen. Und wir müssen uns in den nächsten Wochen auch nicht an den Wahlkampfständen beleidigen lassen. Und ganz klar sollten wir nicht tatenlos zusehen, wenn Fußballfans unsere OB sexistisch diffamieren.“

Volt-Fraktionschefin Jennifer Glashagen erzählte: „Und dann ist da meine Mama, die mich anruft und mich bittet, beim nächsten Mal nicht mehr anzutreten.“ Beim Plakatieren lasse sie ihre Kinder inzwischen zu Hause, zu deren Sicherheit. „Früher habe ich sie mitgenommen.“ Zum Schluss ihrer Rede betonte Glashagen: „Geht wählen, keine Neonazis, nicht die AfD, denn die zersetzt die Demokratie.“

Der Fraktionsgeschäftsführer der AfD, Matthias Büschges, nannte die Debatte „sehr wichtig und längst überfällig“. Die AfD sei „gegen jede Gewalt, ob mit dem Wort oder der Tat“. Er berichtete, AfD-Mitglieder seien zahllosen Beleidigungen, Bedrohungen und Attacken ausgesetzt. „Es ist purer Hass uns gegenüber. Obwohl Sie aber meinen, gegen Hass und Hetze auf die Straße zu gehen.“

Inga Feuser (Klimafreunde) konterte, die AfD betreibe eine Täter-Opfer-Umkehr. Es lasse sich eindeutig nachvollziehen, auf wen die Verrohung des politischen Diskurses in Deutschland zurückgehe. „Die Einschüchterung aller Demokraten ist Programm und Ziel des Neofaschismus.“

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