Der US-amerikanische Autor Ocean Vuong stellt in Köln im Rahmen der lit.COlogne-Spezial seinen Erfolgsroman „Der Kaiser der Freude“ vor.
Ocean Vuong in Köln„Mein Queersein war das größte Geschenk meines Lebens“

Ocean Vuong (M.) mit Moderator Senthuran Varatharajah (l.) und Schauspieler Florian Busch
Copyright: Katja Tauber
Nein, Small Talk ist seine Sache nicht. Selbst, wenn Ocean Vuong seiner Lesung im WDR Sendesaal davon erzählt, dass er mit 18 schon einmal in Köln war, als er als Backpacker Europa bereist habe, ist er schnell wieder bei ernsten Themen.
„Ich habe mir niemals vorstellen können, dass meine Arbeiten jemals übersetzt würden. Und es ist eine wunderbare Erfahrung zu sehen, dass Übersetzungen Landesgrenzen so leicht überwinden können - anders als Menschen.“ Und so wird aus einer Danksagung an das Publikum dieser lit.Cologne-Spezial-Veranstaltung per Nebensatz ein politisches Statement.
Lässiges Outfit
Fast unscheinbar wirkt der 36-Jährige: Buntes T-Shirt, darunter ein langärmeliges weißes, eine locker sitzende Jeans, schwarze Sneaker. Optisch eher Student als Professor (er unterrichtet Kreatives Schreiben in New York) oder Erfolgsautor, der in Köln ist, um über seinen aktuellen Roman „Der Kaiser der Freude“ (Hanser, 528 S., 27 Euro) zu sprechen. Darin erzählt er die Geschichte eines jungen Mannes, den eine ältere Frau vom Selbstmord abhält und der im Gegenzug zu ihrem Beschützer wird.
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Und Vuong hat viel zu sagen. Jede Antwort auf die Fragen von Moderator Senthuran Varatharajah gerät zu einem langen Monolog, für Erklärungen holt er weit aus, ohne aber ins Schwafeln zu geraten. Dennoch streicht Varatharajah irgendwann die Segel und verzichtet auf zusammenfassende Übersetzungen. Die scheinen, wenn man das an den Reaktionen im praktisch ausverkauften Saal abliest, auch nicht notwendig zu sein.
Der Wunsch, ein Mönch zu werden
Vuong spricht darüber, warum er mit 15 buddhistischer Mönch werden wollte: um das Leiden zu verstehen, womit er die „Opioid-Epidemie“ in den USA seinerzeit meint, ein „pharmazeutisches Schlachten“, „eine Plage, die über uns hinweg gefegt ist“ und der „nicht nur Freunde, sondern auch Lehrer, Mütter oder Frauen in der Mensa“ zum Opfer gefallen seien.
Seine Beratungslehrerin habe ihm aber vom Besuch des buddhistischen College abgeraten, da es noch nicht staatlich anerkannt gewesen sei. Er landete in einem Community-College (einer Einrichtung mit niedrigen Studiengebühren) und in der Klasse einer Professorin, die ihnen eine Leseliste mit Foucault, Derrida, James Baldwin oder Hannah Arendt gab.
Von Hegel bis „Dragon Ball Z“
Bei Ocean Vuong sorgte sie für eine Grundlage, die ihn im Laufe des Gesprächs in Köln Heidegger, Hegel oder Walter Benjamin zitieren lässt. Ihn aber gleichzeitig auch von der griechischen Poetik über Sonette zur japanischen Animeserie „Dragon Ball Z“ bringt.
Ohne dass er explizit wird, kann man aus Vuongs Erzählungen die autobiografischen Details im „Kaiser der Freude“ entnehmen. „Die Droge meiner Wahl hat es für mich leichter gemacht, abstinent zu werden“, Heroin habe bei ihm nicht funktioniert, er habe Aufputschmittel vorgezogen wie auch sein Protagonist Hai.
Queerness als Geschenk
Und auch wie Hai habe er seiner Mutter nie gestanden, dass er das Wirtschaftsstudium nach zwei Monaten geschmissen habe. „Ich habe ihr zwar später meinen Abschluss in Literatur gezeigt und als Wirtschaftsdiplom verkauft“, und weil die Mutter, die vor einigen Jahren gestorben ist, Analphabetin gewesen sei, sei er damit durchgekommen.
Das Wirtschaftsstudium habe er seinerzeit angefangen, weil er dachte, er könne so leichter Geld verdienen und seine Familie unterstützen, seiner Kunst würde er sich dann später widmen. Sein Queersein habe ihm den Mut gegeben, diesen Pfad, den etwa seine heterosexuellen Verwandten und Freunde beschritten hätten, zu verlasssen. „So war mein Queersein das größte Geschenk meines Lebens.“