Der Bundeskanzler im FokusCum-Ex-Affäre: Stolpert Olaf Scholz noch?

Lesezeit 5 Minuten
Scholz_cumex_1

Zur Rolle von Olaf Scholz im Cum-Ex-Skandal stehen noch Fragen im Raum.

Berlin – Sie ist einer der größten Finanzskandale der deutschen Geschichte: die Cum-Ex-Affäre. Immer wieder steht auch der einstige Hamburger Bürgermeister, Ex-Finanzminister und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz im Fokus. Wird er im U-Ausschuss bei seiner Version bleiben? Gab es beim Verzicht auf die Rückforderung von Steuergeldern von der Warburg Bank eine politische Einflussnahme? Es ist die entscheidende Frage in der Affäre um die Cum-Ex-Geschäfte, die an Bundeskanzler Olaf Scholz klebt wie ein Kaugummi an der Schuhsohle. Nun steht dem SPD-Regierungschef eine erneute Befragung bevor. Hier die Hintergründe im Überblick.

Was bei der erneuten Befragung am morgigen Freitag zu erwarten ist

Der Hamburger Untersuchungsausschuss geht seit zweieinhalb Jahren der Frage nach, ob der damalige Bürgermeister Olaf Scholz seinen Einfluss geltend machte, um eine Verjährung von Steuerzahlungen der Hamburger Warburg Bank zu erreichen. Die Traditionsbank war in die Cum-Ex-Geschäfte verwickelt, bei denen Banken den Staat austricksten – und Milliarden von Steuern erstattet bekamen, die sie nie gezahlt hatten.

36 Milliarden Euro

36 Milliarden Euro sind den deutschen Finanzämtern wahrscheinlich durch die Cum-Ex-Geschäfte entgangen. Das hatte der Steuer-Fachmann Christoph Spengel von der Uni Mannheim voriges Jahr berechnet. Nach Recherchen des ARD-Magazins „Panorama“ beläuft sich die Summe weltweit auf 150 Milliarden Euro. (EB)

Alles zum Thema Olaf Scholz

Was meinen Sie? Hat Olaf Scholz sich in der Cum-Ex-Affäre falsch verhalten? Bitte schreiben Sie uns: dialog@kr-redaktion.de oder Kölnische Rundschau, Leserbriefe, Postfach 102145, 50461 Köln.

Die Hamburger Finanzbehörde verzichtete allerdings 2016 auf eine Steuerrückzahlung der Warburg Bank in Höhe von 47 Millionen Euro. Diese wurde erst später geleistet, nachdem das Bundesfinanzministerium 2017 auf der Rückzahlung bestanden hatte.

Erwiesen ist, dass es kurz vor der Entscheidung des Finanzamtes 2016 mehrere Treffen zwischen Scholz und Warburg-Miteigner Christian Olearius gegeben hat, was Scholz zunächst verneint hatte. Nachgewiesen wurde auch, dass Scholz Olearius aufgefordert haben soll, sein Anliegen schriftlich an den damaligen Finanzsenator und heutigen Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (ebenfalls SPD) zu richten. Kurz darauf verzichtet die Finanzbehörde auf die Millionen-Rückzahlung.

Ermittler durchsuchen Mails von Scholz’ Büroleiterin

Im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Skandal sind einem Medienbericht zufolge die E-Mails der Büroleiterin von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Jeanette Schwamberger, durchsucht worden. Die Ermittler hätten das Postfach im April dieses Jahres beschlagnahmt, berichteten NDR, „Stern“ und „Manager Magazin“ am Mittwoch unter Berufung auf ihnen vorliegende Unterlagen. Der entsprechende Durchsuchungsbeschluss stamme vom Amtsgericht Köln. In dem Beschluss heißt es, es gehe um die Zeit, als Scholz Bundesfinanzminister war. Schwamberger war auch damals seine Büroleiterin. Laut Bericht stießen die Ermittler auf eine Mail, die Schwamberger im April 2021 verfasste. In der Bewertung der Staatsanwaltschaft heißt es laut Bericht dazu und zu weiteren Nachrichten: „Die (...) Kalendereinträge und Mails sind potenziell beweiserheblich, da sie auf Überlegungen zum Löschen von Daten schließen lassen.“ (afp)

Der Verdacht, dass es einen Zusammenhang gibt und Scholz und Tschentscher die Warburg-Bank vor der Pleite bewahren wollten, scheint plausibel. Allein: Beweise gibt es dafür bisher nicht. Olaf Scholz reagierte in Berlin jüngst unwirsch auf weitere Nachfragen zu dem Thema. Seit zweieinhalb Jahren werde ermittelt, Scholz sagt: „Es gibt kein einziges Indiz für eine Einflussnahme durch politische Entscheidungsträger.“ Und dabei werde es auch bleiben.

Es gibt bisher vor allem Indizien, aber keine Beweise

Morgen wird Scholz erneut zu den Treffen befragt werden – aber auch zu neuen Erkenntnissen. Nach Berichten von „Stern“ und „Manager Magazin“ soll Scholz bei zwei Sitzungen des Bundestagsfinanzausschusses widersprüchliche Aussagen zu Treffen mit Olearius gemacht haben. Die Medien beriefen sich dabei auf das Protokoll einer Sitzung des Bundestagsfinanzausschusses im Juli 2020. Scholz war damals Bundesfinanzminister. Beweise gibt es bislang nicht, Indizien allerdings schon, sagen langjährige Beobachter der Ermittlungen. Scholz musste die Treffen mit Olearius in seinem Büro zwar einräumen, will sich aber an keinerlei Details erinnern.

Was von der Sitzung des Ausschusses zu erwarten ist

Selbst wenn Scholz bei der vermutlich mehrstündigen Sitzung des Untersuchungsausschusses bei seiner Darstellung bleiben wird: Die Glaubwürdigkeit leidet, wenn der sonst über ein ausgezeichnetes Gedächtnis verfügende Regierungschef plötzlich Gedächtnislücken hat, wo es um die Existenz eines der wichtigsten privaten Bankhäuser Hamburgs ging. Für den Journalisten Oliver Schröm, dessen Buch „Die Akte Scholz“ demnächst veröffentlich wird, steht fest: „Der Fall wirft einen Schatten auf seine gesamte Kanzlerschaft.“

Wie es in der Aufarbeitung des Skandals weitergeht

Auch wenn der Hamburger Untersuchungsausschuss keine Beweise zutage fördert, ist die Sache für Scholz nicht ausgestanden. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung unter anderem gegen den früheren Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, den früheren Zweiten Bürgermeister Alfons Pawelczyk und die für den Fall zuständige Finanzbeamtin. Die Finanzbeamtin schrieb etwa nach der Warburg-Entscheidung über die Verjährung der Steuerschuld an eine Kollegin, dass ihr „teuflischer Plan“ aufgegangen sei. Wenn in dem Verfahren auch nur die geringste Spur entdeckt wird, die eine Einmischung von Scholz belegen könnte, hätte er ein großes Problem.

Das könnte Sie auch interessieren:

Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) hält die Sache nicht für ausgestanden. „Der Kanzler erweckt einen falschen Eindruck, wenn er erklärt, dass es nach zweieinhalb Jahren Recherchen ,keinen einzigen Hinweis‘ gebe, dass eine Einflussnahme der Politik auf die Entscheidung gegeben habe. Im Gegenteil mehren sich allein in den letzten Tagen die Indizien, die eine politische Einflussnahme im Skandal um die Hamburger Warburg Bank nahelegen“, sagt er. Fest steht: Scholz wird das Thema so schnell nicht los. (mit dpa)

Nachtmodus
Rundschau abonnieren