Interview mit Wolfgang KubickiGehen die AKW im April wirklich vom Netz?

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Kubicki im Bundestag

Wolfgang Kubicki (FDP) 

Kaum hat Olaf Scholz ein Machtwort im Atomstreit gesprochen, stellt FDP-Vize Wolfgang Kubicki neue Forderungen in den Raum. Das Ausstiegsdatum 15. April nächsten Jahres sei keinesfalls unumstößlich, sagt er im Interview mit Rena Lehmann. Droht in der Ampel-Koalition neuer Streit?

Herr Kubicki, auch das Kernkraftwerk Emsland wird nun bis zum 15. April am Netz bleiben. Sichert das die Energieversorgung über den Winter?

Das erste Etappenziel ist damit erreicht. Ich bin sicher, wir werden im Frühjahr nächsten Jahres neu diskutieren. Wenn sich herausstellen sollte, dass wir die Kernkraftwerke weiterhin brauchen, dann wird der 15. April 2023 nicht das Enddatum der Kernkraft in Deutschland sein. Wenn wir sie brauchen, müssen sie weiterlaufen, wenn nicht, dann sollen sie auch vom Netz.

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Also werden wir im nächsten Frühjahr den gleichen Streit zwischen FDP und Grünen noch einmal erleben wie in den vergangenen Wochen?

Wir haben mit den Grünen keinen Konflikt. Wir haben immer darauf hingewiesen, was wir für wirtschaftlich und politisch notwendig erachten. Die Grünen haben ihre energiepolitische Position mehr oder weniger professionell untermauert. Der Kanzler hat nun Stellung bezogen. Stellt sich im Frühjahr heraus, dass wir die Kernkraft für die Preis- und Netzstabilität brauchen, dann wird eine Mehrheit im deutschen Bundestag die Laufzeit um ein Jahr verlängern. Aber das ist kein Kampf, den wir heute ausfechten müssen.

Die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann hat erklärt, dass der Atomausstieg zum 15. April 2023 nun besiegelt ist.

Das ist schön, aber im Atomgesetz steht im Augenblick noch das Datum 31. Dezember 2022. Gesetze haben es so an sich, dass sie jederzeit geändert werden können.

Die Union kritisiert, das Machtwort des Kanzlers in der Frage zeige die Ohnmacht der Ampel-Koalition. Ist das eine richtige Beobachtung?

Bisher galt für mich, dass es Machtworte in einer Koalition eigentlich nicht geben kann, weil die Partner sich verständigen müssen. Deshalb bin ich völlig überrascht, dass die Grünen es akzeptieren, dass ihnen mit einem Machtwort des Kanzlers jegliche Gestaltungsmöglichkeit genommen wird. Wenn das Schule macht, dann brauchen wir nur noch den Bundeskanzler und müssen seine Vorstellungen eins zu eins umsetzen. So kann es nicht laufen.

Kabinett gibt grünes Licht für den Weiterbetrieb

Das Bundeskabinett hat nach dem Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Weiterbetrieb der verbliebenen drei Atomkraftwerke bis zum 15. April auf den Weg gebracht. Die Minister billigten am Mittwoch in Berlin die dafür nötige Änderung des Atomgesetzes in „maximal vier Minuten“, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Anschluss sagte. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte: „Es gab keine Diskussion über den Gesetzentwurf.“ Nun ist der Bundestag am Zug, der in der zweiten Novemberwoche zustimmen könnte. Der Bundesrat könnte sich Ende November oder noch etwas früher in mit den Plänen befassen.

Der Gesetzentwurf ermögliche, dass die Kraftwerke bis Mitte April „noch einen gewissen Beitrag für die Stabilität der Stromversorgung“ leisten könnten, sagte Lemke. „Danach endet diese Erlaubnis.“ Sie gelte auch nur für die noch in den Anlagen befindlichen Brennelemente. „Auch das ist im Gesetzentwurf niedergelegt.“ (dpa)

Aber eine Einigung wurde über Wochen nicht erzielt…

Trotzdem braucht es für die Entscheidung eine Mehrheit im Deutschen Bundestag. Ich bin gespannt, wie sich die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen im Bundestag verhält: ob die Abgeordneten sich an ihren Parteitagsbeschluss gebunden fühlen oder an Machtworte des Kanzlers. Der Deutsche Bundestag ist nicht Vollzugsorgan der Bundesregierung. Es wird eine sehr spannende Woche.

Wann muss entschieden werden?

Es muss jetzt schnell gehen, am besten in dieser Woche. Die Kraftwerksbetreiber brauchen endlich Planungssicherheit. Spätestens in der nächsten Sitzungswoche im November wird der Bundestag abstimmen müssen.

Haben Sie nach den letzten Wochen und den FDP-Wahlergebnissen in den Ländern noch den Eindruck, dass Sie in der richtigen Koalition sind?

Wenn wir diesen Eindruck nicht hätten, würden wir die Koalition verlassen. Es hat sich energiepolitische Vernunft durchgesetzt. Die kalte Progression wird abgemildert. Wir haben keine Impfpflicht bekommen, die ja mittlerweile europaweit als völlig sinnlos eingestuft wird. Es gibt weitere Highlights, die darauf hindeuten, dass die Mitwirkung der FDP in dieser Koalition sinnvoll ist.

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