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Chef-Einkäuferin der Bundeswehr„Die Firmen liefern immer zu spät“

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Teuer und komplex: Nicht nur beim Schützenpanzer Puma kam es zuletzt zu mitunter kostspieligen Defekten und Verzögerungen beim Bau.

Teuer und komplex: Nicht nur beim Schützenpanzer Puma kam es zuletzt zu mitunter kostspieligen Defekten und Verzögerungen beim Bau. 

Die Chef-Einkäuferin sieht vor allem Probleme bei der deutschen Rüstungsindustrie. Doch angesichts der Vorgaben fehlen oft Alternativen zu den einheimischen Firmen. Auch die Zusammenarbeit mit europäischen Partnern gestaltet sich oft schwierig.

Schnell wird an diesem Abend klar, dass hier keine „Kuschelkurs-Veranstaltung“ angedacht ist. „Wir haben die Chefin von dem Laden hier, in dem nichts funktioniert“, stellt Falko Droßmann seinen Gast vor einer Handvoll Sozialdemokraten und Besuchern vor. Bei dem Format „Arbeitskreis Zeitenwende“ diskutiert die SPD Hamburg seit 2023 mit Gästen regelmäßig über sie Sicherheitslage in Deutschland und der Welt. Droßmann, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD aus Hamburg, hat dieses Mal einen der wichtigsten Menschen für die Aufrüstung der Bundeswehr geladen: Annette Lehnigk-Emden.

Annette Lehnigk-Emden: Neue Chefin der Bundeswehrbeschaffung

Seit 2023 ist die Juristin Präsidentin des Beschaffungsamtes der Bundeswehr. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte sie für diese Schlüsselposition benannt. Klarer Auftrag: Die Aufrüstung der Truppe, der Kauf von Waffen, muss angesichts der möglichen Bedrohung durch Russland deutlich schneller erfolgen.

Im Jahr 2025 ist der Bedarf der Bundeswehr immer noch riesig: Ob Drohnen, Luftabwehr oder Munition – es fehlt an vielem. Bis 2028 soll das alles bei der Truppe sein. Ob das klappt? Diese Frage stellt auch Droßmann. Und Lehnigk-Emden betont zunächst die eigenen Erfolge. Rund 12.000 Verträge mit mehreren Milliarden Euro Auftragswert seien in den vergangenen zwei Jahren geschlossen worden: von kleinen Verbrauchsmaterialien über Uniformen bis hin zu großen Waffensystemen.

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Langsame Beschaffungsprozesse: Ein Problem der Bürokratie

Völlig bereinigt ist der Ruf des Beschaffungsamtes damit aber nicht. Schon der offizielle Name „Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr“ (BAAINBw) klingt nach gediegener Langsamkeit und Bürokratie. Von SPD-Verteidigungsexperte Droßmann auf eine durchschnittliche Verspätung von rund zwei Jahren bei Beschaffungsvorhaben angesprochen, holt Lehnigk-Emden zum Rundumschlag aus: Schwierigkeiten machten vor allem wenige Großprojekte. Vorhaben, „bei denen die Firmen nach der Auftragsvergabe feststellen, dass sie gar nicht die nötigen Kapazitäten haben.“ In bemerkenswerter Offenheit räumt sie ein, dass es eben nur wenige Unternehmen in Deutschland gebe, die man etwa mit militärischem Schiffsbau beauftragen könnte. „Die Firmen liefern immer zu spät. Aber was soll ich tun? Die Aufträge nach Polen oder Südkorea geben?“, fragt sie.

Wertschöpfung bleiben im Land: Eine Herausforderung

Man wolle doch, dass die Wertschöpfung der teuren Aufträge im Land bleibe. Dazu kommt, dass etwa der Bau von Marineschiffen als nationale Schlüsseltechnologie nicht EU-weit ausgeschrieben werden muss. Das schränkt die Zahl der Anbieter ein, wie die Marine etwa bei ihren Spionagebooten feststellte, für deren Bau 2023 nur die Lürssen-Werft aus Bremen infrage kam – mitsamt einem auffällig hohen Kaufpreis von 700 Millionen Euro pro Schiff.

Solch konkrete Beispiele zu aktuellen Vorhaben nennt Lehnigk-Emden in der Hamburger Rathaus-Passage aber nur selten. Doch es brauche aktuell vor allem Masse, und dass die Rüstungsindustrie das nicht überall sofort hinbekomme, sei auch klar. „Wir haben sie in den letzten Jahrzehnten ja auch nicht gebraucht.“

Der Puma-Panzer: Ein Pannensystem sorgt für Frustration

Stattdessen sei in dieser Zeit der Schützenpanzer „Puma“ entwickelt worden. Ein schon berüchtigtes milliardenschweres Pannen-System, von dem irgendwann 350 Stück im deutschen Heer fahren sollen. Der Puma wurde bundesweit unter anderem bekannt, weil bei einer Übung mehrere Fahrzeuge ausfielen und nur wenige Spezialisten die Panzer reparieren können. Die „BAAINBw“-Präsidentin Lehnigk-Emden stand dem ersten voll digitalisierten Gefährt offenbar ebenfalls skeptisch gegenüber. Sie sei „ein bisschen lost“ gewesen, als man ihr das Gefährt zeigte.

Denn falle der Puma-Motor aus, brauche der ganze Panzer sieben Minuten, um wieder hochzufahren. „Aber einen Hebel, um auf eine manuelle Schaltung umschalten und bei Gefahr schnell den Rückwärtsgang einzulegen, gab es nicht“, erzählt Lehnigk-Emden zu den Fallstricken bei dem Projekt.

Dieses Problem sei mittlerweile beseitigt. Das nächste große Panzer-Projekt der Bundeswehr könnte wohl ebenfalls Probleme bereiten. Das Main Ground Combat System (MGCS), Nachfolger vom Leopard 2, entwickeln Deutschland und Frankreich zusammen – mit allen Hürden, die so eine Zusammenarbeit mit sich bringen kann.

Deutsch-französische Zusammenarbeit unter der Lupe

„Die Franzosen wollen alle unsere Nutzungsrechte, aber uns keine geben“, fasst Lehnigk-Emden die Streitpunkte des Projektes zusammen. Schon vor Jahren sollen sich die Länder schwergetan haben, die Produktion der einzelnen Bauteile des neuen Super-Panzers auf deutsche und französische Rüstungsunternehmen zu verteilen.

Bei aller Kritik zeigt sich die Amtspräsidentin überzeugt, dass Industrie und Politik die Bundeswehr wie versprochen pünktlich aufrüsten werden. Dabei setzt sie nach wie vor auf die Amerikaner. „Die waren bislang immer zuverlässig“. Auch nach der zweiten Amtsübernahme Donald Trumps. Ohne die Waffensysteme aus den USA sei eine Verteidigung Deutschlands und Europas kaum möglich. „Dann hätten wir richtig viel zu tun.“ Systeme, wie das Tarnkappenflugzeug F35, das Patriot-System zur Raketenabwehr oder auch der große Transporthubschrauber „Chinook“ gebe es so in Europa noch gar nicht, werden aber in den Armeen benötigt.

Sorgen, dass die USA etwa die F-35-Flugzeuge aus der Entfernung abschalten könnten, wischt Lehnigk-Emden zur Seite. So etwas gebe es nicht. Was hingegen passieren könnte – so unwahrscheinlich es ist – sei, dass die Bundeswehr keine Software-Updates mehr für die Flugzeuge bekommt. Doch dafür gebe es keine Anhaltspunkte, so die Juristin.