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Kirchenrechtler im Interview"Ich will Bischöfe und Priester entmächtigen"

Lesezeit 4 Minuten
Thomas Schüller steht vor einer Kirche.

Thomas Schüller, Theologe und Kirchenrechtler aus Münster.

Diakonenweihe für Frauen, katholische Segnungen für Homosexuelle - das Reformprojekt Synodaler Weg hat eine Reihe von Beschlüssen gefasst. Aber können sie überhaupt umgesetzt werden? 

Herr Professor Schüller, der Synodale Weg hat seine letzte Versammlung gehalten, aber in einem Synodalen Ausschuss soll die Arbeit weitergehen. Sie sind zum Mitglied gewählt worden. Darf man wirklich gratulieren?

Doch, ja. Ich habe mich ja nicht darum beworben, bin aber von vielen Leuten vorgeschlagen worden und jetzt in diesem Ausschuss der einzige, der nicht aus dem katholischen Establishment, also etwa aus dem Episkopat oder den Laiengremien, kommt. Ich habe mir gesagt, ich bin meiner Kirche ja tief verbunden, und da darf ich nicht immer nur kritisieren, sondern wenn man glaubt, meine Expertise in Anspruch nehmen zu müssen, dann stelle ich mich zur Verfügung.

Ihr Bonner Kollege Norbert Lüdecke hält das alles für eine große Täuschung, Vorspielen von Partizipation.

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Rechtlich ist alles, was wir beschließen konnten, ein Nullum.

Rechtlich ist alles, was wir beschließen konnten und können, ein Nullum. Es ist unverbindlich. Das habe ich am Anfang des Synodalen Weges gesagt, davon habe ich nichts zurückzunehmen. Lüdecke dekonstruiert die ganze Geschichte entsprechend scharfzüngig. Ich sehe meine Aufgabe etwas anders. Ich bin kritisch, aber ich bin Teil der Kirche, und deshalb begleite ich diesen Weg – vor allem auch im Interesse der Opfer sexualisierter Gewalt, denn um die geht es doch in jeder Beziehung. Und: Auch durch eine unverbindliche Beratung und Entscheidung entstehen Realitäten. Deshalb ist man in Rom ja so alarmiert. Der Vatikan würde nicht so scharf intervenieren, wenn hier nicht etwas geschähe, was auch weltweit wahrgenommen wird.

Rom hat aber sehr eindeutig die Bildung Synodaler Räte untersagt. Die sollte Ihr Ausschuss vorbereiten. Welche Chancen haben Sie da?

Mit römischer Zustimmung existieren in Deutschland seit über 100 Jahren demokratisch gewählte Gremien zur kirchlichen Vermögensverwaltung. Rom hat auch dem Schweizer System mit seinen demokratisch organisierten katholischen Landeskirchen zugestimmt. Die römische Intervention entspricht also nicht der eigenen Entscheidungspraxis. Im Bistum Limburg fallen Entscheidungen schon seit 1969 so, wie der Synodale Weg sich das bundesweit vorstellt. Auch in Rottenburg-Stuttgart ist das längst Realität. Ich bin allerdings sehr enttäuscht darüber, dass die Frage, ob es überhaupt einen dauerhaften Synodalen Rat geben soll, jetzt an den Ausschuss delegiert wurde, anstatt in Frankfurt darüber abzustimmen. Es hätte wohl keine Zweidrittelmehrheit der Bischöfe dafür gegeben. Schade! Die Bischöfe haben sich in vielen Fragen bewegt, aber sie wollen nicht von ihrer Macht lassen. Und Macht in Klerikerhänden ohne Möglichkeit, die Entscheidungen zu überprüfen, das ist eine zentrale Ursache für das Auftreten sexualisierter Gewalt. Ich will nicht Bischöfe und Priester abschaffen. Sie gehören zur katholischen Identität. Aber ich möchte sie entmächtigen, damit sie wieder geistlich mächtig werden. Sie klammern sich an ihre formale Macht, aber geistlich überleben sie nicht.

Wenn Rom den Diakonat der Frau durchgehen ließe, wären Priesterinnen und Bischöfinnen der nächste Schritt.

Hat die Diakonenweihe von Frauen überhaupt eine Chance?

Darüber ist schon vor 40 Jahren diskutiert worden, und es ist traurig zu sehen, dass man erst jetzt wieder darum bitten darf, so etwas zu prüfen. Kirchenpolitisch ist die Beschränkung auf die Diakonenweihe sicher der realistischste Weg. Aber man darf nicht vergessen, dass es theologisch nur ein Weiheamt gibt in drei Stufen, Diakon, Priester und Bischof. Wenn Rom den Diakonat der Frau durchgehen ließe, wären Priesterinnen und Bischöfinnen der nächste Schritt. Wer A sagt, muss auch B und C sagen, und deshalb wird man in Rom nicht A sagen.

Wie groß sind die Chancen, dass die Empfehlung zu Segensfeiern für Homosexuelle umgesetzt wird?

Es gibt sie zuhauf in einer Grauzone, und sie werden jetzt aus dieser Grauzone herausgeholt. Es gibt künftig ein Formular, wie so etwas auszusehen hat, statt der bisherigen Geländespiele. Das begrüße ich sehr. Paare, die so einen Segen möchten, müssen nicht mehr als Bittsteller auftreten. Und Seelsorgerinnen und Seelsorger, die so etwas manchen, müssen keine Konsequenzen mehr fürchten.

Das Nein von Rolf Steinhäuser zu den Segensfeiern macht mich sehr nachdenklich.

Und wie haben Sie das Abstimmungsverhalten der Kölner Bischöfe erlebt?

Es spiegelt die ganze Bandbreite der Meinungen wider. Wir haben Weihbischof Dominikus Schwaderlapp, der nur das Nein kennt, aber nicht das Ja Gottes zu Menschen. Differenzierter dann Ansgar Puff, der zu manchen Dingen Nein und zu anderen Ja sagt. Überrascht hat mich Rainer Maria Kardinal Woelki, der das neue kirchliche Arbeitsrecht – also keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen für wieder verheiratete Geschiedene oder Homosexuelle mehr – ja maßgeblich beeinflusst hat und hier dann auch mit Ja gestimmt hat. Bei Punkten, wo es um die Macht geht, hat er allerdings mit Nein gestimmt. Das Nein von Rolf Steinhäuser zu den Segensfeiern macht sehr nachdenklich. Er hat das Thema gar nicht richtig erfasst. Interessant finde ich aber auch, dass die Kölner so unterschiedlich gestimmt haben. Es gab da keine Vorgabe des Kardinals an seine Weihbischöfe.

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