Kein Schutz trotz ImpfungWarum Vorerkrankte im Januar Grund zur Hoffnung haben

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Vorerkrankte Schutz vor Corona dpa

Viele Vorerkrankte leben seit Beginn der Corona-Pandemie sehr isoliert, weil ihr Körper nicht den nötigen Impfschutz aufbauen kann. 

Mehrere Millionen Risikopatienten in Deutschland können sich nicht vor Covid-19 schützen: Die Impfung wirkt bei ihnen nicht, Antikörpertests zeigen auch nach dem Boostern keine Veränderung. Noch im Januar sollen zwei neue Medikamente zum Einsatz kommen, die ihnen helfen könnten – auch gegen Omikron. Betroffen sind laut RKI vor allem Organtransplantierte, Stammzell- und Krebspatienten sowie Menschen unter B-Zell-Therapie. Wie schwach die Immunantwort ist, hängt dabei von der Grunderkrankung, der Medikation und dem Alter ab. Stark vermindert ist sie bei vielen Vorerkrankten unter immunsupprimierender Therapie oder mit Immunschwäche. Die Kölner Infektiologin Prof. Clara Lehmann erklärt im Interview, welche Medikamente und Therapien es noch für sie gibt.

Wie ist ein negativer Antikörpertest zu bewerten: Heißt „keine Antikörper“ automatisch auch „kein Impfschutz“? Professor Dr. Clara Lehmann: Im Rahmen einer Immunantwort gibt es unterschiedliche Zellfamilien. Dazu gehören zum Beispiel die B-Zellen, die unter anderem Antikörper bilden. Aber auch T-Zellen, die wichtig für die Abwehr von Viruszellen sind. Diese unterschiedlichen Zellfamilien kommunizieren miteinander über Botenstoffe und lösen eine abgestimmte Immunantwort aus. Wenn im Antikörpertest keine Antikörper nachweisbar sind, heißt das nicht, dass gar keine Immunantwort vorhanden ist. Es kann trotz fehlender Antikörper eine Teilimmunität mit T-Zellen bestehen. Die Immunantwort wird aber höchstwahrscheinlich nicht optimal sein.

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Infektiologin und Internistin Prof. Dr. Clara Lehmann ist Leiterin des Infektionsschutzzentrums (ISZ) und der Post-Covid-Ambulanz an der Uniklinik Köln.

Foto: Csaba Peter Rakoczy

Infektiologin und Internistin Prof. Dr. Clara Lehmann ist Leiterin des Infektionsschutzzentrums (ISZ) und der Post-Covid-Ambulanz an der Uniklinik Köln.

Wie viel bringt es, weiter zu impfen? Uns ist ein Fall bekannt, bei dem sich auch nach der vierten Impfung keine Antikörper gebildet haben.

Mit dem aktuellen Wissen und nach den aktuellen Studien ist es in der Regel nicht sinnvoll, immer weiter zu impfen. Unter bestimmten medizinischen Bedingungen, zum Beispiel während einer Chemotherapie oder Immuntherapie ist das Immunsystem so sehr geschwächt oder verändert, dass es nicht in der Lage ist, ausreichend auf einen Impfstoff zu antworten. Da hilft es auch nicht, immer weiter zu impfen. Erst wenn sich das Immunsystem wieder etwas erholt hat, kann es wieder richtig reagieren.

Wie stehen die Chancen, dass Proteinimpfstoffe wie Novavax bei den betroffenen Patienten bessere Ergebnisse erzielen?

Im Gegensatz zu den bisher eingesetzten Impfstoffen werden bei dem Impfstoff Novavax virusähnliche Partikel, die bereits fertig gebaut sind, geimpft. Das Verfahren ist schon lange erprobt. Die Wirksamkeit wird sicherlich auch gut sein. Es ist aber eher nicht zu erwarten, dass eine bessere Impfantwort unter Novavax zu beobachten ist, wenn die bisherigen mRNA- und Vektorimpfstoffe keine ausreichende Impfantwort erreicht haben. Insgesamt hat es in dieser besonderen Situation mit der Immunschwäche zu tun und nicht mit der Auswahl des Impfstoffes.

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Gibt es bereits Medikamente oder Therapien, mit denen immungeschwächte Menschen eine Infektion verhindern könnten?

Da gibt es unterschiedliche Therapieansätze. Zum einen Medikamente, die den Vermehrungszyklus von SARS-CoV-2 stören, wie das bereits zugelassene Remdesivir, aber auch Molnupiravir und Paxlovid, die beide noch nicht zugelassen sind. Diese Covid-Medikamente werden im nächsten Jahr eine viel größere Rolle spielen als bisher. Hier wird man aufpassen müssen, weil Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten bestehen. Gerade Patienten mit schwerwiegenden Grunderkrankungen müssen in der Regel viele Medikamente einnehmen, die Wechselwirkungen haben könnten.

Anmerkung der Redaktion, Stand 06.01.22: Paxlovid soll noch im Januar in Deutschland eingesetzt werden können. Das Bundesgesundheitsministerium hat sich bereits eine Million Einheiten vertraglich gesichert und die Option auf eine weitere Million. Erste Studien machen laut Virologin Sandra Ciesek Hoffnung, dass Paxlovid auch bei Virusvarianten wirkt. „zumindest in Zellkultur ist die Wirkung weiter vorhanden“.

Zum anderen gibt es monoklonale Antikörpercocktails, wie zum Beispiel die Infusion „Ronapreve“, mit zwei so genannten neutralisierenden Antikörpern. „Ronapreve“ kann auch vorbeugend gegen eine COVID-19-Erkrankung eingesetzt werden, zum Beispiel nach einer Risikobegegnung. Leider zeigen neue wissenschaftliche Ergebnisse, dass „Ronapreve“ gegen die Omikron-Variante nicht mehr wirksam ist. Gegen Omikron müssen erst wieder Antikörper-Therapien entwickelt werden.

Sotrovimab: Gegen Omikron wirksam

Inzwischen wurde eine weitere Antikörpertherapie in Europa zugelassen, die auch gegen Omikron wirken und noch im Januar in Deutschland verfügbar sein soll, berichtet Virologin Sandra Ciesek im NDR-Podcast. Dass kurz nach Auftreten von Omikron ein monoklonaler Antikörper zugelassen wurde, der auch gegen die neue Variante wirksam ist, sei eine sehr gute Nachricht, so Ciesek. 

Zugelassen ist Sotrovimab für Personen ab 12 Jahren oder 40 Kilo, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Wichtig sei, dass es in den ersten sieben Tagen nach Auftreten der Symptome gegeben wird. Die Betroffenen dürfen noch keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen. Patienten sollten während der Infusion und für etwa eine weitere Stunde beobachtet werden, rät Ciesek, da ein Risiko für schwere allergische Reaktionen bestehe. Es werde empfohlen, die Infusion im Krankenhaus oder anderen Gesundheitseinrichtungen zu geben.

Bei der Wirksamkeit ist die Virologin zuversichtlich: „Studien zeigen, dass nur ein Prozent der Patientinnen und Patienten innerhalb von einem Monat nach der Behandlung ins Krankenhaus mussten für über 24 Stunden.“ (Stand 06.01.22)

Wer kommt für eine Therapie mit monoklonalen Antikörpern in Frage? Und wie kommt man im Ernstfall daran?

Eine passive Immunisierung mit SARS-CoV-2 neutralisierenden monoklonalen Antikörpern kann für spezielle Patientengruppen in der frühen COVID-19-Krankheitsphase sinnvoll sein und das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs vermindern. Vor allem immunsupprimierte Patientinnen und Patienten kommen hier in Frage sowie Personen mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf, die nicht oder nicht vollständig geimpft sind. Es ist jedoch sehr wichtig, sich frühzeitig bei seinem Hausarzt oder seiner Hausärztin zu melden, damit Kontakt zu einer Klinik aufgenommen werden kann, zum Beispiel in Merheim oder der Uniklinik Köln. Die Verabreichung sollte innerhalb von 7 Tagen nach Symptombeginn erfolgen, sonst können die Antikörper nicht mehr wirken.

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