Keine Priorisierung, keine Termine?Die wichtigsten Antworten zur Impfkampagne

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Impfung Symbol

Eine Frau wird geimpft. (Symbolbild) 

Essen – Ende April sollte der Impfstoff kommen, dann Anfang Mai, im Juni aber: Da würde es eine Schwemme geben! Da müssten die Betriebsärzte mitimpfen, die Fachärzte und alle, damit man die vielen Dosen überhaupt unter die Leute bringen kann. Auch deshalb fällt ab Montag die Impfpriorisierung, jeder kann sich um die Corona-Schutzimpfung bewerben. Nur: Die Meisten werden vorerst keinen Termin bekommen.

Ab Montag soll jeder geimpft werden, aber Impfstoff fehlt?

„Verantwortungslos, und zwar nicht nur ein bisschen“, nennt der Hausärzteverband Nordrhein die immer neuen Ankündigungen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn CDU), es würden nunmehr Millionen Impfdosen kommen. Da seien Hoffnungen geweckt worden auch bei denen, die bisher nicht „dran“ waren: „Die sich noch nicht gemeldet haben“, sagt Sprecherin Monika Baaken, „die kommen alle ab Montag.“ Tatsache ist: Der Impfstoff kommt, wegen leichter Lieferschwierigkeiten etwas weniger als vorgesehen.

Nur wird er nach dem Impfturbo, den Deutschland im Mai angeworfen hat, nun für die Zweitimpfungen gebraucht. Erstimpfungen sind in den Impfzentren kaum mehr möglich: in Duisburg bis Sonntag noch fünf, Bottrop und Witten haben nichts mehr, Mülheim ist ausgebucht, Recklinghausen „mehr als unglücklich“. Auch in Dortmund sagt Oberbürgermeister Thomas Westphal: „Bis Sonntag reicht es noch, ab Montag ist kein Impfstoff für Erstimpfungen mehr da.“

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Das Gesundheitsministerium in Düsseldorf wird am Mittwoch deutlich: In den Impfzentren stünden bis Mitte Juni „keine Termine für Erstimpfungen zur Verfügung.“ Die Hausärzte impfen seit April mit, schaffen 60 bis 80 Impfungen in der Woche. Sie könnten mehr … siehe oben. Der Andrang auf die Praxen ist riesig.

Was genau geschieht ab dem 7. Juni?

Weil der Impfstoff von Beginn an knapp war, erfanden Politik und Stiko, die Ständige Impfkommission, die Priorisierungsgruppen. Alte und Kranke zuerst, das war das Prinzip der Einteilung nach 1: Höchster, 2. Hohe, 3. Erhöhte Priorisierung. Ende Dezember wurde mit Senioreneinrichtungen und Krankenhauspersonal begonnen. Es folgte im April die Gruppe 2, seit Anfang Mai ist Gruppe 3 dran. Nummer 4 hat übrigens keine Priorisierung, das sind einfach: alle. Und die sind nun dran. In der Theorie.

Ist die Aufhebung der Priorisierung richtig?

„Wenn Impfstoff in ausreichender Menge zur Verfügung steht, macht die Aufhebung der Priorisierung Sinn“, sagte der Hausärzteverband im Mai, ahnte aber schon: Das könne keiner garantieren. Die Entscheidung habe angestanden, findet die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO). Man sei aber von „wesentlich höheren Impfstoffmengen ausgegangen“, sagt deren Chef Dr. Frank Bergmann. Der Mangel, „ausgerechnet jetzt“, sei „misslich“.

Was ist mit Angehörigen der Priogruppe 3?

Viele Menschen mit Erhöhter Priorität sind noch nicht mit einer Erstimpfung versorgt: Vorerkrankte, die bei ihren Hausärzten auf nicht enden wollenden Wartelisten mit Hunderten Patienten stehen. Im Mai wurden weitere Berufsgruppenin Nordrhein-Westfalen aufgenommen, aber noch nicht alle. Verkäuferinnen sind dabei, Busfahrer noch nicht.

Wer aus der Priorisierungsgruppe 3 noch nicht dran war, muss sich jetzt nun mit allen gemeinsam bewerben: Millionen Menschen unter 50, die gesund sind und keiner der betroffenen Berufsgruppen angehören. „Wir fallen durch alle Raster“, sagt ein Familienvater Anfang 30 dazu.

Wer impft die Kinder?

Nach langem Gezerre werden es die Kinderärzte sein. Der Impfstoff ist freigegeben, noch warten Eltern und Ärzte auf eine Empfehlung der Stiko. „Zusätzlichen“ Impfstoff, wie Jens Spahn angekündigt hat, wird es für die Kinder nicht geben, auch sie werden aus dem großen Kuchen bedient. Nach Schätzungen der KVNO können Kinderärzte etwa 45 Impfungen pro Woche schaffen, wenn sie Dosen kriegen.

Wie viele Impfdosen kommen überhaupt nach NRW?

Für die Impfzentren bekommt das Land die Impfdosen vom Bund. Der verteilt wöchentlich 2,5 Millionen Dosen in Deutschland, 530.000 nach NRW. „Sehr kurzfristig“ seien auch die Lieferungen an die Hausärzte „nach unten geregelt“ worden, klagt allerdings Ärztechef Bergmann: In dieser Woche seien im Bereich Nordrhein 110.000 Dosen weniger in die Praxen gekommen.

In den nächsten Wochen werden aber mehr als 1,6 Millionen Dosen für Zweitimpfungen gebraucht. Ursprünglich hatte NRW diese Impfmengen zurückhalten wollen. Auf massiven Druck gab das Land den Impfstoff frei, damit mit mehr Erstimpfungen ein höherer Schutz erreicht werden kann. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sagt: „Wir haben keinen Puffer mehr.“

Wie kriegt man jetzt einen Termin?

Bein Haus-, Fach- oder Betriebsarzt. Viele führen Wartelisten. Wann in den Impfzentren wieder Vakzine vorhanden sind und ob es weitere Sonderaktionen gibt, ist offen, wird aber rechtzeitig mitgeteilt. Dann werden auch wieder Termine bei den KVen freigeschaltet. (Telefon 116 117 oder Protected link).

Termine können überall gemacht werden, auch in anderen Städten. Ab Montag dürfen auch die Betriebsärzte mitimpfen. Das Problem ist auch hier der Mangel. Thyssenkrupp Steel in Duisburg wollte in zwölf Impfstraßen 700 Mitarbeiter am Tag impfen. Es werden geliefert: 500 Dosen pro Woche.

Wie viele sind geimpft?

In NRW sind mehr als 46,1 Prozent erstgeimpft, mehr als acht Millionen Menschen, 18,7 Prozent bereits durchgeimpft. Damit steht NRW an Platz zwei der Bundesländer. Der Bereich der KV Westfalen-Lippe feiert einen ersten Platz im bundesweiten Impfranking: Hier sind 47,2 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft. Der Deutschland-Schnitt liegt bei 43,2 Prozent.

Das Ziel der Kassenärztlichen Vereinigungen, bis Ende Mai die Hälfte der Bürger zu versorgen, ist damit allerdings nicht erreicht. Es gebe die Chance, heißt es von der KVNO am Mittwoch, „dass das, was jetzt weniger kommt, uns Ende Juni erreicht“. Aber das ist dann schon wieder so eine Ankündigung.

Gibt es einen Verdacht auf Impfkomplikationen?

Zwischen dem 27. Dezember und dem 14. Mai zählte das Landeszentrum Gesundheit (LZG) insgesamt 144 Verdachtsmeldungen von Impfkomplikation im zeitlichen Zusammenhang mit einer Corona-Impfung. Bei 43 Verdachtsfällen wurde im Verlauf der Impfreaktion eine stationäre Behandlung im Krankenhaus erforderlich. Diese Zahlen gehen aus einer Antwort des NRW-Gesundheitsministeriums auf eine Anfrage des fraktionslosen Landtagsabgeordneten Frank Neppe hervor. Zum Vergleich: Bisher gab es in NRW rund 8,2 Millionen Erst- und fast 3,2 Millionen Zweitimpfungen.

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Der Antwort der Landesregierung zufolge wurden dem LZG zwischen Ende Dezember und Mitte Mai insgesamt 31 Todesfälle übermittelt, „die in einem zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung gegen COVID-19 standen“. Dabei sei aber unklar, ob die Todesfälle im Zusammenhang mit der Impfung stehen. Für solche Bewertungen sei dann das Ehrlich-Institut zuständig.

11.767 Menschen haben sich in dem genannten Zeitraum laut Landesregierung trotz Impfung mit dem Coronavirus infiziert. Es sei aber nicht in allen Fällen klar, ob die Geimpften schon einen vollständigen Impfschutz hatten. Zur Schwere der Erkrankungen enthält die Antwort keine Informationen. (mk) 

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