„Wir hatten kurz Schockstarre“Erklärung für das spät entdeckte Desaster gesucht

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Mittlerweile ist die Rahmede-Talbrücke an der A45 gesprengt.

Mittlerweile ist die Rahmede-Talbrücke an der A45 gesprengt.

Im  Untersuchungsausschuss zur Rahmede-Talbrücke soll ein Ingenieur nun erklären, warum das Desaster erst kurz vor der Vollsperrung auffiel.

„Wie lange kann die Brücke noch halten?“ Diese entscheidende Frage stellt sich Dirk Stiepert, Leiter der Außenstelle Hagen der Autobahn-GmbH des Bundes, irgendwann im Frühjahr 2021. Seine Einheit hat zu Jahresbeginn vom Land Nordrhein-Westfalen die Zuständigkeit für 252 westfälische Brückenbauwerke übernommen, darunter auch die bundesweit bedeutsame A45-Talquerung „Rahmede“ bei Lüdenscheid.

Die Stahlverbundbrücke ist damals Teil der wichtigen „Sauerlandlinie“ und weist notorisch sehr schlechte Bewertungen auf. „Davon haben wir nicht so viele“, erinnert sich Stiepert. Der Bauingenieur muss am Montag als erster Zeuge des Untersuchungsausschusses „Brückendesaster“ im NRW-Landtag aussagen. Als 2021 immer klarer wird, dass der unausweichliche Neubau der „Rahmede“ ein aufwendiges Planfeststellungsverfahren verlangt und die Brücke somit noch voraussichtlich bis 2031 befahrbar bleiben muss, gibt die Autobahn-GmbH eine Sonderprüfung in Auftrag. „Die Rahmede ist kritisch, die wollen wir uns genau anschauen“, habe man gedacht, so Stiepert.

Das Ergebnis hat halb Südwestfalen bis heute in ein beispielloses Verkehrschaos gestürzt: Ein externes Vermessungsbüro schickt am 29. November 2021 das Ergebnis einer Laser-Scan-Analyse der Stahlträger. „Wir hatten kurz Schockstarre und dachten: Oh Gott, was kommt da auf uns zu“, erzählt Stiepert. Die Ingenieure identifizieren Beulen-Verformungen. Die Standfestigkeit: akut gefährdet. Am 2. Dezember 2021 wird die Brücke komplett gesperrt. Inzwischen ist sie gesprengt.

Alles zum Thema Hendrik Wüst

Der Untersuchungsausschuss geht der Frage nach, warum der desolate Zustand erst unter Bundesregie aufgefallen ist und nicht Jahre vorher in einer Projektgruppe des Landesbetriebs „Straßen.NRW“. In der Amtszeit des früheren Verkehrsministers und heutigen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) wurde vielmehr entschieden, den für 2019 vorgesehen Neubaustart um sieben Jahre zu verschieben.

FDP-Obmann Christof Rasche will am Montag wissen, wie eine solche Umplanung in NRW vorgenommen werden konnte, „ohne zu prüfen, ob die Brücke das überhaupt aushält“. Stiepert, der früher selbst bei „Straßen.NRW“ gearbeitet hat, kann dazu nichts sagen. Er verweist auf die dünne Personaldecke. Man könne nicht fünf oder sechs Großbrückenprojekte parallel betreuen. „Wenn ich kein Personal dafür habe, dann muss ich priorisieren. Aus heutiger Sicht hätte man die Rahmede früher angehen müssen.“

Wüst hat als Verkehrsminister das Personal der A45-Projektgruppe aufgestockt und beteuert, keinen Einfluss auf den Aufschub genommen zu haben. Das sei keine politische Entscheidung gewesen, sondern eine fachliche der Ingenieure. SPD-Obmann Gordon Dudas beklagt, dass dem Untersuchungsausschuss noch immer wichtige Akten fehlen, um solche Aussagen zu überprüfen: „Diese Landesregierung mit dem Ministerpräsidenten Wüst an der Spitze ist erkennbar nicht an einer Aufklärung interessiert.“

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