Nach der FlutEr rettete schon 1000 Bilder aus Euskirchener Galerie Hausen

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Bei der Arbeit: Mit viel Fingerspitzengefühl restauriert  Jens Bachem  die  durch die Flut beschädigten Kunstwerke.   

Euskirchen – Wenn Stefan und Luisa Hausen über Bilder sprechen, die bei der Flut in ihrer Euskirchener Galerie zerstört wurden, dann sprechen sie wie Ärzte über ihre Patienten. „Wir konnten leider nur wenige retten“, sagt Luisa Hausen. „Wir haben aber sofort Erste Hilfe geleistet“, ergänzt ihr Sohn Stefan Hausen. Und: „Bei der Rettung der Kunstwerke haben wir uns für eine Art Triage-Verfahren entschieden. Wir mussten festlegen, welche Werke es zu retten lohnt und welche überhaupt noch zu retten sind.“

Mit der „Rettung“ ist nicht nur die unmittelbare Aktion nach der Flut gemeint, sondern auch der Restaurierungsprozess, der heute längst noch nicht abgeschlossen ist. Dabei hatten sie auch Hilfe von professionellen Restauratoren und zwei fachkundigen Ehrenamtlern. Werner Pirnitz und Jens Bachem haben über der Galerie an der Wilhelmstraße ein kleines Restaurierungsatelier geschaffen und mittlerweile über 1000 Bilder „wiederbelebt“.

Das Hochwasser

„In unserer Galerie war das Wasser auf 1,70 Meter Höhe. Unsere Bilder standen in Reihen auf dem Boden. Sie wurden durch die Galerie gespült“, berichtet Stefan Hausen. Viele Grafiken der klassischen Moderne und der Zeitgenössischen Kunst wurden zerstört oder beschädigt. „Bis auf den Uecker“, wirft Luisa Hausen ein. Ein Kunstwerk von Günther Uecker habe auf der Ladentheke gelegen und sei darauf durch den Raum geschwommen – wie auf einem Rettungsboot. „Der Picasso hat es aber nicht überlebt“, sagt Stefan Hausen. Zerrissen und verschlammt wurde der in der Ecke gefunden.

Von den Bildern, die das Wasser nicht erreichte, leben die Galeristen aktuell. 1979 hatte Luisa Hausen die Galerie mit ihrem Mann eröffnet – mit einer Katastrophe wie der Flut hätte sie nie gerechnet.

Die Erste Hilfe

„Unmittelbar nach der Flut haben wir die Bilder erstmal gereinigt . Meine Mutter selbst hat sie mit einem Schlauch abgespritzt. Sie waren extrem verschlammt“, erinnert sich Stefan Hausen. Luisa Hausen: „Und dann haben wir die Bilder getrocknet. Überall haben wir sie ausgelegt: auf dem Dachboden, im kleinen Hof, auf der leerstehenden Dachterrasse des Nachbarhauses.“

Die Galeristin ergänzt: „Während der Aufräumarbeiten kamen dann die Leute und plünderten, was wir wegwarfen.“ Stefan Hausen sagt: „Wenn ich jemanden erwischt habe, habe ich ihn einfach gebeten, doch mitzuhelfen. Das tat er dann oft auch.“ „Aber lustlos“, wirft Luisa Hausen ein.

Die Unterstützung

Von der Rettung der Kunst lässt sich nicht berichten, ohne die vielen Helfer zu erwähnen. Durch Kontakte habe die Galerie überall dort Hilfe bekommen, wo sie nötig gewesen sei, bilanziert Stefan Hausen. Durch einen Bekannten zum Beispiel seien sie an eine neue Ladentheke gekommen. Dank der Helfer wurden einige Malereien gerettet. „Ich hätte die Erste Hilfe viel früher eingestellt. Aber Jens, Werner und meine Mutter waren einfach unermüdlich“, sagt Hausen.

„Wir hatten auch Hilfe von professionellen Restauratoren“, fährt der Galerist fort, etwa von Dr. Heike Lützenkirchen, der Leiterin des Stadtmuseums Euskirchen, oder von Philipp Kochendörfer vom Kölner Atelier für Papierrestaurierung. Er hat sogar eine kleine Schulung durchgeführt, um herauszufinden, welche Mittel eingesetzt werden können und wie am schnellsten gearbeitet werden kann.

Der Lernprozess

Auch der Kölner Jens Bachem war bei dieser Schulung. Kennengelernt haben sich Bachem und Stefan Hausen über einen gemeinsamen Freund. Nach der Flutnacht habe dieser Fotos von der zerstörten Galerie in den Sozialen Netzwerken gepostet. „Glücklicherweise hat sich Bachem auf den Post hin bei mir gemeldet. Er sagte mir, er könne bei allen anfallenden Arbeiten helfen“, so Hausen. Bachem lacht und korrigiert: „Ich habe gesagt, dass ich unter fachkundiger Anleitung sicher viel helfen kann. Alles kann ich aber auch nicht. Ein gelernter Restaurator bin ich nämlich nicht. Nur jemand, der sich für die Materialien interessiert und helfen wollte.“

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Nach der Flut: Vernagelte Fenster und Müllhaufen vor der Tür prägten das Bild an der Wilhelmstraße.  

Eigentlich kommt er aus dem IT-Bereich und entwickelt Software für Reisebüros. „Früher habe ich mal Germanistik und Geschichte studiert. Aber schon während des Studiums habe ich als studentische Hilfe im Rechenzentrum angefangen“, sagt Bachem. An der Uni Köln und im Kölner Zoo habe er geholfen, das Internet einzuführen.

Bachem lacht: Er habe außerdem mal Kurse für Studenten gegeben, die erstmalig ins Internet wollten. Während seines Studiums habe er sich in Eigenregie die Kunst des Programmierens angeeignet und sich dann schnell auf Internet-Reisebuchungen spezialisiert. Ein Interesse hat er aber stets gepflegt: „Kunst – das ist mein Hobby.“ Schon immer hat sich Bachem für traditionelle Maltechniken interessiert: „Und wer Neues herstellen kann, der kann auch Altes reparieren.“ In seiner Herangehensweise lassen sich Parallelen erkennen: Nicht nur den Umgang mit dem Internet, auch den Umgang mit den Kunstwerken hat der Kölner sich selbst beigebracht: „Learning by Doing“, wie er sagt.

Die Entscheidungen

„Das wichtigste bei der Restaurierung ist, dass die Bilder keinen organischen Schaden nehmen“, erklärt Bachem. Stefan Hausen nickt zustimmend: „Wenn der organische Zersetzungsprozess erst einmal in Gang gekommen ist, kann man kaum noch etwas für das Bild tun. Deswegen haben wir zu Beginn überall Ventilatoren aufgestellt.“ Fast unmöglich ist es laut Bachem, Gemälde wiederherzustellen, wenn Öl oder bestimmte Chemikalien im Wasser waren. Er vergleicht es mit einem belegten Brot, das in Papier eingewickelt ist: „Dort, wo die Butter das Butterbrotpapier berührt hat, wird das Papier ganz durchsichtig.“

Während der Restauration seien zudem immer wieder Entscheidungen zu treffen – etwa, ob man Bleistift-Signaturen beim Reinigen eines Gemäldes bewahren wolle. Wische man sie nicht ab, bleibe eben ein leichter Schmutzfilm um die Signatur übrig. Trotz allem haben die Männer ihren Humor nicht verloren. „Dass die Künstler immer mit Bleistift unterschreiben ist eine Unart. Werner und ich machen oft Witze darüber, dass sie das nur tun, um uns zu ärgern“, so Bachem lachend.

Die Restaurierung

Aufmerksamkeit und Kreativität sind bei der Arbeit gefordert. „Nach der Schulung bei Philipp Kochendörfer haben wir dann seine Gerätschaften einfach nachgebaut“ berichtet Bachem. Dort haben sie gesehen, wie die Restaurierung funktionieren kann. „Wo er aber zum Beispiel auf Siebdruckplatten trocknet, da nutzten wir Fliegengitter. Das funktioniert ähnlich“, sagt Stefan Hausen.

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Die Reinigung: Im selbst gebauten Bad und mit Pinseln aus dem Baumarkt arbeitet  Jens Bachem gegen den Schlamm. 

Um die Bilder zu reinigen, haben Bachem und Pirnitz ein Bad für Bilder gebaut. Es hat die Höhe eines Schreibtisches, ist etwa 15 Zentimeter tief und mit Teichfolie ausgekleidet. Neben dem Tisch liegen einige Borstenpinsel aus dem Baumarkt. „Hier machen wir die Bilder mit unseren Pinseln sauber“, erklärt Bachem. Aber man müsse bei einigen Papierarten aufpassen, dass sich die Fasern nicht auflösen.

Ausstellung

Im Schaufenster und in der Galerie Luisa Hausen in der   Wilhelmstraße 67 in Euskirchen sind zurzeit mehrere Exponate mit besonderem Bezug zum Hochwasser ausgestellt. Bis zum 12. September sind  unter anderem Wolf Vostells Engels-Sturz oder Walter Klemms Werk „Flut in Köln“ ausgestellt, das bei der Flut in Euskirchen beschädigt wurde. (kkr)

Auch die Klimakammer haben Bachem und Pirnitz selbst gebaut – nach Kochendörferschem Vorbild. Auch sie ist mit Teichfolie ausgelegt, ungefähr zwei Zentimeter steht Wasser darin. Idealerweise betrage die Luftfeuchtigkeit in der Klimakammer 80 Prozent. „Das Thermometer ist aus meinem Weinkeller“, sagt Bachem stolz. „Bei Kochendörfer ist die Klimakammer aus Zedernholz und die Anzeige ist digital. Aber wir sind der Meinung, dass unsere besser ist“, berichtet Hausen.

Von Bachem kommt auch die wuchtige Trockenpresse im Eingangsbereich des Restaurierungsraumes: „Dieses Monstrum habe ich bei Ebay gefunden. Sie gehörte einem russischen Einwandererehepaar, das gerade dabei, war Gerümpel loszuwerden. Sie wollten nur 35 Euro dafür.“ Er schätzt, dass das Gerät ungefähr 70 Jahre alt ist. Und es hat gute Dienste geleistet. Hausen: „Ohne die Presse hätten wir nicht so eine hohe Schlagzahl erreichen können.“

Mit einer erneuten Flut rechnet Hausen nicht: „Wenn noch eine Flut käme, dann würden wir nicht noch einmal neu anfangen. Dann wäre es für uns an dieser Stelle vorbei.“ Bachem klinkt sich ein: „Das sagst du jetzt. Aber irgendwie kommt doch immer die nächste Katastrophe. Und dann kümmern wir uns darum.“

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