Microsoft baut gigantische RechenzentrenWas die Milliardeninvestition für das Rheinische Revier bedeutet

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Blick in ein Rechenzentrum: Die Verbindung zahlreicher Server ermöglicht eine Vielfalt an digitalen Prozessen.

Blick in ein Rechenzentrum: Die Verbindung zahlreicher Server ermöglicht eine Vielfalt an digitalen Prozessen.

Nach Einschätzung der Agentur für Arbeit werden rund 28000 Arbeitsplätze in der Region vom Ende des Braunkohleabbaus betroffen sein. Einen Aufschlag für den Strukturwandel macht jetzt Microsoft mit dem Bau riesiger Rechenzentren.

Es ist ein Bodenschatz, der das Rheinische Revier für rund 150 Jahre wirtschaftlich starkgemacht hat: die Braunkohle. Und nun könnte es wieder ein Bodenschatz sein, der das Revier wirtschaftlich mit am Leben erhält, wenn 2030 die letzte Kohle in den Kraftwerken verbrannt und zu Strom umgewandelt wird. Ein Bodenschatz, dessen immensen Wert die wenigsten Menschen kennen: Datenleitungen.

Das linksrheinisch gelegene Revier ist ein wichtiger Kreuzungspunkt von Hochleistungsleitungen. Hier begegnen sich die Datenautobahnen zwischen Amsterdam und Frankfurt sowie zwischen Stockholm und Paris. Die Ankündigung des US-Technologie-Unternehmens Microsoft, in Bedburg und Bergheim Hyperscaler zu errichten, also gigantische Rechenzentren, weckt im Revier nun große Hoffnungen, dass dieser moderne Bodenschatz sich auszahlen und die Braunkohle einmal ersetzen könnte. Und damit Hoffnung auf Arbeitsplätze, die im Strukturwandel dringend benötigt werden.

Von den geplanten 3,3 Milliarden Euro, die das Unternehmen laut Microsoft-Präsident Brad Smith in den nächsten beiden Jahren in Deutschland investieren will, wird ein laut Bundeskanzler Olaf Scholz „erheblicher Teil in das Rheinland“ fließen. Es ist die größte Einzelinvestition in der 40-jährigen Geschichte von Microsoft in Deutschland.

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Infrastruktur für zahlreiche digitale Abläufe im Alltag

Ob nun der Autofahrer, der per Navigationssystem unterwegs ist, der Gamer, der sich mit Spielpartnern weltweit duelliert, der Bankkunde, der seine Überweisungen online tätigt, der Nutzer von Netflix und anderen Streamingdiensten oder der Kunde eines Internetshops – sie alle treffen sich in den Glasfasereingeweiden eines Rechenzentrums. Microsoft will aber die Rechenkapazitäten auch ausbauen, „um eine Infrastruktur für KI-Anwendungen zu schaffen“, sagte Smith im Gespräch mit Kanzler Scholz. Auf dem Markt der Künstlichen Intelligenz gehört Microsoft nach einem Einstieg beim kalifornischen KI-Start-up OpenAI zu den weltweit führenden Akteuren – OpenAI hatte vor anderthalb Jahren den Textroboter ChatGPT der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Hyperscaler beherbergen eine sehr große Zahl von Servern, die in einem Netzwerk verbunden sind, hier werden die Daten gespeichert und berechnet. Vom neuen Datenkreuz im Rheinischen Revier aus werden mehr als 100 Millionen Menschen in der bevölkerungsreichsten Region Europas versorgt werden können.

Weiterer Standortvorteil: Laut Bundesnetzagentur liegt die Stromausfallquote in der Region bei weniger als zehn Minuten pro Jahr – ein Spitzenwert auch im internationalen Vergleich. Um die Hyperscaler mit ihrem hohen Energiebedarf zu versorgen, sollen eigene Umspannwerke gebaut werden, die den Strom aus dem überregionalen Hochspannungsnetz abzapfen.

Bedburg und Bergheim also sollen die Standorte für die gigantischen Rechenzentren werden, an denen Daten gespeichert, berechnet und wieder in die Leitungen gejagt werden. „Wenn die Datenleitungen die Bodenschätze sind, werden die Hyperscale Data Center die neuen Kraftwerke unserer Region sein“, sagt Bedburgs Bürgermeister Sascha Solbach.

15.02.2024, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vice Chair und President der Microsoft Corporation Brad Smith kommen zur Pressekonferenz der Microsoft Deutschland GmbH zu den Investitionen des Konzerns im KI-Bereich in Deutschland. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

15.02.2024, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vice Chair und President der Microsoft Corporation Brad Smith kommen zur Pressekonferenz der Microsoft Deutschland GmbH zu den Investitionen des Konzerns im KI-Bereich in Deutschland. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Bundesagentur für Arbeit rechnet damit, dass rund 28 000 Arbeitsplätze bei RWE und Zulieferern vom geplanten Ende der Braunkohleverstromung im Rheinischen Revier betroffen sein werden. So viel an Jobs werden die Rechenzentren nicht schaffen können, aber doch zumindest einen Teil davon.

Es gibt unterschiedliche Prognosen dazu, wie viele Arbeitsplätze es sein werden. Schon vor drei Jahren hat das Land NRW eine Machbarkeitsstudie zu digitalen Infrastrukturen vorgelegt. Darin war von 3450 neuen Beschäftigungsverhältnissen in NRW die Rede, die einem Hyperscaler folgen. Und ein im vorigen Jahr vorgelegter „Masterplan Digitalparks“ des Rhein-Erft-Kreises und des Rhein-Kreises Neuss sieht 5000 neue Jobs für drei Rechenzentren mit dazugehörigen Digitalparks.

Für neue Arbeitsplätze sorgen die Hyperscaler eher indirekt

Nur eines steht fest: Die Hyperscaler selbst werden nicht viel Personal brauchen. Je Rechenzentrum werden es nach Angaben von Microsoft etwa 150 sein. Viel mehr neue Jobs soll es vor allem in den Digitalparks geben, die in der Nachbarschaft entstehen werden. Hier werden sich Unternehmen ansiedeln, die für eine möglichst schnelle Datenübertragung auch auf die räumliche Nähe zu den Rechenzentren angewiesen sind.

„Digitalparks sollten nicht als klassische Industriegebiete verstanden werden“, sagt Dr. Daniel Stadler, der beim Düsseldorfer Beratungsunternehmen NMWP Management die Abteilung für Technologie und Innovation leitet. „Zum Erfolg wird ein Digitalpark nämlich dann, wenn Handwerk, Mittelstand und Digitalunternehmen in direkter Nachbarschaft zueinander arbeiten und gemeinsam neue Ideen in die Tat umsetzen.“ Handwerkliche Betriebe würden sich dort ebenso wohlfühlen wie Softwareentwickler, das produzierende Gewerbe, Forschungseinrichtungen und Hotellerie. Benötigt würden nicht nur Fachkräfte, Beschäftigung gäbe es auch bei „Wartungsarbeiten an der Infrastruktur, Grünarbeiten und Abfallmanagement“.

Einen Teil der Investitionssumme will Microsoft bis Ende 2025 ausgeben, um zusammen mit Partnern 1,2 Millionen Menschen in Deutschland „digitale Kompetenzen“ zu vermitteln. Auch hier hofft das Revier auf einen Schub im Strukturwandel, denn den Leuten, die heute noch im Kraftwerk oder im Tagebau arbeiten, könnte so der Zugang in einen neuen Job deutlich erleichtert werden.

Soziales Engagement in Bedburg, Bergheim und Elsdorf

In den Kommunen Bedburg, Bergheim und Elsdorf, die die beiden Gewerbeflächen gemeinsam vermarkten, will Microsoft sich auch sozial einbringen und etwa alle Schulen mit Hard- und Software unterstützen. Und die große Wärme, die in den Rechenzentren entsteht, braucht auch nicht ungenutzt in den Himmel zu ziehen. Die Kommunen wünschen sich, dass die Prozesswärme für die Versorgung von Gewerbe, Industrie und Privathaushalten eingesetzt wird. „Damit könnten wir halb Bergheim heizen“, sagt Bürgermeister Volker Mießeler.

Alles wieder gut also im Rheinischen Revier? Es gibt auch kritische Stimmen, wie die von Gero Fürstenberg von der Industrie- und Handelskammer Köln. Grundsätzlich freue man sich über die Ansiedlung. „Aber: Wo Licht ist, ist auch Schatten“, sagt Fürstenberg. „Rechenzentren haben zu jeder Tages- und Nachtzeit einen immensen Energiebedarf. Gleichzeitig steigen wir aus der Kohleverstromung aus.“ Das erhöhe einmal mehr den Druck, jetzt die Energiewende schnell und spürbar umzusetzen. „Dazu gehören neben Wind- uns Solarenergieanlagen auch Gaskraftwerke, um die Versorgungssicherheit für die gesamte Region zu gewährleisten. Hier muss die Politik schnellstmöglich die Weichen stellen.“

Zudem benötige ein Rechenzentrum viel Fläche. „Fläche die dann für Industrieansiedlungen fehlt.“ In Bergheim etwa wird mit einem Schlag ein über Jahre leerstehendes, 20 Hektar großes Gewerbegebiet gefüllt. „Hier ist das Land gefordert“, sagt Fürstenberg. „Ansiedlungen landes-, bundesweiter Bedeutungen dürfen nicht in Konkurrenz mit dringend benötigten industriellen Ansiedlungen treten.“

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