Der „Sachensammler" im InterviewOdo Rumpf über seine Kunst in Odonien

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Odo Rumpf in seinem Skulpturenpark an der Hornstraße, den er seit 17 Jahren bespielt

Odo Rumpf in seinem Skulpturenpark an der Hornstraße, den er seit 17 Jahren bespielt

Köln – Odo Rumpf und seine Kunst in  Odonien: Im Gespräch mit Bernd Imgrund erzählt er von Bunkertüren aus Frankreich,  freien Kunstorten und warum er den Begriff Schrott nicht mag

Sie haben im Urlaub immer einen Anhänger, ein Schweißgerät und einen Brenner dabei, liest man.

(lacht) So war das in den 90ern, ja. Einmal war ich mit meinem Strich-Achter (Benz/Anm. d. Red.) in Großbritannien und wollte unbedingt ein altes Ackergerät einladen. Dafür musste ich extra die Sitze rausnehmen, deshalb habe ich danach immer einen Anhänger mitgenommen.

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Zum Beispiel auch für die Bunkertür aus der Normandie?

Die habe ich rausgebrannt und über die Dünen geschleppt.

Aber Sie haben natürlich vorher den Bürgermeister gefragt.

Ich hatte gelesen, das sei ein Schandfleck, der Bunker müsse endlich mal abgerissen werden. Und das habe ich auch einem Passanten gesagt, der mir Diebstahl unterstellte: „Seien Sie doch froh, dass ich das entsorge!“

Juckt es Sie als Sachensucher in den Fingern, wenn der Rhein Niedrigwasser hat?

An sich schon. Also wenn Sie was finden, bringen Sie es gern vorbei! Als 2007 das Containerschiff bei Zündorf havarierte, habe ich mich um einen der geborgenen Container bemüht. Ich kam aber knapp zu spät. Dafür habe ich aber verschiedene Reste der sogenannten Idiotenbrücke an der Inneren Kanalstraße hier um die Ecke geborgen.

Zur Person

Odo Rumpf wurde 1961 in Leverkusen geboren. Er studierte Maschinenbau in Aachen. Statt jedoch als Diplom-Ingenieur zu arbeiten, begann er, Möbel aus Metall zu bauen.

1991 wurde er selbstständiger Künstler mit dem Fokus auf Metallarbeiten aus Schrott-Fundstücken. Seine Großobjekte wie Saurier, Solarvögel und freie Skulpturen findet man überall in Deutschland und in vielen weiteren Ländern. Nach 15 Jahren im Kunstraum des ehemaligen Bahnausbesserungswerks in Nippes gründete er 2005 „Odonien“. Ursprünglich eine Brache an der Hornstraße, trifft sich hier heutzutage die internationale Metallkunstszene. Außerdem finden auf dem pittoresken Gelände Partys und Konzerte statt.

1997 gewann Odo Rumpf den Europäischen Solarpreis. Er bekam zahlreiche weitere Auszeichnungen. Noch bis kommenden Dienstag läuft in Odonien das inklusive RoboLAB 2022-Festival – Performances, Musik, Medienkunst und Workshops von Künstlern mit und ohne Behinderung. Odo Rumpf wohnt in Schlebusch.

www.robolab.online

www.odonien.de

www.odorumpf.de

Hatten Sie als Kind einen Stabilo-Baukasten?

Klar, und ich habe immer gesammelt und gefrickelt.

Angeblich auch an Ihren Mofas. Also Krümmer abgesägt und die Ritzel ausgetauscht?

Genau, und den Vergaser aufgebohrt. Wir hatten vor allem Ciao-Mofas, die konntest du locker auf 45 Stundenkilometer bringen. Noch einfacher war das bei der Solex, die ging danach ab wie ein Zäpfchen.

Bevor Sie das Metall für sich entdeckten, haben Sie während des Maschinenbaustudiums auch Performances organisiert. Was zum Beispiel?

Der Frauenanteil bei diesem sehr konservativen Studiengang betrug um die drei Prozent. Einmal habe ich mich als Mädchen verkleidet – mit Perücke, Schminke und den damals üblichen Clogs. Mit einer Freundin aus der Pädagogik sind wir dann zehn Minuten nach Vorlesungsbeginn ins knackevolle Audimax stolziert und haben dem Professor einen Handkuss zugeworfen. Das Gejohle war groß, klar!

Haben Sie ein Lieblingsmetall?

Es sollte nicht nagelneu sein. Meine liebsten Fundstücke sind rostig und verbogen, vergessen und verloren. Die haben eine Aura und erzählen eine Geschichte.

Wie unterhalten Sie sich – also Sie und das Fundstück?

Nonverbal natürlich. (lacht) Ich gehe auf einen Schrottplatz mit tausenden Stücken, und plötzlich berührt mich eines davon. Im Urlaub kam ich mal an einer ausgebrannten Kapelle vorbei, auf deren eingefallenem Dach ein vom Feuer verbogener Eisenträger lag. Von dem musste ich mir ein Stück abbrennen und mitnehmen. Später wurde das zum Fuß eines Tisches. Was immer dort passiert war – die Geschichte habe ich mitgenommen.

Die Wörter Schrott und Rost sind für die meisten Menschen negativ besetzt.

Ja, ich sage lieber „Fundstücke“. Ich kann auch nicht ab, wenn jemand Odonien als Schrottplatz bezeichnet. Das Wort ist zu belegt im Sinne von „überflüssig“. Menschen liest du von ihrem zerfurchten Gesicht ab, dass sie etwas erlebt haben – so muss man das auch bei meinen Fundstücken sehen.

Könnte man sagen, dass Sie Re- oder gar Upcycling betreiben?

Wenn man es so kategorisieren will: okay. Aber ich würde es nicht so bezeichnen. Auch „Künstler“ bin ich erst seit meiner ersten Steuererklärung.

Inwiefern?

Ich musste ja irgendwie erfasst werden von denen. Ich hatte schon zig Ausstellungen gemacht, aber nie Kunst studiert. Also musste ich mir in Düsseldorf an der Akademie meine Künstleranerkennung besorgen. Seitdem bin ich vor der Steuer Künstler und Mitglied der Künstlersozialkasse.

Sie vergleichen Ihre Arbeit mit der eines Archäologen.

Na ja, ich finde Sachen, genau wie ein Archäologe. Und wie bei diesem ist auch mir anfangs nicht klar, wozu diese Scherbe, dieses Stück Metall gehört. Aber dann füge ich dieses und jenes zusammen, und es ergibt sich etwas.

Bildhauer sagen oft, sie sehen im unbehauenen Stein schon die Figur, die entstehen wird.

Passiert mir auch oft. Ich erinnere mich an den Heuaufzug, in dem ich einen Pferdeschädel sah, obwohl es da eigentlich keinerlei Ähnlichkeit gab. Aber das wurde dann auch daraus: ein Urpferdchen. Dessen Hufe waren übrigens die gusseisernen Füße einer alten Badewanne.

Warum Metall statt etwa Holz, das doch viel leichter zu bearbeiten ist?

Stimmt doch gar nicht! Holz müssen Sie sägen und stemmen und glätten und leimen. Ich hingegen nehme mir zwei Metallstücke und brutzel die zusammen.

Flexen, schweißen – grobe Arbeit. Können Sie auch häkeln oder stricken?

(lacht) Kann ich wirklich, aber auch dabei musste ich es immer übertreiben. Mein Schal aus den 70ern war fünf Meter lang, dann war der cool.

Sie hatten Ihre Werkstatt, Ihr Atelier 15 Jahre lang im längst abgerissenen Ausbesserungswerk in Nippes. Wie kommt man an so ein spektakuläres Gelände wie dieses hier zwischen Hornstraße und Gleisdreieck?

Die Zeit im Ausbesserungswerk war großartig! Als wir dort absehbar gehen mussten, kam die Bahn auf mich zu und bot mir dieses Gelände von sich aus an. Es war verwildert, es gab hier keine Infrastruktur, stattdessen hatte man hier zum Beispiel Teer abgeladen. Aber es gab alte Mauerreste, verbogenes Zeug, Überreste mit Geschichte. Da wusste ich, das ist mein Ding!

das Sie nun seit 17 Jahren bespielen. Sie sprechen in diesem Zusammenhang von einer „lebenden Skulptur“.

Weil sich dieser Ort immer weiterentwickelt. Wer hier hinkommt, bringt Ideen ein und verändert den Raum. Und neben den bildenden Künstlern sind das ja auch etwa die Musiker, die hier ihre Konzerte veranstalten, die Zuschauer, der Biergarten und so weiter.

Freie Kunstorte wie das Ausbesserungswerk gehen immer mehr verloren.

Ja, einer nach dem anderen.

An den Kölner Schaltstellen säßen zu viele „Weicheier“, haben Sie mal gesagt.

Im Ausbesserungswerk hatten wir knallharte Immobilientypen gegen uns. Die haben unsere Tore eingerissen und den Strom abgestellt, um uns an den Verhandlungstisch zu zwingen. Eigentlich hatten wir zunächst Rückenwind vom Kulturamt. Aber auch die knickten irgendwann ein. Trotz Versprechungen und dem Beschluss der Bezirksvertretung blieb vom Ausbesserungswerk nicht eine einzige Halle für die Kunst übrig. Deshalb „Weicheier“.

Ihr vielleicht skurrilstes Fundstück ist das Cockpit einer Antonov, des russischen Flugzeugs. Was wurde daraus?

Das hatte man für Filmaufnahmen verwendet und mir dann angeboten. Gerade für mich als Ingenieur war es spannend, sich dieses Innenleben anzusehen, diese gigantischen Kabelbäume und Züge und Schalter. Eine stillgelegte, zerstörte Technikwelt, die ich in eine zwölf Meter hohe Skulptur integriert habe. Mein erstes begehbares Fundstück war das, man kann da rein und sich alles ansehen. Steht hier auf dem Odoniengelände, direkt am Weg.

Ihr bekanntestes Objekt im Kölner Stadtraum ist der Solarvogel mit seinen weiten, bewegten Schwingen. Jetzt steht er aber seit geraumer Zeit nicht mehr am Rheinufer, sondern ebenfalls hier in Odonien.

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Den hat ein LKW schwer beschädigt, und dann wurde jahrelang um die Schuldfrage gestritten. Inzwischen ist er zwar restauriert, aber es fehlt noch an Geld für einen neuen Solarantrieb. Ich denke, im Herbst ist es so weit und der Vogel fliegt zurück an den Rhein. (red)

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