Im zweiten Teil unserer Interview-Serie „Das andere Gespräch“ spricht Gerd Köster über das Brauchtum und die kölsche Sprache.
Gerd Köster„Die Fööss liefen bei mir parallel zu Zappa, Hendrix und Stones“

Gerd Köster ist mit der kölschen Sproch groß geworden.
Copyright: Nabil Hanano
In „Brauchtum“ steckt „brauchen“. Wofür braucht man Brauchtum?
Ich bruche dat, weil et jootdeit. Damit meine ich vor allem die Sprache, das Kölsche. Mundart hat eine große Kraft und verbindet, das habe ich zum Beispiel mal im Kontakt mit Katharina Thalbach festgestellt. In d´r Zirettepaus han ich die komplett Kölsch aanjeschwaad, un zack, wooten die Äujelche von der noch jet jrößer. Un dann hät die tirek aanjefange mit Straßenberlinerisch. Auf die Art ist man direkt per Du – auch symbolisch.
Wir sitzen hier im Café Sur, dem argentinischen Café in der Südstadt. Ist das Brauchtum?
Wenn ich met denne Kölsch schwaade, verstehen die Jungs hier nicht jedes Wort, aber was ich meine. Manchmal versuchen sie auch selbst, Kölsch zu reden. „Schwaadlappe“ etwa klingt bei denen ausgesprochen putzig.
Wenn ich einen „native Speaker“ wie dich treffe, falle ich automatisch ins Kölsche. Wieso wohl?
Meine Frau kam aus Berlin und hat in Raderthal auf der Markusstraße gewohnt. Die konnte mit Köln zuerst überhaupt nichts anfangen, aber irgendwann meinte sie, dass sie das Kölsche durch mich ein wenig schätzen gelernt hat.
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Meine Oma kam aus dem Vorgebirge, dem Vüürjebirch. Die hat das r gerollt wie alle Kappesbuure aus der Gegend.
Erinnert mich an die „Feuerwehr von Walberberg“ von den 4 Botze. (Singt) „Die Feuerwehr von Walberberg/ Dat es d'r Stolz vom Land/ Wenn sonndachs sei Parade han/ De Schläuch han en d'r Hand,/ D'r Drickes steit em escht Jleed,/ He kommandeet stockstief/ De hacke zesamme, de Prämm us d'r Muul, d'r Seiver us d'r Pief.“
Beruflich hast du Kölsch erst relativ spät verwendet.
Als ich die fünf, sechs Jahre hier am Schauspielhaus war, bei Günter Krämer, fiel mir irgendwann auf: Du sprichst ja überhaupt kein Kölsch mehr. Dat jeit nit, han ich m'r jesaat. Und seitdem spreche ich auch zuhause mit meiner Frau vor allem Kölsch. Ist einfach organischer, wenn de domit opjewahße bes.
Lösen sich Alltagsstreits mit der Frau auf Kölsch einfacher auf?
Ich jlöuve, jo! (lacht) Ich denke, auch heute noch schwaade die Schöss e bessje mieh als wir. Und mit Kölsch kann man so manches verknappen – sagen wir, etwas „punchliniger“ argumentieren.
Wo hat du Kölsch gelernt?
In Nippes, auf dem Spielplatz und im Kindergarten fing das an. Viele meiner kleinen Kümpelchen dort waren Kölsche, später auch im Fußballverein bei Grün-Weiß Nippes. Do wore och e paar Kraade us Bilderstöckche dobei, und dann wächst man halt mit dieser Sprache auf.
In meiner Jugend war Kölsch verpönt.
Ming Mutter hät UKB jewonnt – Unter Krahnenbäumen. Das war ein verrufenes Viertel, sehr proletarisch und tief katholisch. För ming Mam wor dat ene soziale Aufstieg, wie die noh Nippes jetrocke es. Die wullt dann nit, dat ich Kölsch schwaade, die wullt met denne Kraade nix mieh ze dunn han. Der klassische Satz: Och Jung, no bes doch nit esu jewöhnlich."
Du kamst dann sogar aufs Gymnasium.
Ja, als erster aus dem Block. Do droch ming Mutter de Nas tirek jet hüher.
Wann hast du realisiert, dass du eine zweite Sprache beherrschst?
Das kam mit den Liedern, die man hörte. „Su lang m'r noch Zaus em Kessel han“ von Toni Steingass zum Beispiel. Dann kamen die Bläck Fööss mit „En unserem Veedel“. Oder „Et Spanien-Leed“ – 5/4-Takt, Wahnsinn! Die Fööss liefen bei mir immer parallel zu Zappa, Hendrix und Stones.
Deine erste erfolgreiche Band war ab 1979 Schroeder Roadshow, da waren die Texte noch hochdeutsch.
Aber parallel dazu haben der Frank (Hocker, Kösters Weggefährte, gestorben 2023) und ich viel netten Blödsinn gemacht, unter anderem eine Hip Hop-Version von „Zaus im Kessel“. Irgendwann kamen wir auf diese alte kölsche Liedform des Krätzjens und merkten, dass die fast ausgestorben war. Sehr ermutigend war dabei Jürgen Becker, der eigentlich eher mit Schlagern aufgewachsen ist.
Schlagerstars waren damals das Gegenteil von kölschen Kraade.
Schlager waren für mich ein No-hear. Ich war da früher sehr pauschal: Schlager war für mich der Soundtrack der Arschlöcher. Das waren die, die mir nicht nur einmal gesagt haben: Dich han se wohl verjesse zo verjase – wegen den langen Haaren und den Klamotten.
Viele der aktuellen kölschen Bands schleifen ihr Kölsch ab, weil sie beim Silbereisen landen wollen
Was meint „Kölsch met Knubbele“?
Dat es Fernseh- un Touriste-Kölsch. Ich war immer eher Trude Herr-Fan, weil die auch im Fernsehen richtig kölsch abgeledert hat. Aber der Millowitsch hat Kölsch met Knubbele gesprochen, damit seine Stücke im Fernsehen gezeigt werden. Viele der aktuellen kölschen Bands schleifen ihr Kölsch auch ab, weil sie beim Silbereisen landen wollen.
Bei diesen Schlager- und Volksmusikfestivals im Fernsehen.
Ist ja kein Geheimnis, dass es der Karriere recht förderlich ist, da aufzutreten.
Nerven dich Dialektfehler heutiger Bands?
Nä! Jeder sprich anders Kölsch, un jeder schriev et anders. Auch dat Akademie-Kölsch ist nur eine weitere Variante. Mich erstaunt, dass es in dieser Stadt so viele Kölsch-Polizisten gibt. Wer sich die Texte von Brings ansieht, von den Fööss, vom Wolfjang (Niedecken/Anm d. Red.) oder von mir, der sieht, dass es da immer irgendwelche Nuancen gibt. Und das ist für mich auch völlig in Ordnung so.
Aber man hört schon, wer von hier kommt und wer nicht.
Wenn ich, als Eingeborener, Kasalla oder Cat Ballou höre, merke ich sofort, dass Kölsch nicht deren Alltagssprache ist. Stört mich aber nicht, denn viel wichtiger als das Korrekte ist die Zuwendung zur Mundart.
Wo bist du Sprach-Polizisten begegnet?
Do wor ich ens an mingem Büdche op d´r Merowingerstrooß, kütt m´r en ältere Dame met enem Pelzmantel un vürnemme schwazze Handschohen entjäje. Ich dachte: Oho, aus Köln ist die aber nicht. Un dann säät die füür mich: „Sind Sie dä Herr Köster? Ihr hat doch do su en Plaat jemaat, ,Jedrisse, Baby'.“ Sare ich: „Jo, dat stemp“, do sät die: „Dat han die falsch jeschrivve, do jehürrt e 'e“ hin: Jedresse." Un jlöuvste't, die kräät sich nit mieh in deswäje. (lacht)
Wie sehen das die Sangeskollegen?
GK: Der Tommy (Engel) zum Beispiel ist bekanntlich sehr streng mit der Scheibweise. (lacht) Richtich pingelich. Deswäje han ich ens zo im jesaat: „Falschkölsch sullte m'r dunlichs vermigge!“ (beide lachen)
Schreibst du „Krätzjer“ oder „Krätzcher“?
Mit „che“ ist für mich auch okay. Aber die Kölschen verniedlichen halt mit „je“. Wie die Schwaben mit „le“.
Da würdet ihr dann „Krätzle“ singen. Es gibt eine seltsame kölsche Komposition: Hadderer. Wie in „Hadderer allt jesinn ...“ „Hadder“ würde „Habt ihr“ heißen, ein Pluralis Majestatis. Aber warum steckt da ein weiteres „-er“ hinten dran?
Dat heiß janix. Das sind Mysterien unserer Mundart, denen man sich genussvoll beugen sollte.
Warum nennen ältere Kölsche den Boxer Peter Müller nicht „dä Aap“ oder „d'r Aap“, sondern „die Aap“? Der Affe ist im Deutschen doch Maskulinum!
M'r säät jo och: Wo es dä Auto? Die Kölschen haben offensichtlich schon sehr früh mit dem Gendern angefangen. Wir vertauschen relativ wahllos Artikel, um zu zeigen, wie weltoffen wir sind. (lacht)
Du hast auf der Volksbühne am Rudolfplatz Karl Küpper gespielt, „Der Unbeugsame“.
Der einzige Büttenredner, der sich traute, die Nazis zu veräppeln. (Köster hebt den Arm zum improvisierten Hitlergruß:) „Es et am räne?“, hät dä Küpper zom Beispill in d'r Bütt jesaat. Im Stück kommt auch zur Sprache, dass Karl Küpper nicht einfach nur „der Gute“ war. Der konnte auch verdammt stur sein.
Nach dem Krieg wurde er von den großen Gesellschaften nicht mehr gebucht.
Tja, die sogenannten Brauchtumspfleger. Ich war manchmal entsetzt, wie Literaten zu Karneval versuchen, Texte zu kastrieren. Mundarttext müssen „rustikal“ sein, sonst zündet da nichts. Dat es wie Himmel un Ääd ohne Flönz bestellen, weil ich kann kein Blut sehen.
Das „-tum“ von „Brauchtum“ kann schnell „-tümeln“.
In Köln sagt man gern: Dat wor schon immer esu und et bliev, wie et es. Diese betonierte, klebrige Einstellung hat mich immer gestört. Auch Brauchtum muss sich weiterentwickeln. Auch die Sprache ändert sich, allein schon durch die Migranten.
Ist Karneval Brauchtum? Der FC? 4711?
Na ja, 4711 nit esu janz. Ich han nix jäje Karneval jenerell. Nur dä Sitzungskarneval es nix für mich. Minge Nervenarzt hät mir dat verbodde. Ich habe mich auch immer fremdgeschämt, wenn eine kölsche Sitzung im Fernsehen kam. So ging es mir sogar bei der Fernsehgala zu Hans Süpers 70. Ich hab´s ihm gegönnt, aber ich fand es scheußlich. Ich dachte, das ist der doch nicht, Schautreppe runterlaufen und so was. Aber dann saß er irgendwann unten auf dem Treppchen, ganz allein mit der Flitsch, und hat den „Kölschen Jung“ gespielt. Und das war dann großartig!
Ich habe ihn mal interviewt, im Biergarten in Sülz. Er kannte jeden Passanten, und jeden sprach er an: „Sühs joot uss, Jung, häst´e ne Unfall jehat?“
(lacht) Als der aufhörte mit der Bühne, dachte ich, das geht nicht gut bei so einer Rampensau. Aber dann han ich dä och ens em Café jetroffe un jemerk: Dem sing Bühn es överall, Publikum hät dä och beim Kaffeedrinke.
Was ist weggestorben seit deiner Kindheit?
Man darf nicht mehr „Indianer“ sagen. (grinst)
Die dürfe jo nit ens krieche.
Da krieje ich tirek ene Hals drüvver. Diese Verbotskultur ist ganz übel. Auch das Gegendere, gibt es in der Form nur in Deutschlabnd. Für mich klingt das wie eine Neuauflage von „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“.
Kann man Kölsch gendern?"
Ich weiß et nit. 1990 hatten wir mit Rico McClarin einen Schwarzen in der Band, also bei The Piano has been drinking. Der sagte uns damals, dass er nicht „Neger“ genannt werden wollte. Das war bis dato eine normale Bezeichnung gewesen, aber er sagte, das klingt wie „Nigger“, das darf kein Weißer sagen. Okay, haben wir uns natürlich dran gehalten, ävver ich saht zu em, dann nenn ich dich aff jetz „Klütte“.
Das Wort kommt auch im „Tuntensong“ vom Zeltinger vor.
Ich habe dem Rico dann erklärt, dass das Kölsch für „Brikett“ ist und im Dialekt für Schwarze benutzt wird. Fand er super, das war dann der mundartliche Kompromiss. Er hat uns Weiße im Gegenzug übrigens „Quarkärsche“ genannt.
Inwiefern empfindest du dich selber als kölsch?
Mir entspricht diese flapsige, flachsige Mentalität. Alles so ein bisschen ungerade und locker, das gefällt mir. Aber wer entscheidet über Kölschsein oder nicht?! Ich föhle mich als Kölscher, dat es einfach esu. Un Aaschlöcher jitt et suwiesu överall.