Interview mit Leiterin des Institut français„Kölsch war das erste Bier meines Lebens“

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Die Elsässerin Olivia Berkeley-Christmann ist manchen deutschen Ritualen näher als den französischen.

Die Elsässerin Olivia Berkeley-Christmann ist manchen deutschen Ritualen näher als den französischen.

  • Olivia Berkeley-Christmann ist weit herumgekommen.
  • Die Elsässerin studierte in Köln, war dann in Neuseeland und Indien.
  • Nun ist sie wieder hier – als Leiterin des Institut français. Bernd Imgrund sprach mit ihr.

Das Vorzimmer der Leiterin ist zugleich der Lesesaal des Institut français am Sachsenring. Zeitgenössische französische Literatur steht hier neben Frankreichführern und Kinderbüchern. Ihre erste deutsche Lektüre, sagt Olivia Berkeley-Christmann, war Theodor Fontane. Wie werden Sie Weihnachten verbringen? Wegen Corona ist es auch als französische Generalkonsulin nicht so leicht, in mein Land zu kommen. Also werden wir stattdessen hier in Deutschland feiern. Meine Tochter ist jetzt Drei, die freut sich sehr über ihren Adventskalender und den Weihnachtsbaum im Wohnzimmer.

Feiert man im Elsass, wo Sie herkommen, anders als hierzulande?

Im Elsass ist man den deutschen Ritualen näher als den französischen. Wichtig ist bei uns, dass die selbstgebackenen Plätzchen zwischen den Nachbarn ausgetauscht werden – jeder schenkt dem anderen, und man trinkt noch einen Kaffee zusammen. Weihnachtskekse nennt man in unserem Dialekt übrigens „Bredele“.

Alles zum Thema Bernd Imgrund

Zur Person

Olivia Berkeley-Christmann wurde 1977 in Straßburg im Elsass geboren. Sie besuchte das dortige Internationale Gymnasium, um sich anschließend vielfach weiterzubilden. Auf den Deutsch-Französischen Magisterstudiengang in Köln Mitte der 1990er folgte ein weiterer für Internationale Beziehungen und Internationales Recht in Paris. Seit 2004 ist sie Doktorin der Rechtswissenschaften.

Nach vier Jahren als Rechtsreferentin im französischen Außenministerium wurde sie 2008 Botschaftssekretärin in Wellington, Neuseeland. 2011 bis 2014 arbeitete Berkeley-Christmann als Botschaftsrätin in Neu Delhi, um ab 2014 wieder im Außenministerium zu wirken.

Seit September 2018 ist sie französische Generalkonsulin in Düsseldorf und damit verantwortlich für rund 19.000 Franzosen in NRW. Gleichzeitig leitet sie das Institut français mit seinen Vertretungen in Köln und Düsseldorf.

Olivia Berkeley-Christmann lebt mit ihrem neuseeländischen Mann und ihrer dreijährigen Tochter in Düsseldor.

www.institutfrancais.de/koeln

Welchen Ruf haben die Elsässer in Frankreich?

Man hält uns einerseits für so stur wie die Bretonen, aber attestiert uns zugleich eine gewisse Nähe zu den Deutschen. Das stimmt ja auch schon rein geografisch, wir bilden ja das Grenzgebiet. Meine Großmutter ist noch rein im Dialekt aufgewachsen, Deutsch und Französisch konnte sie nicht fließend.

Wer zwischen den Kulturen hängt, könnte ein gutes Verständnis für Migranten haben.

Sollte eigentlich so sein, schlägt sich in den Wahlen aber leider nicht nieder. Vor allem in ländlichen Gegenden des Elsass sind die Rechtsextremen erfolgreich. Das ist wohl der Angst vor dem Fremden geschuldet, aber schön ist es nicht. Ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen, da war ich schon in der Kita mit vielen Kindern aus der Türkei und Osteuropa zusammen.

Warum haben Sie Deutsch studiert?

Wir haben zuhause Französisch gesprochen, aber bei meinen Großeltern kam ich in Kontakt mit dem Elsass-Deutschen. Wir haben zum Beispiel Weihnachtslieder im Dialekt gesungen, das war immer sehr schön. Später habe ich mich dann auch für deutschsprachige Literatur interessiert, für Fontane, Stefan Zweig oder auch Goethe. Auf dem Gymnasium in Straßburg hatten wir deutsche Lehrer, auch der Geschichtsunterricht lief auf Deutsch, und letztlich bin ich dann ja nach dem Abitur nach Köln zum Studium gekommen.

Gibt es in Frankreich eine vergleichbare Diskussion um das Gendern der Sprache? Immerhin kennt das Französische mit le und la ja auch zwei grammatische Geschlechter.

Nicht so intensiv wie hier in Deutschland. Aber als ich vor zehn Jahren beim Außenministerium beschäftigt war, hieß es immer nur „der Botschafter“, selbst wenn es sich um eine Frau handelte. Als l'Ambassadrice wurde nur die Ehefrau des Botschafters bezeichnet. Das hat sich allerdings inzwischen geändert.

Sie waren Rechtsreferentin im Außenministerium. Klingt nicht gerade prickelnd.

(lacht) Mein Gebiet war das Arbeitsrecht in Europa, da ging es zum Beispiel um Rentengelder, wenn man im europäischen Ausland gearbeitet hat. Es war eine sehr theorielastige Beschäftigung und in dieser Hinsicht durchaus spannend. Aber klar, ich wollte dann auch irgendwann etwas anderes machen.

Zum Beispiel 2011 als Botschaftsrätin nach New Delhi gehen.

Da ging es, vor allem im Alltag, vielleicht schon zu spannend zu. Damals ging man von 17 Millionen Einwohnern aus, es war einfach unglaublich, wie lange dort alles dauert. Für die zehn Minuten von der Wohnung zur Botschaft brauchte man zumeist locker eine Stunde. Zugleich ist Indien die größte Demokratie der Welt, und die Menschen sind sich dessen wohl bewusst. Da steht man bei Wahlen manchmal acht Stunden in der Schlange, aber keiner beschwert sich.

Zur Diplomatie gehört, dass man alle drei, vier Jahre die Stelle wechselt. Ihr Mann ist Neuseeländer. Hat er sich gut überlegt, wen er da heiratet?

(lacht) Viel Zeit hatte er nicht. Das ist halt die Liebe, da geht es manchmal ganz schnell.

In welchen Sprachen wächst Ihre Tochter auf?

Sie geht in eine französischsprachige Kita und lernt vom Papa Englisch. Und darüber hinaus spricht sie auch besser Deutsch als er.

Deutsch in Frankreich, Französisch in Deutschland lernen immer weniger Kinder. Schade, oder?

Die Zahlen in Deutschland gehen sogar wieder ganz leicht nach oben, aber natürlich ist das viel zu wenig. Wir versuchen mit dem Institut français dasselbe wie das Goethe-Institut in Frankreich: die Fremdsprachigkeit und den kulturellen Austausch zu fördern. Wer die Sprache des anderen kennt, kommt auch ihm und seiner Kultur viel näher.

Apropos Kultur: Kölsch oder Rotwein?

(lacht) Kölsch war das erste Bier meines Lebens. Ich finde es sehr lecker, mir gefällt, dass es leicht ist und in solch kleinen, eleganten Gläsern serviert wird.

Flönz oder Käse?

Lieber Käse, gern als kölscher Halver Hahn. Davon handelte übrigens meine erste Klausur im Zivilrecht: Ein Japaner bestellt im Brauhaus einen Halven Hahn und fühlt sich betrogen, weil kein Brathähnchen kommt.

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Wie haben Sie den Fall damals entschieden?

Tja, der Kunde muss normalerweise in so einem Fall Recht bekommen. Aber es kommt auch darauf an, wie klar das Gericht auf der Speisekarte erklärt wird.

Sie sind Generalkonsulin in Düsseldorf und Leiterin des Institut français Nordrhein-Westfalen mit seinen verschiedenen Vertretungen. Welche Rolle spielt Köln in Ihrem Leben?

Ich habe Mitte der 1990er hier studiert und daran nur schöne Erinnerungen. Im Vergleich zu Frankreich ist das Studium in Deutschland viel freier organisiert. Weniger Frontalunterricht, flexiblere Gestaltung, ich habe zum Beispiel auch Vorlesungen in Geschichte und Italienisch gehört.

Hatte Köln sich verändert, als Sie nach so vielen Jahren zurückkehrten?

Also der Dom steht immer noch. (lacht) Aber die Veränderung des Rheinufers, die neue Architektur dort hat mich schon sehr erstaunt.

Köln war 1794 bis 1814 französisch. Spüren Sie die Nähe zu Frankreich?

Ja, allein schon durch unser Institut hier am Sachsenring, das ja an die Kölner Uni angegliedert ist – eine wunderbare Kooperation! Übrigens gibt es hier einige Straßennamen aus meiner Heimat: Sowohl die Weißenburg- als auch die Wörthstraße im Agnesviertel beziehen sich auf elsässische Gemeinden. Woerth, wie wir es schreiben, ist bekannt durch die Schlacht vom 6. August 1870 zu Beginn des Deutsch-Französischen Krieges, der dort auch ein Museum gewidmet ist.

Sie werden NRW und Köln auch im nächsten Jahr noch erhalten bleiben. Was wünschen Sie sich für 2021?

Wie wir alle wünsche ich mir natürlich, dass die Corona-Zeit ein Ende findet. Es wäre einfach schön, wenn man bald wieder etwas ruhiger und souveräner planen könnte – das Privatleben genauso wie das Arbeitsleben.

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