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Cold Case aus Köln-PollDNA-Massentest soll zur Klärung im „Fall Seckin Caglar“ beitragen

Lesezeit 4 Minuten
Ermittler sichern Spuren an dem Ort, an dem die Leiche von Seckin Caglar im Oktober 1991 gefunden wurde.

Ermittler sichern Spuren an dem Ort, an dem die Leiche von Seckin Caglar im Oktober 1991 gefunden wurde.

Ein weiterer Cold Case in Köln wird aufgerollt: Im Fall der 1991 ermordeten Seckin Caglar werden nun zunächst 355 Männer zur Speichelabgabe aufgefordert.

Vor gut einem halben Jahr berichtete die Rundschau exklusiv von einer höchst ungewöhnlichen Maßnahme der Polizei: Eine DNA-Reihenuntersuchung soll Klarheit über ein schreckliches Gewaltverbrechen vor 31 Jahren geben – dem Mord an der damals 16-jährigen Seckin Caglar in Poll. Nun ist klar: Ab Mitte März findet die Untersuchung statt. Grundlage für die Einladung zum Massengentest ist ein vom Amtsgericht Köln erlassener Beschluss, die Abgabe des Speicheltests erfolgt zunächst freiwillig.

Seckin Caglar hatte am 16. Oktober 1991 um 18.40 Uhr ihre Arbeitsstelle in einem Coop-Supermarkt an der Siegburger Straße verlassen und war nie zu Hause angekommen. Üblicherweise fuhr die junge Frau mit der Linie 7 von der Station „Salmstraße“ bis „Poll-Autobahn“, wo sie üblicherweise ein Familienmitglied abholte. An diesem Abend aber verpasste Seckins Vater seine Tochter um wenige Minuten und wartete vergebens. Familienangehörige suchten die 16-Jährige nach ihrem Ausbleiben und fanden die entblößte Leiche schließlich am nächsten Tag in einem Gebüsch nahe der Haltestelle „Poll-Autobahn“. Sie war missbraucht und dann erdrosselt worden. Sie war einem Sexualverbrechen zum Opfer gefallen, das bislang nicht aufgeklärt werden konnte.

Das „Cold Case“-Team der Kölner Polizei um Mordermittler Markus Weber hegt nun große Hoffnungen, den Mörder und Vergewaltiger von Seckin Caglar nach so vielen Jahren doch noch fassen zu können. „Dass ihr Mörder seit mehr als 31 Jahren nicht ermittelt wurde, ist bis heute eine große Belastung für die Familie. Ein Anspruch also an uns, weiter zu machen und neuen Spuren nachzugehen. Aufgeben ist keine Option “, so Weber. Zuletzt gelang der „Cold Case“-Einheit mit der Aufklärung des Mordes an Petra Nohl vor 35 Jahren ein spektakulärer Erfolg.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln


Der Fall Petra Nohl

35 Jahre nach der Tat konnte die Polizei kürzlich einen 56-jährigen mutmaßlichen Mörder festnehmen. Der Mann soll im Februar 1988 in der Nacht auf Karnevalssonntag die damals 24 Jahre alte Petra Nohl in der Kölner Innenstadt stranguliert haben. Die Staatsanwaltschaft geht von Raubmord aus. Ein Sexualdelikt schließen die Ermittler aus.

Der Beschuldigte sitzt weiter in Untersuchungshaft. Einen Antrag auf Haftverschonung zog er in dieser Woche wieder zurück. Den Mann soll neben einer DNA-Spur am Mantel des Opfers auch die Aussage eines Hinweisgebers belasten. Der hatte sich nach der Behandlung des Falls in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ im Dezember vergangenen Jahres bei der Polizei gemeldet und sich an die Tatnacht erinnert.


355 Männer sind zum DNA-Test aufgerufen

Es geht zunächst um 355 Männer, die zum Tatzeitpunkt zwischen 14 und 75 Jahre alt waren und einen Bezug zum Stadtteil Poll hatten. Sie werden über ein persönlich adressiertes Einladungsschreiben aufgefordert, in der Janusz-Korczak-Schule eine Speichelprobe abzugeben. „Mit Hilfe neuer wissenschaftlicher Methoden wird die DNA heute so gut analysiert, dass neben dem Spurenverursacher auch mit ihm verwandte Personen erkannt werden können,“ erklärt Weber – auch über drei Jahrzehnte später.

Rund um den Tatort in Poll hat die Polizei auf einer Stadtkarte einen Kreis gezogen, fast so, wie es die Behörden nach einem Bombenfund tun, um eine Evakuierungszone festzulegen. Die Ermittler sind überzeugt, dass der Mörder aus dem damaligen Wohnumfeld der 16-Jährigen kommt. Wenn ein Bürger sie ablehnt und sich der Verdacht gegen die Person in dem Verfahren erhärtet, könnte eine Speichelprobe auch durch einen richterlichen Beschluss erzwungen werden.

In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder Ermittlungsansätze   in dem Fall gegeben, bislang allerdings ohne Erfolg. DNA-Spuren wurden nochmals in Datenbanken eingespeist, auch das brachte die Ermittler nicht weiter. Zudem verfolgte die Kripo eine weitere Spur: Der Polizei lag das Foto einer Zeugin vor, die nach dem Verbrechen anonyme Schreiben unter der Wohnungstür der Familie Caglar durchgeschoben hatte, in denen sie erklärte, den Mörder von Seckin zu kennen.

Suche nach wichtiger Zeugin

In den Briefen gab sie an, sie habe sehr große Angst und traue sich nicht, zur Polizei zu gehen. Doch obwohl ein Phantombild der Frau veröffentlicht wurde, gab es keinen entscheidenden Hinweis.

Die Polizei wird ab kommenden Mittwoch in mehreren Aktionen die Bevölkerung mit Plakaten und Flyern zur Mithilfe und Unterstützung aufrufen sowie über die DNA-Reihuntersuchung aufklären. Ebenfalls an diesem Mittwoch und dem darauffolgenden Donnerstag werden uniformierte und zivile Beamtinnen und Beamte in einer groß angelegten Plakat-Aktion in Poll unterwegs sein.

Zeitgleich werden in den Stadtbahnen der KVB-Linie 7 Hängeflyer mit einem QR-Code verteilt, um auf diesem Wege nicht nur Kölnerinnen und Kölner, sondern auch Stadtbesucher und Berufspendler zu erreichen. Außerdem wird für den Fall eine eigene Internetseite eingerichtet, um über den Ablauf der Untersuchung zu informieren.

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