Halbzeitbilanz für Kölner RatsbündnisZiel von 50 Kilometern neue Radwege wurde weit verfehlt

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Der Verkehrsversuch auf der Venloer Straße brachte dem Ratsbündnis viel Kritik ein.

Der Verkehrsversuch auf der Venloer Straße brachte dem Ratsbündnis viel Kritik ein.

Zwei Jahre Grün-Schwarz-Lila im Kölner Rat: Am 8. März unterzeichneten Grüne, CDU und Volt ihre Bündnisvereinbarung für die laufende fünfjährige Wahlperiode. Zeit für eine Zwischenbilanz zu zentralen Themen.

Klimaschutz

Köln wird bis 2035 klimaneutral – mit diesem Versprechen zog Oberbürgermeisterin Henriette Reker 2020 in die Kommunalwahl und gewann. Grüne, CDU und Volt machten „Klima- und Umweltschutz“ zum ersten Themenblock ihrer Vereinbarung. Sie setzten sich zum Ziel, bis Ende 2021 einen „Maßnahmenplan zur Erreichung der Klimaziele“ zu erarbeiten.

Tatsächlich dauerte es bis November 2022, ehe ein Gutachten vorlag, wonach Klimaneutralität in ganz Köln bis 2035 möglich sein soll. Ein Maßnahmenplan soll bis Mitte des Jahres folgen. Immerhin hat die geplante Solaroffensive bereits Fahrt aufgenommen. Seit April 2022 steht ein Fördertopf von 20 Millionen Euro pro Jahr bereit, die Zahl der geförderten Photovoltaikanlagen hat sich seitdem verdoppelt.

Fazit: Erste Schritte sind erfolgt.

Umwelt und Grün

Von den im Vertrag angekündigten Projekten ist vieles noch in Arbeit, wie das geplante Entsiegelungskataster. Der „Masterplan Stadtgrün“ soll zwar nächste Woche im Rat beschlossen werden. Es handelt sich aber nur um die erste Stufe des geplanten Konzepts zur Sicherung und nachhaltigen Entwicklung der Kölner Grünflächen. Die   Kölner Baumschutzsatzung soll im Mai verschärft werden. Die Kleingartenordnung wurde bereits nach ökologischen Kriterien überarbeitet.

Fazit: Es geht voran.

Wohnungsbau

Das Bündnis will „mehr und insbesondere bezahlbarem Wohnraum“ schaffen und sich für „Schutz und Ausbau von gefördertem Wohnraum“ einsetzen. Die Realität sieht anders aus. Im Jahr 2021 wurden 2520 Wohnungen fertiggestellt. Das waren zwar 507 mehr als im Minusrekord-Jahr 2020, aber nicht mal die Hälfte dessen, was als nötig erachtet wird, um den Bedarf zu decken – rund 6000 Wohnungen pro Jahr.

Angesichts der Inflation werden jetzt viele Wohnungsbauprojekte auf Eis gelegt. Zudem fallen in den nächsten Jahren Tausende Sozialwohnungen aus der Preisbindung, der Neubau hält mit dieser Entwicklung nicht Schritt.

Fazit: Keine Erfolgsgeschichte.

Schulbau

„Wir werden den Schulbau beschleunigen“, hat das Bündnis versprochen – und sich durchaus Mühe gegeben. Die Budgets wurden massiv aufgestockt, viele Projekte vorangetrieben, eine Schulbau GmbH gegründet. Doch Liefer- und Personalengpässe sorgten nicht nur in der Corona-Pandemie für Verzögerungen. Zwar wurde vieles gebaut, doch nach wie vor fehlen Hunderte Schulplätze in Köln.

Dieses Jahr werden erneut Hunderte Kinder an ihren Wunschschulen abgelehnt, müssen wochenlang um einen Schulplatz zittern. Auch zahlreiche Turnhallen sind marode und teils schon länger gesperrt, die Stadt kommt mit der Sanierung nicht hinterher. Man müsse hier Versäumnisse der Vergangenheit aufholen, betont Grün-Schwarz-Lila.  Doch Grüne und CDU sind im Rat bereits seit 2016 an der Macht.

Fazit: Aufgabe angepackt, aber (noch) nicht gelöst.

Verkehr

Der Rad- und Fußverkehr wird im Kapitel zur Mobilität als Erstes thematisiert. Grün-Schwarz-Lila hat den Ausbau der Fahrradinfrastruktur seit 2021 vor allem in der Innenstadt forciert, das Ziel von 50 Kilometern neuer Radwege pro Jahr aber bei weitem verfehlt. Die geplante Kapazitätserweiterung der KVB-Bahnen auf der Ost-West-Achse wurde bisher nicht umgesetzt.

Für Aufsehen sorgte der Plan, das Anwohnerparken stark zu verteuern. Noch gibt es dazu keinen Beschluss. Im Bündnisvertrag steht, dass alle Straßen untersucht werden sollen „mit dem Ziel, die Aufenthaltsqualität zu steigern und den Straßenraum für den Vorrang anderer Mobilitätsarten, wie ÖPNV, Fahrrad- oder Fußverkehr, anzupassen“. Auf der Venloer Straße wird dies im Rahmen eines Verkehrsversuchs getestet, der dem Ratsbündnis scharfe Kritik von allen Seiten eingebracht hat.

Fazit: Durchwachsen.

Stadtspitze

Die Umsetzung des im Vertrag vereinbarten Plans, den Stadtvorstand neu zu strukturieren und zwei neue Dezernate zu schaffen, dauerte deutlich länger als geplant. Die Wahl von William Wolfgramm als Dezernent für Klima, Umwelt und Liegenschaften, im Juni 2021 lief noch glatt. Doch die Besetzung des Dezernats für Wirtschaft, Stadtentwicklung, Digitalisierung und Regionale Zusammenarbeit mit Andre Haack klappte erst nach drei Versuchen.

Fazit: Holprig.

Kultur

Das Bündnis hat angekündigt, dass der Kulturetat für die freie Szene ab 2022 jedes Jahr um eine Million Euro steigt. Es war sogar mehr. Das Kulturdezernat nannte auf Anfrage folgende Budgets. 2021: 10,8 Millionen Euro. 2022: 11,9 Millionen. 2023 13,2 Millionen. 2024: 14,2 Millionen.

Fazit: Wort gehalten.

Konflikte

Insbesondere bei Verkehrsthemen knirscht es häufig zwischen CDU und Grünen. Das zentrale Streitthema Ost-West-Achse ist ungeklärt, die Vorplanung zur Tunnelvariante läuft noch. Die Entscheidung für einen ober- oder unterirdischen Ausbau wird zur Zerreißprobe für CDU und Grüne, eine Mehrheit im Rat für einen Tunnel ist theoretisch gegen die Grünen möglich. Konfliktreich ist auch das Thema Zentralbibliothek. Die Grünen wollen sanieren, die CDU liebäugelt mit Abriss und Neubau.

Fazit: Es bleibt spannend.