Die Landesregierung will die Stellenzuschläge für Schulen in sozialen Brennpunkten halbieren. Während das Schulministerium Bestandsschutz verspricht, warnt die GEW vor dramatischen Folgen.
Rundschau-DebatteLegt NRW ausgerechnet im Sozialen den Rotstift an?

Ein Rotstift vor dem Wort „sparen“ (Symbolbild)
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Matthias Korfmann Düsseldorf Nordrhein-Westfalen ist stolz auf seinen „schulscharfen Sozialindex“. Damit werden schon seit vier Jahren Schulen identifiziert, die in sozialen Brennpunkten liegen und mehr Personal, mehr Geld und eine bessere Ausstattung erhalten sollen als andere. Bisher können sich die etwa 1000 Schulen, die den oberen vier von neun Indexstufen zugerechnet werden, auf diese Unterstützung verlassen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW warnt nun aber davor, dass die ums Sparen ringende Landesregierung ausgerechnet an diesem Prestigeprojekt den Rotstift ansetzen könnte.
Reduzierung der Stellenzuschläge geplant
Wer den Entwurf für den Haushaltsplan 2025 und den Haushaltsentwurf 2026 nebeneinanderlegt, stößt auf eine interessante Veränderung im Detail: Es gibt offenbar Pläne, die Zuschläge für Stellen an Brennpunktschulen zu halbieren. Dann würden zum Beispiel aus fünf Prozent Stellenzuschlag bei Schulen in der Stufe sechs zweieinhalb Prozent, aus 20 Prozent Zuschlag in der Stufe neun würden zehn Prozent.
Die Folgen wären dramatisch, befürchtet die GEW. Eine durchschnittlich große Gesamtschule mit 120 Lehrkräften in der Indexstufe neun bekäme dann statt 24 nur noch zwölf zusätzliche Stellen. Eine Grundschule mit 22 Lehrkräften dürfe nur noch auf zwei statt auf vier zusätzliche Stellen hoffen.
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Kritik an Kürzungsplänen der Landesregierung
GEW-Landeschefin Ayla Çelik wirft der Landesregierung vor, beim Sozialindex unangemessen zu sparen. „Sie schwächt das Instrument an zentraler Stelle, sodass die erhoffte Unterstützung ausgerechnet die Einrichtungen nicht erreicht, die sie am meisten brauchen.“ Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit gebe es nicht zum Spartarif.
Die Landesregierung weist die Vorwürfe der Gewerkschaft zurück: „Keine Schule wird schlechter gestellt“, hieß es aus dem Schulministerium. Im Gegenteil: Nach einer Umstellung beim Sozialindex würden nun nicht mehr nur – wie früher – acht Schulen der höchsten Indexstufe neun zugeordnet, sondern 210. Auch Schulen, die bislang noch keine zusätzlichen Stellen erhalten hätten, profitierten: „Sie werden nach dem neuen Sozialindex höher eingestuft als es nach dem alten Modell der Fall gewesen wäre“, so das Ministerium.
Keine einzige der bisherigen Schulen im Sozialindex müsse befürchten, künftig weniger Stellen zu bekommen. Für sie alle gelte ein „Bestandsschutz“, beteuert das Schulministerium. Das bedeute: Sie erhielten nach der Reform genau den Stellenzuschlag, der für sie vorher schon gegolten habe. Wenn also eine Gesamtschule bisher mit 24 zusätzlichen Stellen rechnen konnte, bleibe es auch bei 24.
SPD kritisiert Sparpläne im Kampf gegen Schrottimmobilien
Dann drängt sich allerdings die Frage auf, warum die Stellenzuweisungen überhaupt vor der Halbierung stehen. Wenn alles im Prinzip so bleibt wie bisher, dann wäre dieser Schritt verzichtbar. Die GEW vermutet Härten für Schulen, die künftig in die höheren Sozialindexstufen rutschen und damit Anspruch auf mehr Stellen geltend machen.
Die SPD im Landtag wirft der schwarz-grünen Landesregierung vor, noch an einer anderen Stelle sparen zu wollen: beim Kampf gegen Schrottimmobilien. Im Kommunalwahlkampf gehörte Gelsenkirchen zu den bevorzugten Zielen von Spitzenpolitikern aus Bund und Land, unter ihnen NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Sie wollten dem Eindruck entgegentreten, man kümmere sich nicht genug um Probleme wie die Armutszuwanderung ins Ruhrgebiet und ihre Folgen.
Ministerium verteidigt Maßnahmen gegen Schrottimmobilien
Laut den Haushaltsplänen der NRW-Regierung sollen insgesamt zehn Millionen Euro, die für attraktivere Städte und Ortszentren und für den Abriss von Schrottimmobilien gedacht sind, gestrichen werden. „Die Glaubwürdigkeit der Landesregierung, den Städten und Gemeinden mit Schrottimmobilien zu helfen, die besonders hohe Integrationsleistungen tragen müssen, wird sich daran zeigen, ob die geplanten Kürzungen zurückgenommen werden“, sagte NRW-SPD-Chefin Sarah Philipp dieser Redaktion.
NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) will diesen Vorwurf nicht stehen lassen. Sie wirft Philipp an dieser Stelle „faktenfreie Behauptungen“ vor. Das Kommunalministerium gehe mit 30 Millionen Euro „konsequent und erfolgreich“ gegen Schrottimmobilien in Gelsenkirchen vor, gemeinsam mit Noch-Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) und der Stadtverwaltung. „Bundespolitiker geben sich zu dem Thema in Gelsenkirchen die Klinke in die Hand, aber Geld haben sie nicht mit dabei. Das Geld kommt allein vom Land“, so Scharrenbach.
Mehr als 500 Schrottimmobilien gibt es in Gelsenkirchen und etwa 3000 so genannte „Schlechtwohnungen“. Die Stadt ist mit dem Land NRW und dem Bund eine „Zukunftspartnerschaft“ eingegangen mit dem Ziel, diese Häuser nach und nach abzureißen. Der Löwenanteil kommt vom Land: 30 Millionen Euro bis jetzt.
Weitere Opposition gegen geplante Sparmaßnahmen
Das zehn Millionen Euro schwere und NRW-weite „Zentrenprogramm“, das nun gestrichen werden soll, habe damit nichts zu tun. Es sei schon in der Corona-Zeit aufgelegt worden, enthalte Geld von Bund und Land, und ende nun planmäßig, so Scharrenbach.
Die Opposition rückt vom Rotstift-Vorwurf aber nicht ab. Sarah Philipp wirft der Landesregierung vor, allein im großen Feld der Städteentwicklung insgesamt 84 Millionen Euro kürzen zu wollen.
Auch in den Hochschulen klingeln die Alarmglocken. Es verdichten sich die Signale, dass die 29 Universitäten und Fachhochschulen des Landes ab dem Haushaltsjahr 2026 eine Kürzung der Grundfinanzierung bis zu 255 Millionen Euro hinnehmen sollen. Die Universität Köln hat schon angekündigt, ihre Ausgaben um zehn Prozent zu senken.