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Landtagswahl in NRWWie der Ukraine-Krieg den Wahlkampf beeinflusst

Lesezeit 3 Minuten
Kutschaty und Scholz

NRW-SPD-Chef Thomas Kutschaty (r.) und Kanzler Olaf Scholz 

Düsseldorf – Olaf Scholz kommt am Montagabend leicht verspätet aus einer Konferenz mit Joe Biden, Emmanuel Macron und Boris Johnson, als er in ein rot illuminiertes Studio zu Thomas Kutschaty geschaltet wird. Der Kanzler winkt in die Kamera und sagt, dass er sich auf das „digitale Zukunftsgespräch“ mit der NRW-SPD „in ernsten Zeiten“ freue. Zwischen Weltfrieden und Wahlkampf-Verpflichtung liegen für „den Olaf“, wie der Regierungschef von der Moderatorin ausdauernd genannt wird, aktuell nur Minuten.

Das Bild von Olaf Scholz hat sich deutlich gewandelt

Noch vor wenigen Wochen kämpfte Scholz gegen den Ruf an, ein entscheidungsschwacher „Scholzomat“ zu sein. Die SPD an Rhein und Ruhr musste befürchten, dieser neue Kanzler könnte womöglich ein Bremsklotz und keine Lokomotive werden für die wichtige Landtagswahl am 15. Mai. Das hat sich gründlich geändert.

Im Ukraine-Krieg erweist sich Scholz als führungsstarker Krisenmanager. Die Zustimmungswerte für die SPD steigen, die wachsende Popularität des ruhigen „Kriegskanzlers“ könnte auch den Genossen im einstigen roten Stammland helfen. Dass Scholz in schwierigster Weltlage eine Dreiviertelstunde lang geduldig Fragen der NRW-Parteibasis bis hin zu sozialem Wohnungsbau und „guter Bildung“ beantwortet, wird ihm von Kutschaty hoch angerechnet.

Zwischen Scholz und Kutschaty passt kein Blatt Papier

Der Spitzenkandidat der NRW-SPD spendet „dem lieben Olaf Dank, Anerkennung und Respekt“ für diese Geste – die zugleich zeigt, wie wichtig der Bundespartei und der Ampel-Koalition der Wahlgang in Düsseldorf ist. Einst galt Kutschaty als innerparteilicher Gegner von Scholz. Doch seit der Bundestagswahl passt kein Blatt Papier mehr zwischen sie.

Dabei könnte Kutschaty im Wahlkampf Probleme mit Teilen der eigenen Partei bekommen, die nicht geschlossen hinter dem Scholz-Vorstoß steht, die Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro extra aufzurüsten. Konstantin Achinger, Chef der Jungsozialisten (Jusos) in NRW, lehnt dieses „Sondervermögen“ für die Streitkräfte ab. Auch die große Gruppe der Senioren in der SPD (AG 60 plus) ist skeptisch.

Der Ukraine-Krieg hat die politischen Verhältnisse in Düsseldorf kräftig durchgeschüttelt. Normalerweise werden Landtagswahlen durch drei Faktoren entschieden: den Amtsbonus des Ministerpräsidenten, die Zufriedenheit mit der Bildungspolitik, den Bundestrend. Die Meinungsforscher erwarteten bislang ein knappes Rennen zwischen Kutschaty und CDU-Regierungschef Hendrik Wüst. Nun aber ist unklar, wie sich die Verschiebung des Themenfokus durch die allgemeine Angst vor einem Dritten Weltkrieg und das große Mitleid mit den Ukrainern acht Wochen vor dem Urnengang in NRW auswirkt.

Klassische Themen sind nicht gefragt

Für klassische Landesthemen wie die miserabel benotete Schulpolitik interessiert sich gerade niemand, was der schwarz-gelben Regierungskoalition normalerweise helfen könnte. Doch Wüst, der als Nachfolger Armin Laschets erst seit Oktober im Amt ist und sein Image noch aufbauen muss, dringt auch mit keinem anderen Wahlkampf-Termin mehr durch. Selbst der Vorsitz der Ministerpräsidenten-Konferenz, der Wüst in der Corona-Pandemie einige Prominenz bescherte, wirkt im Schatten des Krieges politisch wertlos.

Als wahlentscheidend könnte sich nun erweisen, ob Land und Kommunen bis Mai die sich anbahnende Flüchtlingskrise professionell bewältigen. 2015 hat gelehrt, wie schnell eine hilfsbereite „Willkommenskultur“ umschlagen kann. FDP-Spitzenkandidat und NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp weiß das wohl am besten. Heftige interne Debatten stehen auch noch den Grünen ins Haus, die Wüst zu gern für eine schwarz-grüne Koalition gewinnen würde, um eine nicht unwahrscheinliche Ampel-Regierung in NRW zu verhindern.

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Aufrüstung der Bundeswehr als Staatsräson, Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, Versorgungssicherheit im Zweifel vor Klimaschutz – all das rührt an ur-grüne Gewissheiten, auch wenn Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock gerade für ihre Klartext-Diplomatie viel Anerkennung erfährt. Putins blutiger Angriffskrieg habe eben „eine neue Welt geschaffen“, sagt Spitzenkandidatin Mona Neubaur. „Diese nüchterne Analyse bedeutet automatisch, dass alte Gewissheiten auf den Prüfstand gehören.“ Das gelte sowohl für die Energie- als auch für die Finanz- und Sicherheitspolitik.