Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Abschiebungen nach SyrienVergleich mit Deutschland 1945 – Wadephul mit „desaströser“ Rede

4 min
Harasta am 30. Oktober: Bundesaußenminister Johann Wadephul (M., CDU) während seines Besuchs eines humanitären Projekts mit Raed Saleh (r.), Minister für Katastrophenschutz in Syrien

Harasta am 30. Oktober: Bundesaußenminister Johann Wadephul (M., CDU) während seines Besuchs eines humanitären Projekts mit Raed Saleh (r.), Minister für Katastrophenschutz in Syrien

Aus der Sitzung der Unionsfraktion wurden schnell Interna bekannt: Wadephul zog bei seiner Verteidigung einen umstrittenen Vergleich. 

Die Union kommt nicht zur Ruhe: Bundesaußenminister Johann Wadephul rudert in der Frage der Abschiebungen nach Syrien nicht zurück, sondern legt nach und befeuert damit den parteiinternen Konflikt. In der Sache geht es um die Frage, ob die von CDU und CSU geplanten Rückführungen in das zerstörte Land nach Kriegsende zumutbar und rechtens sind oder nicht.

Bei seinem Besuch in Syrien hatte der CDU-Minister sich schockiert gezeigt und gesagt, „kurzfristig“ könne es keine Rückkehr nach Syrien geben, denn: „Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben.“ Ausnahmen seien syrische Straftäter. Dafür hatte es viel Kritik aus der eigenen Partei gegeben. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte einige Tage später die Unionslinie klargestellt, dass mit dem Ende des Bürgerkrieges auch der Asylgrund weggefallen sei.

„Kein Weichei“ – Wadephul vergleicht Syrien mit Deutschland 1945

Nun sorgte Wadephul mit weiteren Äußerungen zur Lage in Syrien für Aufregung. In der Sitzung der Bundestagsfraktion am Dienstagnachmittag soll er nach Angaben mehrerer Teilnehmer gesagt haben, Syrien sehe schlimmer aus als Deutschland 1945. Das wurde der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bestätigt, nachdem vorher bereits mehrere andere Medien darüber berichtet hatten. Das Auswärtige Amt äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht.

Zuvor sprach Wadephul nach Angaben der „Bild“ zudem von seiner „halbstündigen apokalyptischen Autofahrt durch die Mitte von Damaskus“, die er bei seinem Besuch erlebt habe.

Ein weiteres Detail wurde außerdem aus der Fraktionssitzung bekannt. Wie die „Rheinische Post“ berichtet, soll Wadephul im Zuge seiner Verteidigungsrede auch weitere ungewöhnliche Formulierungen verwendet haben. Der 62-Jährige sagte demnach zu seinen Eindrücken aus Syrien: „Das kann man als Christdemokrat auch mal sagen. Deswegen bin ich kein Weichei. Deswegen bin ich nicht dagegen, dass Rückführungen durchgeführt werden.“

Seine Äußerungen vom menschenunwürdigen Leben wolle er nicht zurücknehmen, das könne man als „christdemokratischer Außenminister“ sagen, er fände dies „angemessen“, so Wadephul und verwies auf das Kreuz im Fraktionssaal, wie auch andere Journalisten berichten.

Wenig Applaus für Wadephul

Insgesamt gab es der dpa zufolge wenig Applaus für die Ausführungen des Außenministers. Mehrere Teilnehmer der Sitzung äußerten sich irritiert über die Aussagen. Ein Abgeordneter bezeichnete den Auftritt Wadephuls in der Fraktion als „schlimm“ und „desaströs“. Die Unterstützung für den Außenminister in der Fraktion schwinde.

Da half es wenig, dass Wadephul vor der Sitzung erneut betont hatte, er befürworte die Rückführung von Straftätern und Gefährdern nach Syrien und Afghanistan. Es gebe „überhaupt keine Differenz“, so der Außenminister. Zudem arbeite man mit Hochdruck daran, dass eine größere Zahl von Syrern freiwillig zurückkehre, damit diese ihr Land wieder aufbauten. Genau das habe auch Merz gesagt, betonte Wadephul.

Spahn kritisiert späte Klarstellung

Viele in der Union ärgert es, dass Wadephul seine Äußerung nicht früher selbst geradegerückte. So sagte Fraktionschef Jens Spahn (CDU) an die Adresse des Außenministers: „Gelegentlich hilft es im Zweifel, dann schnell die Dinge auch noch mal klarzustellen und einzuordnen.“ Laut „Spiegel“ gibt es bereits erste Stimmen, die hinter vorgehaltener Hand Wadephuls Rücktritt fordern. Der Außenminister habe insgesamt einen angeschlagenen Eindruck gemacht, heißt es unter Berufung auf Teilnehmer.

Allerdings ist in der Union nicht nur der Ärger über Wadephul groß, sondern auch die Kritik an der Kommunikation im Kanzleramt. Die Merz-Klarstellung erfolgte am Montag demnach zu spät. Zudem sage es viel über den Zustand der Partei aus, dass Interna aus der Fraktionssitzung wenig später in der Presse und in den sozialen Medien landen, so der Tenor.

Haßelmann beklagt „Führungslosigkeit“ des Kanzlers

Einzelne Politiker anderer Parteien kommentieren das Kommunikationsdesaster in der Union ebenfalls und sprechen von einer eigentlich gebotenen Auswechslung an der Spitze des Außenministeriums, so auch der Hamburger FDP-Landesvorstand Gert Wöllmann.  

Die Grüne Opposition stimmte Wadephul dagegen bereits vor Tagen in der Sache zu. Beim ARD-Talk mit Sandra Maischberger bekräftige Fraktionschefin Britta Haßelmann ihre Position. Wadephul habe in Syrien „empathisch“ reagiert, so die Grüne, das sei auch gut so.

Merz stellte Haßelmann dagegen ein schlechtes Zeugnis aus und sprach von „Führungslosigkeit“ des Kanzlers. Sie selber habe nach dessen „Großspurigkeit“ als Oppositionschef nicht erwartet, einen so „schlechten“ Kanzler zu bekommen. Bei den wichtigen aktuellen Themen gebe es in der Koalition ohnehin nur Streit, und nun komme noch der „Shitstorm“ aus der CDU-Fraktion gegen Wadephul hinzu. (mit dpa)