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ExtremismusklauselGrüne in Erftstadt wollen politischen Spielraum für die AfD einschränken

Lesezeit 5 Minuten
Auf dem Foto ist ein Mann mit Vollbart in weißem Hemd und einer Schiebermütze zu sehen.

Thommy Mewes ist „froh und auch ein bisschen stolz, dass wir dieses Maßnahmenpaket jetzt auf den Weg bringen“. So soll die AfD Schulen nicht für Veranstaltungen nutzen dürfen.

 Stadtverwaltung und Politik müssten schnellstmöglich Schritte ergreifen, um Bürger vor extremistischen Einflüssen zu schützen.

Als erste Partei im Rhein-Erft-Kreis fordern die Grünen in Erftstadt politische Konsequenzen daraus, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz  die Alternative für Deutschland (AfD) bundesweit als ,,gesichert rechtsextremistisch" eingestuft hat.

In einem Schreiben an Bürgermeisterin Carolin Weitzel (CDU) führen Vertreterinnen und Vertreter der Ratsfraktion aus, dass die Stadt vor diesem Hintergrund nun verpflichtet sei, ihre kommunale lnfrastruktur, die lntegrität ihrer Verwaltung sowie das friedliche Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger „wirksam vor extremistischen Einflüssen zu schützen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit pro­aktiv abzuwehren“.

Erftstadt: Grüne fordern Einführung einer kommunalen Extremismusklausel

Bürgermeisterkandidat Thommy Mewes hatte den Antrag, mit dem sich die Ratsgremien beschäftigen sollen, auf seiner Facebookseite veröffentlicht. Die Grünen argumentieren: Der Verfassungsschutz habe amtlich festgestellt, dass die AfD aktiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeite und nunmehr der vollen geheimdienstlichen Beobachtung unterliege.

Um dem Umstand Rechnung zu tragen, fordern die Grünen um ihre Fraktionsvorsitzenden Stephanie Bethmann und Alexander Walek unter anderem die Einführung einer kommunalen Extremismusklausel. Darin soll verankert werden, dass Antragsteller in allen Verträgen mit der Stadt Erftstadt bestätigen, dass sie die „Ziele der freiheitlich-demokratischen Grundordnung achten und keine menschenfeindlichen, rassistischen oder verfassungsfeindlichen lnhalte verbreiten“.

Ich bin froh und auch ein bisschen stolz, dass wir dieses Maßnahmenpaket jetzt auf den Weg bringen
Thommy Mewes

Zudem müssen sie unterschreiben, dass sie keiner ,,gesichert extremistisch" eingestuften Organisation angehören oder in deren Auftrag handeln, heißt es in dem Antrag weiter.

Diese Erklärung sei unabdingbare Voraussetzung für die Gewährung von Zuschüssen, die Anmietung städtischer Räume sowie die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen. Stand- und Sondernutzungen öffentlicher Straßen und auf Märkten sollen nach Auffassung der Grünen-Fraktion in Erftstadt als ,,gesichert extremistisch" eingestuften Organisationen grundsätzlich versagt werden.

Auf dem Foto ist Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker zu sehen.

Kölns Oberbürgermeister Henriette Reker möchte die Politiker davon überzeugen, dass die Stadt keine Schulräume mehr an Parteien vermietet.

Auch von Veranstaltungen in Schulen und auf Sportstätten sollen  Organisationen und Parteien wie die AfD künftig ausgeschlossen werden. Ausnahmen dürften nur für Wahlkampfveranstaltungen im Rahmen der gesetzlich garantierten Chancengleichheit der Parteien (§ 5 PartG) sowie für hoheitliche Pflichtaufgaben gelten.

Die Grünen weisen den Verantwortlichen im Rathaus weitreichende Handlungsmöglichkeiten zu. Bei „zweifelhaften Sachlagen oder begründeten Härtefallen“ könnten sie eine Anhörung anordnen und bei fortbestehendem Verdacht die Nutzung untersagen oder bereits laufende Veranstaltungen abbrechen. Dadurch entstehende Kosten gingen grundsätzlich zulasten des Veranstalters.

Erftstadt: Grüne sehen Stadt in der Pflicht, Grund- und Menschenrechte zu schützen

Darüber hinaus fordern die Grünen in ihrem Papier, dass die Stadtverwaltung bis Ende Januar 2026 ein Handlungskonzept gegen Extremismus vorlegt, das unter anderem Aufklärungs- und Präventionsarbeit in Schulen, Kitas und Jugendzentren, die Förderung von Projekten zur Demokratieförderung und Extremismusprävention beinhalte. Zudem soll eine Meldestelle für Hate Speech – eine niedrigschwellige Anlaufstelle für Hassrede im Netz – geschaffen werden.

Die Voraussetzungen für diese Schritte sind nach Einschätzung der Grünen-Fraktion in Erftstadt gegeben: Die Stadt verfüge über das Recht, Bedingungen für die Nutzung ihrer Einrichtungen festzulegen. Zugleich ergebe sich aus  dem staatlichen Schutzprinzip die Pflicht, Bürgerinnen und Bürger vor Angriffen auf ihre Grund- und Menschenrechte zu schützen.

Die Haltung der Grünen zur Wehrhaftigkeit der Demokratie ist glasklar
Christian Schubert

Denn die Einstufung der AfD als ,,gesichert rechtsextremistisch" durch das Bundesamt für Verfassungsschutz schaffe eine konkrete Gefahrenprognose, die ein entschiedenes Verwaltungshandeln rechtfertige. An dieser Gefahrenprognose ändere auch die sogenannte „Stillhalte­zusage" nichts.

Die Fraktion der Grünen hatte zu Wochenbeginn einstimmig beschlossen, diesen Antrag einzureichen. Bürgermeisterkandidat Mewes sagte, es liege ihm „persönlich sehr am Herzen. Ich bin froh und auch ein bisschen stolz, dass wir dieses Maßnahmenpaket jetzt auf den Weg bringen“.

Das Foto zeigt einen jungen Mann mit blondem Haar. Er trägt ein blaues Sakko und ein bordeaux-rotes Hemd.

Christian Schubert ist Kreisvorsitzender der Grünen.

Nach Angaben des Kreisvorsitzenden Christian Schubert beabsichtigen die Grünen nicht, dem Erftstädter Vorstoß folgend gleichlautende Anträge in die Stadträte in den anderen neun Kommunen einzubringen. Auszuschließen sei dies jedoch nicht. Grundsätzlich sei die Haltung von Partei und Fraktionen zur Wehrhaftigkeit der Demokratie „glasklar“.

Die AfD betrachtet den Grünen-Antrag als „unverhohlenen Angriff auf die Grundprinzipien unserer Demokratie sowie auf die politische Vielfalt in unserem Kreis“. Die AfD sei eine demokratisch legitimierte Partei und habe – wie jede andere Partei – das Recht, öffentliche Räume und Flächen zu nutzen, teilte Kreissprecher Jeremy Jason mit.

Das Vorgehen der Grünen schafft einen gefährlichen Präzedenzfall für willkürliche Einschränkungen politischer Rechte
Jeremy Jason

Die Klausel sei nicht nur rechtlich bedenklich, „sondern auch zutiefst diskriminierend“. Sie diene offenkundig dem Zweck, unliebsame politische Mitbewerber auszugrenzen und zu diffamieren. Das Vorgehen der Grünen gefährde zudem die Meinungs- und Versammlungsfreiheit und schaffe einen „gefährlichen Präzedenzfall für willkürliche Einschränkungen politischer Rechte“, so Jason weiter. Er fordert die Stadt Erftstadt auf, die Gleichbehandlung aller politischen Kräfte sicherzustellen. 

Die Stadt Köln hatte bereits im Dezember 2024 eine Extremismusklausel veröffentlicht. Darin wurde beschlossen, dass extremistische, rassistische und antisemitische Gruppen keine öffentlichen Einrichtungen der Stadt mehr anmieten dürfen. Gleichwohl beabsichtigt die AfD, am 17. Mai  im Erich-Gutenberg-Berufskolleg zu tagen.

Sie beruft sich auf ihre demokratischen Rechte. Die Partei brauche die Räume für die rund 300 Mitglieder in Köln, um Kandidaten für den Stadtrat oder Parteivorstände wählen zu können. Man komme nur den Forderungen des Parteiengesetzes nach.

Mehrere Initiativen hatten in einem Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker gefordert, sie solle die Veranstaltung untersagen. Die Stadtchefin sagte, sie fände es gut, wenn der Rat beschließen würde, zumindest keine Schulräume mehr an Parteien zu vermieten. Eine  Entscheidung darüber wird erst in mehreren Wochen fallen.

Derweil bereitet sich die Kölner Polizei für Samstag mit einem Großaufgebot auf zwei Gegenveranstaltungen zu der Mitgliederversammlung der AfD vor. Neben der „antifaschistischen Aktionsplattform Köln gegen Rechts“ hat auch „Mülheim gegen Rechts“ eine Kundgebung in unmittelbarer Nähe zum Schulgebäude angemeldet.