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Ruhestand mal andersBonner Organisation vermittelt Senioren weltweit als Experten

Lesezeit 4 Minuten
Bonner Organisation schickt Senioren als Experten ins Ausland: Sie teilen ihr Wissen weltweit für nachhaltige Entwicklung. (Archivbild/Symbolbild)

Bonner Organisation schickt Senioren als Experten ins Ausland: Sie teilen ihr Wissen weltweit für nachhaltige Entwicklung. (Archivbild/Symbolbild)

Im Ruhestand um die Welt: Bonner Ehepaar hilft ehrenamtlich mit Fachwissen in Entwicklungsländern.

Manche Rentner füttern Enten im Park oder stricken Socken für ihre Enkel. Nicht so das Bonner Ehepaar Ulrich Faigle und Georgia Harder-Faigle. Denn der pensionierte Mathematiker und die ehemalige Gynäkologin beraten lieber Hochschulen in Indonesien oder fahren als medizinische Ausbilder per Rikscha durchs Hochland von Bangladesch.

Die beiden erzählen von ihren Hilfseinsätzen rund um den Globus für den „Senior Expert Service“, kurz SES. Und erklären, warum sie sich dafür mit über 70 Jahren noch in Wüste und Dschungel begeben.

Medizin mit Mission – Ärztin reist für den SES um die Welt

„Ich war immer schon abenteuerlustig“, sagt die gebürtige US-Amerikanerin Harder-Faigle. „Die Welt da draußen ist eine spannende Sache. Mit dem SES kann ich meinen Beruf ausüben und diese Welt sehen.“

Ihre internationalen Einsätze ließen sich gut mit der Leidenschaft für Medizin und der Hilfe für Menschen verbinden. Seit 2018 war sie bereits fünf Mal im Ausland - etwa in Bangladesch, Kamerun und zuletzt in Tansania.

So funktioniert der Senior Experten Service (SES)

Aber was ist der SES? Kurz gesagt: eine unter anderem staatlich geförderte Organisation, die durch Wissensvermittlung meist in Entwicklungsländern Hilfe zur Selbsthilfe anbietet. Dazu sind beim in Bonn ansässigen SES laut Sprecherin Heike Nasdala über 14.000 Experten aus 500 Berufsfeldern registriert - mehrheitlich im Rentenalter.

Auf Anfrage aus dem In- und Ausland werden diese Experten losgeschickt, um ehrenamtlich ihr Fachwissen weiterzugeben. Zwischen 1983 und 2024 hat der SES nach eigenen Angaben fast 70.000 solcher Einsätze in 171 Ländern durchgeführt.

Eine dieser Touren führte Harder-Faigle in die Wüste von Marokko. Dort habe sie in einem „Haus der Mütter“ Hebammen und Mütter geschult. Frauen können sich in der Einrichtung vor, während und nach der Geburt ihrer Kinder für einige Tage aufhalten.

Von Fachpersonal werden sie in der Kinder- und Selbstpflege unterwiesen. „Die Frauen verschwinden danach wieder in der Wüste, müssen aber Symptome bei sich und den Kindern erkennen können, etwa bei Kindbettfieber“, so die 72-Jährige.

Wüstenrealität statt Romantik – Herausforderungen für Schwangere in Marokko

Oft konfrontierten die Aufenthalte die Wahl-Bonnerin mit der harten Realität. In Marokko habe sie die Schönheit der Wüste gesehen, aber auch gemerkt: Die Wildnis ist nicht romantisch. „Wenn eine schwangere Frau auf einem Esel anreist, dann kommt einem das zunächst biblisch vor.“

Am Ende zeige sich darin aber ein Mangel an moderner Infrastruktur. Und nicht nur die schlechten Transportwege bedingen laut der Ärztin eine hohe Kinder- und Müttersterblichkeit in dem Land. „Viele Schwangere können keine Einrichtung aufsuchen, weil ihre Männer nicht wollen, dass ihre Frauen eine Woche weg sind von der Familie.“

Gegen die Verhältnisse helfe die Fachausbildung vor Ort, so die Medizinerin. Vor ihrer Ankunft sei es etwa üblich gewesen, nach der Geburt eine Kohleschmiere auf die Nabelschnur eines Kindes aufzutragen. Die Gynäkologin habe vermitteln können, dass diese marokkanische Praxis dem Heilungsprozess eher schadet. Solche Professionalisierung sei Ziel ihrer Einsätze.

Wissenschaft weltweit: Ruheständler erleben überraschende Einblicke

Ihr Mann hat als ehemaliger Professor an der Uni Köln in den Jahren 2023 und 2024 islamische Universitäten auf den Inseln Sumatra und Java in Indonesien beraten. Die Hochschulen seien vor allem an länderübergreifender Zusammenarbeit interessiert - wie man sich vernetzt, wie man international forscht und Fördermittel erhält.

In Asien sei er von einigen Begebenheiten überrascht worden, berichtet der 78-Jährige. So seien an den religiösen Hochschulen rund 50 Prozent der Lehrenden Frauen gewesen. „In einem Fall hat mich als Rektorin eine 29-Jährige begrüßt“, erinnert sich der Wissenschaftler. Auch er könne in den Einsatzländern noch etwas für die Heimat lernen. „Man sieht alles gelassener, auch das, was im eigenen Land passiert“, so Faigle.

Für die Zukunft hofft der Service auf ausreichende Unterstützung - durch Staat und Fundraising. Schon unter der Ampelregierung habe es Kürzungen gegeben. 2022 brachen die SES-Experten zu 949 Einsätzen auf - ein Jahr später waren es laut Nasdala nur noch 797. Die Sprecherin resümiert: „Wir bekommen nur eine bestimmte Menge Geldes, und damit kann man nur eine bestimmte Menge an Einsätzen durchführen.“ (kna)