EnergiewendeIHK Köln präsentiert Windkraft-„Schuldenuhr“

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Über dem IHK-Haupthaus in Köln prangert die Windkraft-Schuldenuhr fehlende Windkraftanlagen an.

Über dem IHK-Haupthaus in Köln prangert die Windkraft-Schuldenuhr fehlende Windkraftanlagen an.

Skepsis am Gelingen der Energiewende in dem geplanten Zeitraum kommt von vielen Seiten. So wird über die Fortschritte diskutiert.  

„Plakative Sachen sind einfacher zu verstehen“ erklärt Nicole Grünewald, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer zu Köln (IHK Köln). Sie meint damit die Windkraft-„Schuldenuhr“, die jetzt über dem IHK-Haupthaus zu sehen ist. Sie soll eine Art Mahnmal sein und auf Windkraftanlagen hinweisen. Genauer auf die Anlagen, die in Nordrhein-Westfalen bis zum geplante Kohleausstieg 2030 laut IHK benötigt werden, um das Land mit ausreichend Strom zu versorgen.

„Wir monitoren, ob alles so gebaut wird, wie es gebaut werden soll“, sagt Grünewald weiter. Aktuell zeigt die Uhr, dass 1413 von 1500 Windrädern fehlen. 1500 Räder seien einer Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln folgend realistischerweise für eine gesicherte Energieversorgung notwendig. Außerdem fehlen laut EWI-Studie 15.000 Fußballfelder Freiflächen-Photovoltaik. Zwar sei die IHK „auf keinen Fall“ gegen die Transformation hin zu erneuerbarer Energie, jedoch befürchte sie, dass der Kohleausstieg bis 2030 nicht mehr zu schaffen sei. Der Ausbau von erneuerbarer Energie hinke weit hinter den Zielen her.

So fordert Grünewald: „Kein Ausstieg ohne Einstieg. Man kann nicht einfach etwas abschalten. Wir brauchen Sicherheit. “ Die Unternehmen seien sehr verunsichert aufgrund der Situation. Ihnen müsse man eine Perspektive geben. Rund um den geplanten Kohleausstieg 2030 war es zu einem Zerwürfnis mit den anderen IHK-Kammern gekommen und die IHK Köln war aus dem Dachverband ausgetreten. „Wir glauben es ist wichtig, Klartext zu reden. Wenn wir eines gelernt haben ist es, dass das Schönreden nicht funktioniert“, so Grünewald Die IHK lege mit ihrer Windkraft-„Schuldenuhr“ den Finger in die Wunde.

„Energiewende nicht auf Kurs“

Die IHK Köln ist mit ihrer Skepsis nicht allein. „Energiewende nicht auf Kurs“, hatte der Bundesrechnungshof am Donnerstag einen 58-seitigen Sonderbericht zur Energiewende überschrieben. Nachsteuern sei dringend erforderlich, und das gleich auf mehreren Feldern. Der Ausbau der Erneuerbaren verlaufe schleppend, heißt es in dem Bericht. Nur knapp die Hälfte der 12,84 Gigawatt (GW) an vorgesehener Leistung von Windkraftanlagen an Land sei 2023 vergeben worden. Dadurch erhöhe sich das Ausschreibungsvolumen im laufenden Jahr um 6,48 GW – das entspricht der Leistung von sechs großen Kohleblöcken oder Atomkraftwerken - auf 16,48 GW. Das sei nicht realistisch.

Der Ausbau der Übertragungsnetze, die Strom aus dem Norden in den Süden der Republik bringen sollen, habe im dritten Quartal des abgelaufenen Jahres 5957 Kilometer hinter der Planung gelegen. Auch werde der Zeitplan für den Zubau von Backup-Kraftwerken, die schwankende Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren ausgleichen sollen, voraussichtlich nicht eingehalten. Laut dem Bericht drohen weitere Preissteigerungen beim Strom.

Dabei belasteten bereits heute sehr hohe Stromkosten den Wirtschaftsstandort Deutschland und die privaten Haushalte. Gefordert wird, dass Bundesregierung die Systemkosten der Energiewende anders als bisher klar benennt. „Die bisherigen Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende sind ungenügend und bergen deshalb gravierende Risiken für die energiepolitischen Ziele“, sagte Rechnungshofpräsident Kay Scheller, der vor der Übernahme der Aufgabe lange Jahre Direktor der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte die Kritik zurückgewiesen.

Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft sieht Fortschritte

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht den Stand der Energiewende weniger kritisch. „Bei aller berechtigten Kritik in einzelnen Punkten: Der Bundesrechnungshof schießt mit seiner Generalkritik über das Ziel hinaus“, sagte Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführende des Branchenverbands BDEW. Es seien sehr wohl Energiewende-Fortschritte sichtbar: Die Bedingungen für den Ausbau der Erneuerbaren im Strombereich hätten sich deutlich verbessert. Klar sei aber auch, dass es weitere Vereinfachungen bei den Planungs- und Genehmigungsverfahren geben müsse.

Eine Versorgungslücke im Stromsystem befürchtet der BDEW nicht. „Die Bundesregierung muss aber jetzt Tempo machen, um den Zubau wasserstofffähiger Gaskraftwerke zu ermöglichen“, so Andreae. Die Gefahr bei einem verzögerten Ausbau von wasserstofffähigen Kraftwerken liege nicht in einer Gefährdung der sicheren Stromversorgung, sondern in einer Gefährdung des vorgezogenen Kohleausstiegs. Kraftwerksbetreiber müssen eine geplante Stilllegung einer Stromerzeugungsanlage mindestens ein Jahr vorher bei der Netzagentur beantragen. Die prüft dann mit den Stromübertragungsnetzbetreibern, ob dieses Kraftwerk für Netzstabilität und Versorgungssicherheit gebraucht wird. Ist das der Fall, kann es nicht einfach stillgelegt werden.

Rheinenergie-Chef: Energiewende erfolgt zu langsam

„Wir kommen mit der Energiewende durchaus voran. Aber zu langsam“, so Rheinenergie-Chef Andreas Feicht. Neben dem Ausbau der Erneuerbaren würden ab 2030 dringend wasserstofffähige Back-up-Gaskraftwerke benötigt. Auch über die Kapazität hinaus, auf die sich die Bundesregierung zuletzt verständigen konnte, so Feicht. Zunächst sollen nach den Plänen der Regierung die Errichtung von bis zu zehn Gigawatt an Gaskraftwerksleistung ausgeschrieben werden, Parallel, so Feicht, dürfe die Kraft-Wärme-Kopplung nicht aus dem Fokus geraten.Sie liefere bundesweit wesentliche Beiträge sowohl für die Wärme- wie für die Stromerzeugung.

Um die dezentralen Heizkraftanlagen an eine Wasserstoffversorgung anzuschließen, brauchen wir nicht nur einen nationalen Rahmen für ein Wasserstoffimport- und transportnetz, sondern eben auch einen Rahmen für den Anschluss der Verteilnetze an das Transportnetz. „In Köln bemühen wir uns daher gemeinsam mit der Stadt, die städtische kommunale Wärmeplanung eng mit unseren Plänen für den Infrastrukturausbau zu verzahnen“, so Feicht.

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