Abo

Ausbauvarianten der Ost-West-AchseKommt ein 2,3-Kilometer-Tunnel für Köln?

Lesezeit 5 Minuten
OST-WEST-U-BAHN: „So lange bauen wie möglich.“

OST-WEST-U-BAHN: „So lange bauen wie möglich.“

Köln – Später einmal könnte dieses Treffen am 27. September eines der größten Kölner Bauprojekte der nächsten Jahrzehnte mit auf den Weg gebracht haben. Am Rande der Sitzung des Stadtrates ziehen sich Politiker von CDU, SPD, FDP zurück, mit dabei sind Verkehrsdezernentin Andrea Blome und Jürgen Fenske, Chef der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB).

Es soll an diesem Donnerstag Ende September um eine neue U-Bahn gegangen sein, um die Ost-West-Achse – und es deutet sich an, dass der CDU-Vorschlag die besten Karten hat. Zumindest kommt der rund 2,3 Kilometer lange Tunnel bis zum Eisenbahnring kurz vor dem Aachener Weiher für Fördergeld von Bund und Land in Frage. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung von Experten, sie liegt der Rundschau vor.

KVB-Chef Fenske: „Eine große Baustelle“

Der Begriff Ost-West-Achse steht für den Ausbau der Strecke ab dem Heumarkt Richtung Westen. Dort fahren bislang oberirdisch die Linien 1 und 7, die 9 biegt am Neumarkt gen Süden zum Zülpicher Platz ab. Doch Köln wächst, die Bahnen werden voller. Deshalb wollen Stadt und KVB die Kapazität mittels neuer 90-Meter-Bahnen (bislang 60 Meter) erhöhen, dabei zusätzlich den Stadtraum ordnen, aufwerten.

Alles zum Thema Henriette Reker

Zwischen 2027 und 2031 soll es los gehen, mehrere Jahre dauern, mitten in der Innenstadt. Fenske sagte: „Wir dürfen das nicht verniedlichen. Das wird eine große Baustelle.“ Die Frage ist: Tunnel ja oder nein? Und wenn ja, wie lang? Auch der Abzweig der Linie 9 ab dem Neumarkt ist betroffen.

Fünf Varianten hatte die Verwaltung zunächst vorgelegt, die Politik (CDU, FDP, SPD) legte später drei nach (siehe Grafik). Dabei geht es um die Frage, ob die neuen Langzüge oberirdisch fahren oder in einem Tunnel. Und traut Köln sich einen Tunnelbau wieder zu, trotz des Archiveinsturzes? Am Ende ist es auch eine politische Frage, deshalb findet das Treffen während der Ratssitzung statt. Die Grünen lehnen den Tunnel ab, ihr Partner im Minderheitsbündnis, die CDU, will so lange wie möglich untertunneln – vom Heumarkt bis zum Eisenbahnring vor dem Aachener Weiher.

Je länger der Tunnel, desto besser für die Stadt

Und die Variante ist tatsächlich förderfähig, das hat das Düsseldorfer Ingenieurbüro Spiekermann errechnet. Schon im Vorjahr untersuchten die Planer die fünf Varianten der Stadt, jetzt aktualisierten sie ihre Analyse, sie umfasst nun alle acht Varianten. Demnach können vier Varianten auf Fördergeld von Bund und Land hoffen, ihr Kosten-Nutzen-Wert liegt über oder bei 1,0. Heißt: Jeder eingesetzte Euro bringt einen Gegenwert, der darüber liegt, das Projekt hat also einen volkswirtschaftlichen Nutzen.

Vor allem der oberirdische Ausbau zwischen Heu- und Neumarkt besticht mit dem besten Wert von 2,3, bei der Untersuchung im Vorjahr lag der Wert noch bei 1,8, doch die Experten justierten nach. Die Grünen sind große Anhänger dieser Variante, auch die Linken sind gegen einen Tunnel. Dahinter folgen mit 2,1 der kurze Tunnel bis zum Neumarkt (2017: 1,8) sowie der mittlere Tunnel bis zum Rudolfplatz (1,3). Die CDU-Variante knackt die Grenze gerade so, liegt exakt bei 1,0. Das bedeutet aber auch: Ein noch längerer Tunnel ist ad acta gelegt.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte gesagt: „Ich bin der Meinung, dass wir die Bahn so weit bauen sollten, wie es bezahlbar ist. Das heißt also: So lang wie förderungswürdig.“ Blome sagte Ende 2017: „Wir gehen ohne Einschränkung in das weitere Verfahren.“ Aber: „Je länger der Tunnel, desto besser für die Stadt.“

Für die Möglichkeit, Fördergeld zu erhalten, ist es dabei unerheblich, wie viel der Wert über 1,0 liegt. Heißt: Eine Variante mit dem Kosten-Nutzen-Faktor 2,3 hat nicht automatisch mehr Chancen auf Fördergeld als zum Beispiel eine Option mit dem Wert 1,3. Das bestätigte das Landesverkehrsministerium der Rundschau: „Um dieses Kriterium (Voraussetzung der Förderfähigkeit, Anmerkung der Redaktion) zu erfüllen, ist es zunächst unerheblich, wie groß über 1 der Faktor liegt“, sagte der stellvertretende Sprecher Bernhard Meier.

Aus für drei andere, teils milliardenschwere Varianten

Bis zu 90 Prozent der Kosten könnten Bund und Land übernehmen, bis zu 60 Prozent der Bund, 30 das Land, zehn Prozent trägt die Stadt. Ohne Fördergeld geht bei diesem Riesenprojekt nichts, die CDU-Variante beispielsweise kostet 760 Millionen Euro, die anderen drei förderfähigen 250 Millionen Euro (oberirdischer Ausbau), 300 Millionen Euro (kurzer Tunnel) und 560 Millionen Euro (Tunnel bis Rudolfplatz). Es handelt sich dabei aber um grobe Kostenschätzungen. Bestimmte Kosten wie für den Ankauf von Grundstücken an der Strecke sind noch nicht eingerechnet, sie wären auch nicht förderfähig.

Die aktuelle Untersuchung bedeutet das sichere Aus für drei, teils milliardenschwere Varianten – und zwar für die zwei langen Tunnellösungen von KVB und Stadt, sie liegen jeweils bei 0,8 (2017: 0,7), und für den SPD-Vorschlag. Er sah einen unterirdischen Tunnel vom Bahnhof Messe/Deutz unter dem Rhein durch vor, sein Nutzwert beträgt 0,4. Die Idee der FDP, Lindenthal über einen Tunnel anzubinden, taxieren die Prüfer mit 0,9: „Perspektive auf Fördermittel kritisch.“

Im März gab es die erste große Bürgerbeteiligung zu dem Thema, erst danach reichten die Fraktionen Vorschläge ein: eben jene drei mit Tunnel sowie die der Grünen, die sich vor allem aufs Oberirdische konzentrierten und deshalb nun nicht geprüft worden sind. Doch der späte Zeitpunkt sorgte für einiges Unverständnis. Eigentlich war mal vorgesehen, dass der Rat sich bis Jahresende entscheidet. Ob das klappt, hängt auch an der Frage, wie erfolgreich das Treffen bei der Ratssitzung war.

Bei einer Informationsveranstaltung für Bürger stellen Stadt und KVB die Ergebnisse am Samstag, 27. Oktober, 11 bis 14 Uhr, in der Piazetta des Historischen Rathauses vor.

Rundschau abonnieren