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„Adenauerianer“ im BlickNeuer Sammelband zeigt Menschen der Ära Adenauer

Lesezeit 3 Minuten
Stimmabgabe zur Bundestagswahl 1961: Konrad Adenauer im Wahllokal.

Stimmabgabe zur Bundestagswahl 1961: Konrad Adenauer im Wahllokal.

Geschichte in Personen: Ein neuer Sammelband stellt die „Adenauerianer“ vor, Menschen also, die die frühe Bundesrepublik prägten. Viele von ihnen waren Rheinländer, wie der alte Kanzler selbst. 

Konrad Adenauer war gerade CDU-Fraktionschef im Landtag des neu gegründeten Landes Nordrhein-Westfalen geworden, und bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland sollte es noch zweieinhalb Jahre dauern – aber schon jetzt, am 15. November 1946, schrieb ein gewisser Hans Werner Richter (später Gründer der Gruppe 47) über eine angeblich „behördlich genehmigte Restauration“. Walter Dirks folgte im Herbst 1950, da war der neue Staat immerhin schon anderthalb Jahre alt, mit der These vom „restaurativen Charakter der Epoche“.

Der neue Sammelband zeigt Innovation statt Restauration

Wie sehr Richter und Dirks danebenlagen und mit ihnen alle, die bis heute von der angeblichen Adenauerschen Restauration reden, das macht ein neuer Sammelband deutlich. Dazu müssen sich die Autoren - darunter Adenauers Enkel Konrad III., der auch etliche persönliche Erinnerungen beiträgt - gar nicht mit den damaligen Pamphleten auseinandersetzen. Es genügt einfach ein Blick auf die „Adenauerianer“. Die Autoren verstehen darunter keineswegs nur Anhänger und Parteigänger des bundesdeutschen Gründungskanzlers, sondern einfach: Adenauers Zeitgenossen, maßgebliche Persönlichkeiten der Ära Adenauer. Frauen und (allerdings mehrheitlich) Männer, die die ersten beiden Jahrzehnte der Bundesrepublik prägten und die sie zu einem keineswegs restaurativen, sondern vielfältigen und hochgradig innovativen Land machten. Darunter viele große Rheinländer wie Josef Kardinal Frings, wie der Architekt Hans Schwippert, wie der Kölner Universitätsrektor Josef Kroll und seine Kollegen oder wie Hermann Pünder, Chef der Reichskanzlei in der späten Weimarer Republik, in der NS-Zeit KZ-Häftling, nach dem Krieg eine der Schlüsselfiguren in der Entwicklung der britisch-amerikanischen „Bizone“ zur Bundesrepublik. Rheinländer wie Willy Millowitsch. Oder wie WDR-Legende Werner Höfer.

Werner Höfers Sturz über seine NS-Vergangenheit

Der Gastgeber des „Internationalen Frühschoppens“ stürzte bekanntlich 1987 über seine Vergangenheit als NS-Journalist, konkret über einen ausgemachten Beitrag, in dem er 1943 die Hinrichtung des Pianisten und Widerstandskämpfers Karlrobert Kreiten auf widerwärtigste Weise gelobt hatte. Auch diese Affäre wird hier ausführlich dargelegt – einschließlich des Angriffs, die DDR-Propagandist Albert Norden schon 1962 in der gleichen Sache gegen Höfer, den angeblichen Chef-Frühschöppner des Adenauerfernsehens, gerichtet hatte (tatsächlich stand Höfer dem alten Kanzler kritisch gegenüber). Ebenso kommt die NSDAP-Mitgliedschaft der Schauspielerin Elisabeth Flickenschildt zur Sprache – und natürlich Adenauers berühmtes Diktum über die alten Seilschaften im Auswärtigen Amt, in Ermangelung von reinem Wasser schütte man kein schmutziges Wasser aus.

Die vielfältige Zusammensetzung der „Adenauerianer“

„Adenauerianer“ im Sinne dieses Buches sind also durchaus nicht nur große, durch und durch integre Gestalten – sondern es sind schlicht Menschen unterschiedlichster Überzeugung mit ihren historischen Belastungen und Widersprüchen. Und selbst ein Tier gelangt an den Titel „Adenauerianer“: Hans Günter Winklers Wunderstute „Halla“, die angeblich sogar die Zeitung holen konnte. Und über die Winkler mit einer heute äußerst befremdlich wirkenden Formulierung sagte: „Wie eine kapriziöse Frau wollte Halla nicht körperlich angefasst werden.“ Aber das ist – auch Winkler stammte aus dem späteren Wuppertal-Barmen  – keine rheinische Geschichte, anders als viele andere Kapitel dieser bunten und turbulenten bundesdeutschen Nachkriegs-Personengeschichte.

Konrad Adenauer, Hugo Bergham, Christoph Hardt, Henner Löffler: Adenauerianer. Gestalter, Macher, Zauberer – wem wir diese Republik verdanken. Dittrich Verlag Weilerswist, 427 S., 22,90 Euro