Am 6. August 1932 eröffnetDie heutige A555 feiert Geburtstag – ein Blick zurück

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Autobahn Wesseling 1932

Wesseling: Blick auf die erste Autobahnanschlussstelle Europas in Wesseling vor der Eröffnung. 

Köln – In den 1920ern ist das Rheinland neben dem Ruhrgebiet die bevölkerungsreichste Region Deutschlands. Die Provinzialstraße zwischen Köln und Bonn gilt als die meistbefahrene Straße Deutschlands. Staus sind an der Tagesordnung, jährlich sterben tausende Menschen in Verkehrsunfällen, allein 1929 sind es 5867. Es müssen Lösungen her. Der Oberbürgermeister von Köln, Konrad Adenauer, sein Bonner Pendant Wilhelm Lürken und Johannes Horion, Landeshauptmann der Rheinprovinz, forcieren den Bau einer 20 Kilometer langen Kraftwagenstraße zwischen Köln und Bonn.

Trotz wirtschaftlich prekärer Lage schafft es das gewiefte Trio, das riesige Projekt zu realisieren: Die Hälfte der Kosten von damals 8,6 Millionen Reichsmark (31 Millionen Euro) lassen sie aus Berlin zahlen. Der Trick: Das Projekt wird als Notstandsarbeit deklariert. Die 5540 eingesetzten Arbeitslosen erhalten ihren Lohn aus der Erwerbslosenfürsorge. Wer sich gegen die Arbeit sträubt, erhält keine Stütze. Damit die Arbeiter möglichst lange beschäftigt sind, werden Bagger und Förderbände verboten, lediglich Loren sind gestattet. Der Bau, beginnend im Oktober 1929, ist also echte Handarbeit.

Bei der Einweihung der ersten öffentlichen Autobahn Deutschlands am 6. August 1932 schmücken Fahnen und Girlanden den Kölner Verteilerkreis und über die Straße ist ein grünes Band gespannt. Der Rundfunk hat seine Mikrophone aufgestellt und Sonderbeilagen der Zeitungen werden verteilt. „So werden die Straßen der Zukunft aussehen“, frohlockt Adenauer. Lürken sieht Tourismusströme auf seine Stadt hinzurollen und Johannes Fuchs, Oberpräsident der Rheinprovinz, wertet die Kraftwagenstraße als ein Bauwerk „einzig in seiner Art und seiner Entstehung in Europa.“ Es folgen das Deutschlandlied und eine Karawane von Kraftwagen in Richtung Bonn.

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Feier zur Eröffnung von Europas erster Autobahn in Köln im August 1932 

Zwei Tage später passiert dann erstmals der öffentliche Verkehr die 20 Kilometer lange Strecke. Bald sind hier 4000 Autos am Tag unterwegs, die die schnelle Verbindung zwischen Köln und Bonn mit einer Zu- und Abfahrt in Wesseling nutzen.

Basaltstein kam aus dem Siebengebirge

Die neue Straße beeindruckt mit bis dahin nicht bekannten Dimensionen: Jede der vier Fahrspuren hat eine Breite von vier Metern, auf beiden Seiten schließen zwei Meter breite feste Bankette die Fahrbahn ab. 1,5 Millionen Kubikmeter Bodenmasse werden ausgehoben, 31 Straßen und Wege werden über- oder unterquert.

Alle Brücken bestehen aus dem damals modernen Stahlbeton, von dem 15 000 Kubikmeter verbaut werden. Ausgelegt ist die Straße für Höchstgeschwindigkeiten bis 120 km/h. Vier Tage vorher werden auch einige Regeln festgehalten, die besagen, „dass das Halten, Parken oder Wenden verboten“ sei, ebenso das „Treiben von Tieren oder das Befahren mit Pferdefuhrwerken, Fahr- oder Krafträdern“.

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Die erste deutsche Autobahn zwischen Köln und Bonn, die auf eine Gesamtbreite von 40 Metern ausgebaut werden sollte. 

Das Verbot für Motorräder wird vor allem vom ADAC heftig kritisiert, der hier eine Diskriminierung des „kleinen Mannes“ sieht, der sich kein Auto leisten kann. Später wird das Verbot fallen gelassen: Auf den Tafeln am Anfang und Ende der Strecke wird die Regel händisch überpinselt. Die vierspurige Straße hat noch keine mittige Abgrenzung, lediglich eine 30 Zentimeter breite Markierung. Die Fahrbahndecke besteht aus Basaltstein aus dem nahen Siebengebirge, und auf der Überholspur aus zusätzlichem Kalkstein, die anschließend mit Splitt abgestreut werden, um die Fugen zu schließen. In Köln und Bonn binden große Kreisverkehre die erste Autobahn an das übliche Straßenwegenetz an. Sie sollen den Fahrern verdeutlichen, dass sie nun wieder im normalen Straßenverkehr angekommen sind.

1933 kommen die Nationalsozialisten an die Macht. Sie degradieren die Köln-Bonner-Autobahn zur Landstraße 185, damit sich Adolf Hitler später als Erfinder der Autobahn feiern lassen kann.

„Diplomatenrennbahn“ der Bonner Republik

Drei Jahre nach Kriegsende finden auf der A555 und dem Kölner Südkreuz die ersten Auto- und Motorradrennen im Rheinland, der sogenannte „Kölner Kurs“, statt. 300 Fahrer gehen in 16 Klassen auf Motorrädern und mit Autos, zum Teil Marke Eigenbau, an den Start. Die Presse feiert das Rennen als „Demonstration des Fortschritts und des Aufbauwillens.“

Zehn Jahre später findet die „Nur Automobilstraße“ als A72 den Weg zurück ins Autobahnnetz. Ihren Spitznamen hat sie das schon weg: Diplomatenrennbahn. Auf der A555, so heißt sie seit Juni 1974, rasen Bonner Regierungsangestellte, Diplomaten und Staatsbesucher zu ihren Terminen. Das Ende der Bonner Republik schmälert den Verkehrsfluss auf der A555 keinesfalls. 1973 fahren hier täglich 41 700 Fahrzeuge, 2019 sind es doppelt so viele.

Zwischen dem Autobahnkreuz Köln-Süd und der Anschlussstelle Rodenkirchen werden sogar mehr als 100 000 pro Tag gezählt, Tendenz steigend. Aktuell und bis Ende 2025 laufen Sanierungen zwischen der Brühler Straße in Wesseling und der Anschlussstelle Wesseling. Neben Lärmschutzwänden werden zwei Versickerungsbecken und ein Stauraumkanal samt Pumpanlage errichtet, damit die Strecke auch bei Starkregen gut befahrbar ist.

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