Die große Inflation 1914Buch zu Kölner Geldgeschichte trifft Nerv der Zeit

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Das Kleingedruckte ist wichtig: Der Eine-Billion-Mark-Schein von 1923 war nur rund ein halbes Jahr gültig.

Köln – Als der frühere Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, Dr. Werner Schäfke, und der Marzellen-Verlag vor etwa zwei Jahren das Buchprojekt „Die Große Inflation 1914 bis 1924. Eine Kölner Geldgeschichte“ in Angriff nahmen, ahnten sie nicht, dass das jetzt erschienene Werk den Nerv der Zeit treffen würde. Wieder ist es ein Krieg, der ein Ungleichgewicht von gedrucktem Geld und Deckung durch Güter verschuldet. Selbst die Herausgeber schreiben im Impressum: „Angesichts inflationär gestiegener Preise für Papier und Druck danken Autor und Verlag der Annemarie und Helmut Börner-Stiftung und den Freunden des Kölnischen Stadtmuseums. Ihre Unterstützung hat das Erscheinen dieses Buches ermöglicht!“

Ein Trauma, das bis heute nachwirkt

Schäfke spricht von einem Trauma, das bis heute nachwirkt, wenn er die Entwicklung der Inflation seit Ausbruch des Ersten Weltkrieges im damaligen Deutschen Reich nachzeichnet. Fahrt nahm die Geldentwertung Anfang der 1920er-Jahre auf – bis zur Hyperinflation 1923. Er zieht den Schluss, dass unter anderem die Zerstörung des Mittelstandvermögens und die „unerbittliche Haltung der Alliierten gegenüber dem Reich beim Eintreiben von Reparationen“ den Aufstieg der Nationalsozialisten begünstigten.

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Bei der Gesamtschau auf die Große Depression in Deutschland fehlte Schäfke bisher der Blick auf Köln, bei dem Erstaunliches zutage tritt: Die Domstadt kam recht glimpflich davon. Grund für den Historiker, in vier der insgesamt neun Kapitel seines Buches die Situation in der Stadt unter die Lupe zu nehmen. Köln war eine „Insel der Seligen“ in der Katastrophe, erklärt Schäfke, weil die britischen Besatzer nach dem Ersten Weltkrieg ausländische Händler und Privatkäufer hereinließen, und die brachten Devisen. Zudem nutzte der damalige Oberbürgermeister Konrad Adenauer die sich abzeichnende Inflation für seine Strategie „Schulden machen zur richtigen Zeit“.

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Schäfke: „Der Umgang mit Geld bleibt eine schmutzige Geschichte“

Mit horrenden Kreditsummen wurden unter anderem die Erweiterung des Niehler Hafens, Sportanlagen im Grüngürtel und die Messe mit 8000 Notstandsarbeitern aus dem Boden gestampft. Ein Coup, da die Schuldentilgung mit fortschreitendem Geldwertverfall ein Leichtes wurde, der Geber – in dem Fall der Staat – aber das Nachsehen hatte. „Der Umgang mit Geld bleibt eine schmutzige Geschichte“, erklärt Schäfke bei der Buchvorstellung im Kölnischen Stadtmuseum und bezieht sich dabei auch auf andere, in seinem Werk beschriebene, profitable Schachzüge in Krisenzeiten.

Ab Ende der 1920er-Jahre mussten jedoch auch Adenauer und die gesamte deutsche Politik Lehrgeld zahlen. Deshalb zieht Verleger Frank Tewes die Bilanz: „Geschichte wiederholt sich (nicht). Es ist wichtig, daraus zu lernen und die richtigen Schlüsse zu ziehen.“

Werner Schäfke: Die Große Inflation 1914 bis 1924. Eine Kölner Geldgeschichte. 192 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Marzellen-Verlag Köln 2022. 19,95 Euro.

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