Irrflug in die OstseeKölner Unternehmer stirbt mit seiner Familie im Flieger

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Flugbahn der Cessna

Das von Flightradar24 zur Verfügung gestellte Bild zeigt die Flugbahn der Cessna vor ihrem Absturz in die Ostsee. 

Köln – Als am Montag die lettischen Behörden noch in der Ostsee nach den Insassen der abgestürzten Cessna 551 mit der Kennnummer OE-FGR suchen, wehen vor dem Festkomitee Kölner Karneval am Maarweg die Fahnen bereits auf halbmast. Um 19.45 Uhr war das Kleinflugzeug am Sonntagabend etwa vier Meilen vor der lettischen Hafenstadt Ventspils ins Meer gestürzt. An Bord befanden sich der Unternehmer Peter Griesemann (72) mit Ehefrau, der 26-jährigen Tochter und deren Freund.

Eine echte Größe im Kölner Karneval

Griesemann war Ehrenpräsident der Blauen Funken und zuletzt Aufsichtsratschef des Festkomitees. Die Griesemann-Gruppe mit Sitz in Wesseling und europaweit insgesamt 40 Standorten verdient ihr Geld im Industriebau, Peter Griesemann führte darüber hinaus die GG Rent in Bergisch Gladbach, eine Chartergesellschaft für Kleinflugzeuge.

Die Tragödie ereignete sich bei der Rückkehr aus dem Familienurlaub in Südspanien, wo die Griesemanns ein Haus besitzen. Am Sonntagnachmittag gegen 14 Uhr war die Maschine in Jerez abgehoben. Peter Griesemann selbst steuerte das Flugzeug. Was dann geschah, soll nun von Luftfahrtexperten geklärt werden. Bereits beim Flug über Frankreich soll Griesemann über Funk Druckprobleme gemeldet haben. Eigentlich sollte die Maschine gegen 18 Uhr auf dem Flughafen Köln/Bonn landen. Doch der Autopilot ließ die Cessna weiter Richtung Ostsee fliegen.

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In der Kabine fiel der Druck ab

Als wahrscheinlich gilt derzeit, dass wohl alle Insassen wegen eines Druckabfalls und damit verbundenem Sauerstoffverlust das Bewusstsein verloren haben könnten. Doch die genaue Absturzursache ist unklar. Zunächst schickte die französische Flugsicherung Kampfjets in die Luft, weil kein Kontakt zur Cessna möglich war und die Maschine als „Geisterflug“ mit eingeschaltetem Autopilot unterwegs war. Gegen 17.30 Uhr ging die Warnung über den Kontaktabbruch zu Flug OE-FGR bei der Deutschen Flugsicherung in Karlsruhe ein, abgesetzt hatten ihn die Kollegen in Maastricht. Die Behörde ist zuständig für den oberen Luftraum – die Cessna war mit einer Flughöhe von 11.000 Metern unterwegs nach Köln. Kurz darauf stiegen Eurofighter der Luftwaffe in Rostock-Laage auf, begleiteten das im Jahr 1979 gebaute Kleinflugzeug der Griesemanns über die Insel Rügen. Auch dänische und schwedische Kampfjets waren aufgestiegen. Wenig später meldete die Luftwaffe den Absturz des Privatjets, dem über der Ostsee offenbar der Sprit ausgegangen war.

Verzweilter Versuch der Kontaktaufnahme

Überliefert ist der verzweifelte Versuch der schwedischen Retter, Kontakt zu den Insassen der Cessna aufzunehmen. Mit den Worten „Mayday relay, mayday relay, this is Sweden rescue“, meldete sich Lina Buurstra, die Leiterin der schwedischen Luftrettung. Auf eine Antwort wartete auch sie vergeblich. Der schwedischen Zeitung „Aftonbladet“ sagte sie später, der Absturz sei „so unglaublich tragisch“. Auch Hubschrauber verfolgten die Cessna, dann entschloss sich Buurstra, den Schiffsverkehr in der Ostsee zu warnen, weil der Absturz des Kleinflugzeugs angesichts des ausgehenden Treibstoffs eine Frage der Zeit war.

Peter Griesemann war erfolgreicher Unternehmer und hatte nebenbei ein Herz für den Karneval. Im Jahr 2014 hatte Griesemann, den viele Wegbegleiter als „ruhig und bedacht“ beschreiben, sogar das Präsidentenamt der Blauen Funken übernommen, sich vier Jahre später aber von seinem Sohn Björn ablösen lassen, der 2014 Prinz im Kölner Dreigestirn war. Er war zudem Präsident des Bauvereins Sachsenturm. Der denkmalgeschützte Turm ist Teil der historischen Kölner Stadtmauer und seit 1970 Quartier der Blauen Funken. Nun soll ein Anbau erfolgen, weil die historischen Räume für die Größe des Traditionskorps nicht mehr ausreichen. Bereits im Jahr 1990 war er in den Senat des Traditionskorps eingetreten. Mit seiner Charterfluggesellschaft hatte sich der Firmenchef vor allem auf medizinische Transporte spezialisiert, auch sterile Flüge von Transplantationsorganen führte die Gesellschaft durch.

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„Fassungslos“ über die Absturznachricht zeigte sich am Montag Kölns Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn. „Peter hat über Jahrzehnte viel in der Stadt bewegt, als Unternehmer und als Karnevalist. Er hatte nicht nur Sachverstand und Unternehmergeist, er hatte auch viel Herz für die Menschen und den Fastelovend. Der Karneval und auch ich persönlich verlieren in ihm einen wertvollen Ratgeber und einen treuen Freund“, so Kuckelkorn. Heinz-Günther Hunold, Präsident der Roten Funken, lobte, Griesemann habe „die Dinge immer richtig eingeschätzt, ohne laut zu sein“. Er habe „hinter den Kulissen unglaublich viel für den Karneval getan“.

Peter Griesemann und seine Frau hinterlassen zwei Söhne, Björn Griesemann (46) hatte bereits vor einigen Jahren die Geschäftsführung des Familienunternehmens mit insgesamt rund 1600 Mitarbeitenden in drei Ländern übernommen. Die Griesemann-Gruppe schaltete am Montag für längere Zeit ihre Internetseite ab, ebenso die Blauen Funken. Man sei in „engem Kontakt zur Familie“, teilte ein Sprecher der Blauen Funken mit. Der Schock sitzt tief.

Tödliche Abstürze in der Region

Erst vergangenen Sonntag ist ein Kleinflugzeug in Duisburg abgestürzt. Die beiden Insassen, ein 54-Jähriger aus Bottrop und ein 77-Jähriger aus Dortmund, kamen dabei ums Leben. Das Ultraleichtflugzeug der Marke „Flight Design CT“ ist nur wenige Meter von einem Zirkuszelt entfernt abgestürzt. Dabei wurden mindestens acht Autos beschädigt. Die etwa 900 Besucherinnen und Besucher der Vorstellung blieben unverletzt. Von dem Absturz bekamen sie nach den Angaben der Feuerwehr zunächst nichts mit, weil die Musik im Zelt so laut war. Die Ursache für das Unglück ist noch nicht geklärt.

Auf dem Weg von der kroatischen Stadt Split aus nach Leverkusen ist Ende Mai eine Cessna 182 abgestürzt. Der Pilot aus dem Luftsportclub Bayer Leverkusen und die drei weiteren Insassen starben. 25 Minuten nach dem Start in Split war das Kleinflugzeug vom Radar verschwunden. Die kroatischen Behörden suchten mit etwa 400 Einsatzkräften nach der Cessna und fanden das Wrack schließlich einen Tag später in der Nähe der Stadt Slunj. Das ist etwa 200 Kilometer Luftlinie von Split entfernt und liegt ungefähr 50 Kilometer südlich von Zagreb, der Hauptstadt Kroatiens. Die Ursache ist noch ungeklärt.

Nur drei Minuten nach dem Start in Sankt Augustin-Hangelar mit dem Ziel Hamburg, stürzte vergangenen Oktober ein Kleinflugzeug im Siebengebirge ab. Der 51-jährige Pilot und der 23-jährige Passagier kamen dabei ums Leben. Das Flugzeug kollidierte mit dem Lohrberg. Die Wrackteile erstreckten sich über ein Gebiet von etwa 500 Metern Länge und 40 Meter Breite. Eine der Ursachen des Absturzes ist vermutlich der Nebel, der an dem Morgen im Siebengebirge herrschte. Auch hier laufen die Untersuchungen noch.

Unfälle und schwere Störungen von Luftfahrzeugen in Deutschland werden von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) untersucht und Ursachen ermittelt. Zudem unterstützt die BFU die Untersuchungen von ausländischen Behörden. Denn die Zuständigkeit umfasst Unfälle in Deutschland sowie im Ausland durch in Deutschland zugelassene Flugzeuge. (khe)

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